Heftige Vorwürfe gegen einen 21-Jährigen: Der junge Mann soll im Juli 2022 einen Kontrahenten vor dem Leipziger Studentenkeller („StuK“) derart verletzt haben, dass er wenige Tage später im Krankenhaus verstarb. Zusätzlich lastet die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zwei weitere Gewaltdelikte an. Der Prozessauftakt am Mittwoch gestaltete sich schwierig.

Mehr als ein Jahr liegt der schockierende Vorfall zurück – nun begann vor dem Leipziger Landgericht der Prozess unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Am frühen Morgen des 6. Juli 2022, etwa 4:30 Uhr, soll der Verdächtige Seyfullah A. (21) einen 34-Jährigen vor dem Studentenkeller „StuK“ in der Nürnberger Straße mit einem „kraftvollen Schlag gegen den Kinnbereich“ zu Fall gebracht haben. Das Opfer schlug auf dem Asphalt auf, war 15 Minuten bewusstlos und erlitt Blutungen, eine Fraktur und ein Schädelhirntrauma. Trotz aller ärztlichen Bemühungen starb der Mann am 12. Juli in der Uniklinik an den Folgen des Angriffs.

Zwei weitere Gewalttaten in der Anklageschrift

Das Ereignis war das letzte und folgenschwerste von insgesamt drei Tatkomplexen, die Staatsanwältin Karin Schultrich dem Angeklagten zur Last legt. Am Abend des 21. Juni 2022 war Seyfullah A. laut Anklageschrift mit Bekannten in den Höfen am Brühl essen. Nach einem Streit mit einem Mann sei dieser durch die Gruppe gegen 21 Uhr verfolgt und in der nahen Katharinenstraße eingeholt worden.

Anschließend hätten der Angeklagte und seine Kumpanen auf den Geschädigten eingeschlagen, dazu habe dieser Tritte mit beschuhten Füßen abbekommen. Brüche der Stirnhöhle und im Schädelinneren waren die Konsequenz, der Betroffene musste in stationäre Behandlung, wurde operiert und war bis 4. September 2022 krankgeschrieben. Bis heute habe er die Attacke körperlich und mental nicht verarbeitet. Im Prozess ist er Nebenkläger und anwaltlich vertreten.

Mindestens zehnmal habe Seyfullah A. außerdem am 3. Januar 2022 gegen 23 Uhr im Bereich Emilienstraße/Karl-Liebknecht-Straße auf einen Bekannten eingedroschen, der bereits am Boden lag. Dem seien mehrere kraftvolle Schläge ins Gesicht vorausgegangen. Erst als der Widersacher rief, dass es reiche, habe der Täter von ihm abgelassen. Wegen einer linksseitigen Unterkieferfraktur und einem Schädelhirntrauma waren auch hier ein stationärer Klinikaufenthalt und eine OP notwendig.

Geständnis und Gedächtnislücken

Nach längeren Ermittlungen war Seyfullah A. vor einem Jahr gefasst und in Untersuchungshaft genommen worden, kam aber nach sechs Wochen raus und ist auch aktuell in Freiheit. Über seinen Anwalt Stephan Bonell ließ der 21-jährige Bauhelfer mitteilen, dass der Vorfall vom 3. Januar 2022 „in groben Zügen richtig“ sei, und erklärte sich dann auch persönlich zu den Vorwürfen. Es sei um „Geschäftliches“ gegangen, der Freund, den er geschlagen habe, habe ihm inzwischen verziehen, sagte Seyfullah A. aus, der zudem geltend machte, zum Tatzeitpunkt unter Einfluss von Lachgas gestanden zu haben.

Bezüglich des Geschehens vom 21. Juni 2022 in der City beteuerte der Angeklagte dagegen, er habe die Streiterei zu schlichten und die Beteiligten zu trennen versucht: „Ich bin sicher, dass ich nicht zugeschlagen habe“, sagte der Verdächtige mit leiser Stimme. Zeugen zeichnen hier aber angeblich ein anderes Bild. Zum Grund der Konfrontation konnte oder wollte der 21-Jährige nichts sagen.

Als die Vernehmung auf die tödlich geendete Auseinandersetzung am „StuK“ zu sprechen kam, schien Seyfullah A. nur mühsam die Fassung wahren zu können: „Es ist schwierig für ihn, sich zu erinnern, es geht ihm auch furchtbar nahe“, sagte Verteidiger Stephan Bonell über seinen Mandanten. Dieser sagte aus, er habe unter starkem Einfluss von Wodka und Cannabis gestanden. Durch das Opfer, das bereits draußen gestanden und massive Beleidigungen wie „Fuck Arab People“ ausgestoßen haben soll, fühlte er sich bedrängt, gab Seyfullah A. zu Protokoll.

Als der 34-Jährige auf ihn zugekommen sei, habe er einmal zugeschlagen. Viel mehr wisse er nicht mehr.

Bruchstückhafte Erinnerungen

Das Gericht hat nun die mühsame Aufgabe vor sich, das Geschehene so exakt wie möglich aufzuklären, was sich erfahrungsgemäß nicht einfach gestalten dürfte. Schon der Prozessauftakt war schwierig: Mehrfach musste Seyfullah A. aufgefordert werden, während seiner Aussage lauter und klarer zu sprechen. Doch jenseits der schlechten Akustik ergab sich aus Sicht der Kammer kein stimmiges Bild: „Eine runde Geschichte habe ich noch nicht gehört, es sind alles Bruchstücke“, konstatierte der Vorsitzende Richter Bernd Gicklhorn in Richtung der Anklagebank.

Verteidiger Bonell konterte: „Wir hätten gern eine runde Geschichte präsentiert, dass er aus Notwehr oder vermeintlicher Notwehr gehandelt hat“, sprang der Anwalt seinem Mandanten bei. Dies sei aber nicht möglich.

Der Prozess wird fortgesetzt, die 3. Strafkammer hat sieben weitere Verhandlungstage bis 12. September geplant. Bei einem Schuldspruch droht dem Angeklagten ein längerer Aufenthalt hinter Gittern.

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