Zur Urteilsverkündung 2023 sorgte er für einen Eklat, als er Richter und Staatsanwalt im Landgericht angriff und bedrohte: Seit heute sitzt der massiv vorbestrafte Christian F., verurteilt unter anderem wegen eines Mord- und eines Vergewaltigungsversuchs in Leutzsch, erneut auf der Anklagebank. Der 32-Jährige ist rechtskräftig in Haft, wegen einer Gesetzesänderung wird aber der Alkoholentzug neu verhandelt.

Der Mann, um den es am Freitagmorgen im Landgericht geht und der ein sichtbares Tattoo mit der Zahl 187 trägt – Symbol für den Mordparagrafen des kalifornischen Strafgesetzbuches – sitzt neben Wachtmeistern und in Handschellen hinter Mobilwänden aus Plexiglas. Sie wurden extra für diesen Prozess aufgebaut, anders als in den Corona-Jahren aber nicht wegen einer Pandemie, sondern als Schutz gegen Übergriffe des Angeklagten, der als gewaltbereit und unberechenbar gilt.

Bewiesen hatte der 32-jährige Christian F. dies schon am 26. Mai 2023: Es war im gleichen Gerichtssaal, als er während der Verkündung des Urteils den „Stinkefinger“ zeigte, dann eine Sprechanlage nach vorn schmiss, die den Kammervorsitzenden und eine Richterkollegin nur knapp verfehlte. Zudem brüllte F. mehrfach Morddrohungen, musste vom Wachpersonal fixiert werden.

64-jähriger Leutzscher wegen Zigaretten beinahe ermordet

Erst nach einer Zwangspause setzte das Schwurgericht damals die Ausführungen zum Strafmaß fort. 13 Jahre Haft wegen versuchten Mordes, versuchter schwerer Vergewaltigung und weiterer Delikte, dazu Sicherungsverwahrung: Der massiv vorbestrafte Christian F. sei äußerst gefährlich, müsse auch nach Absitzen der Haft zum Schutz der Gesellschaft hinter Gittern bleiben.

Die Kammer sah es als erwiesen, dass der zuweilen obdachlose Tätowierer und Pornodarsteller seinen Bekannten Manfred K. (Name geändert) am 1. September 2022 in dessen zugemüllter Wohnung in der Georg-Schwarz-Straße, wo er Unterschlupf gefunden hatte, mit Bierflaschenschlägen und Messerstichen fast umbrachte. Der 64-Jährige überlebte den blutigen Gewaltexzess knapp, erinnerte sich vor Gericht nicht mehr an den Vorfall. Anlass war, dass der gutmütige und dem Alkohol zugetane Leutzscher auf Nachfrage von Christian F. spontan keine Zigaretten herausgab, sich als Wohnungsinhaber etwas Respekt erbat.

Gewaltorgie zur Erniedrigung und Machtdemonstration

Dazu umfasste die Anklage Flaschenwürfe von Christian F. an den Leutzsch-Arkaden, Würgeattacken gegen seine zwei Jahre ältere Freundin Janina M. (Name geändert), die er aus einem Hamburger Obdachlosenasyl kannte, und den Versuch, die psychisch labile Frau in der Nähe vom Leutzscher Rathaus unter Drohungen zum Oralverkehr zu zwingen. Auch widersetzte sich Christian F. den Polizisten, die ihn festnahmen, nachdem eine zufällig vorbeifahrende Streifenbesatzung auf ihn aufmerksam geworden war, drohte den Beamten und deren Familien mit dem Tod.

Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob hatte Christian F. im ersten Prozess attestiert, es sei ihm mit seiner Gewalt um Erniedrigung und Macht gegangen. Der damals 30-Jährige wurde trotz Alkoholabhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung für voll schuldfähig befunden.

Seine Pflichtverteidigerin Pamela Pabst plädierte auf fünf bis sechs Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung: Ihr an Mukoviszidose erkrankter Mandant bräuchte professionelle Unterstützung, die Sicherungsverwahrung könne man vorbehalten, argumentierte sie. Das Schwurgericht folgte mit dem Urteil jedoch vollumfänglich der Sicht des Anklagevertreters.

Gesetzgeber änderte Richtlinien: Alkoholentzug und Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand

Dass nun nochmal verhandelt wird, hat einen eher formalen Grund: Auf die Revision von Christian F. gegen das Urteil bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die 13 Jahre hinter Schloss und Riegel, die nicht mehr zur Debatte stehen.

Der für die Haftzeit angeordnete Alkoholentzug hielt der Prüfung dagegen nicht stand: Per Gesetzesänderung hatte der Bund die Richtlinien für die Unterbringung in Entziehungsanstalten im Sommer 2023 verschärft. Zum Zeitpunkt des Urteils konnte die Kammer dies noch nicht berücksichtigen.

Demzufolge müsse die Erfolgsaussicht eines Entzugs hinsichtlich ihrer höheren Wahrscheinlichkeit belegt werden, was hier bisher nicht der Fall sei. Gleichzeitig sei laut BGH in dem Kontext auch die Sicherungsverwahrung für Christian F. neu zu entscheiden.

Angeklagter schweigt zunächst

Zur Klärung dieser Fragen hat die Kammer zwei Tage anberaumt. Christian F. verhielt sich beim Prozessbeginn am Freitag ruhig, während der Vorsitzende Richter Hans Weiß ausführlich die Vorgeschichte, das Urteil und das Vorstrafenregister des 32-Jährigen vortrug. Selbst äußern wollte sich der Angeklagte, vor dessen Unberechenbarkeit 2023 auch die JVA nach mehreren Vorfällen gewarnt hatte, zunächst nicht mehr.

Im ersten Prozess hatte der gebĂĽrtige Dessauer die VorwĂĽrfe weitgehend bestritten, gab zu seiner Biografie an, schon frĂĽh Gewalt durch den Stiefvater erfahren zu haben, als Teenager sei er in der Stricher-Szene gelandet. Seit seiner Jugend stand Christian F. wiederholt auch wegen Gewaltdelikten vor Gericht.

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