Betroffene glaubten an gute Investments und Gewinne, tatsächlich aber verschwand ihr Geld auf Nimmerwiedersehen: Seit Montag, dem 4. August 2025, wird einem Mann der Prozess am Leipziger Landgericht gemacht. Als mutmaßlicher Teil einer Betrügergruppe soll der 35-Jährige Kundschaft aus dem deutschsprachigen Raum zur vermeintlichen Geldanlage verleitet und so fast 776.000 Euro eingenommen haben.
Der junge Mann im weißen Langärmelhemd, den Justizbeamte am Montag in Handschellen brachten, wirkte gepflegt, schien Seriosität und Ruhe ausstrahlen zu wollen. Nur dezente Fingerbewegungen, die er auf der Anklagebank vollführte, verrieten vielleicht eine gewisse Anspannung. Immerhin wird der 35 Jahre alte Eduard V. des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verdächtigt: Dr. Stefan Reißig von der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden zählte in seiner Anklageschrift insgesamt 55 Fälle auf, bei denen Eduard V. beteiligt verantwortlich sein soll.
Investitionen sollen niemals stattgefunden haben
Demnach habe sich der Ukrainer mit weiteren Personen zu einer Gruppe zusammengetan, die spätestens ab November 2019 über scheinbar seriöse Internetseiten diverse Online-Plattformen für den Handel mit Anlage- und Finanzprodukten anbot. Tatsächlich aber habe man nie vorgehabt, die Summen privater Anleger zu investieren, sondern für eigene Zwecke einbehalten, so der Anklagevertreter: „Die Tatbeteiligten wussten, dass die Opfer nicht gezahlt hätten, wenn sie gewusst hätten, was mit den Geldern geschieht.“
Um ihre Opfer in die Falle zu locken, hätten die Betrüger über Callcenter auf Zypern und in Serbien Menschen unter anderem in Deutschland kontaktiert und zu Einzahlungen bewegt. Hier kommt dann auch Eduard V. ins Spiel, der nach Ermittler-Kenntnissen von November 2019 bis April 2021 überwiegend von Belgrad aus unter Tarnnamen wie „Walter Schulze“ als sogenannter „Retention Agent“ operiert haben soll.
Sein Job laut Akten: „Kunden“ aus dem deutschsprachigen Raum zu betreuen und sich um deren langfristige Anbindung zu kümmern. Auch für den Fall, dass Anleger ihr Erspartes zurückforderten, habe man mit spezialisierten „Agenten“ vorgesorgt.
Auch ein Leipziger betroffen
Mit ihrer Masche, durch Fachwissen zu Cybertrading und Finanzen an viel Geld zu kommen, hatte die Gruppe Erfolg, wenn man der Anklagebehörde folgen mag: Die stellt allein im oben genannten Zeitraum elf Geschädigte fest, für die Eduard V. verantwortlich sein soll. Der geschätzte Schaden liegt bei fast 776.000 Euro, 125.000 Euro davon sollen in die Taschen des Angeklagten geflossen sein.
In den 55 Fällen der Anklage hätten Privatpersonen mal geringere vierstellige Geldbeträge, mal aber auch größere Summen bis zu 100.000 Euro, an die Betrüger geschickt. Im Januar 2021 traf es einen Mann aus Leipzig, der auf diese Weise kurz hintereinander mehrere zehntausend Euro verloren haben soll. Die Mittel sollen laut Generalstaatsanwaltschaft über ein Geldwäschenetzwerk verteilt worden sein.
Hochkomplexe Ermittlungen
Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und der Kriminalpolizeiinspektion Chemnitz wegen Verdachts auf banden- und gewerbsmäßigen Betrug laufen in diesem komplexen Fall schon länger. Gegen Eduard V. lag ein Europäischer Haftbefehl vor, am 23. Oktober 2024 klickten auf Zypern die Handschellen.
Zeitgleich waren auf der östlichen Mittelmeerinsel sowie in Serbien 22 Objekte durch dortige Polizeikräfte durchsucht worden. Den Ermittlern sind inzwischen 140 Opfer in Deutschland bekannt, der Vermögensschaden nur in der Bundesrepublik soll sich der Generalstaatsanwaltschaft zufolge auf 14 Millionen Euro belaufen: „Insgesamt liegt der Schaden im mittleren dreistelligen Millionenbereich bei einer Vielzahl von Geschädigten weltweit.“
Angeklagter schweigt zunächst
Der jetzt angeklagte Eduard V., nach eigener Aussage mit einem Master in englischer und deutscher Literatur sowie einem Abschluss für Wirtschaft und Verwaltung ausgestattet, wollte sich am Montag nicht zu den Vorwürfen äußern. Er werde dies laut Verteidigung eventuell später tun.
Seine Anwälte kritisierten vorab Unklarheiten in der Anklage. Ihr Mandant sei ein einfacher Telefonist gewesen und habe keine tieferen Einblicke in die Strukturen gehabt. Nun sei der inhaftierte Ukrainer faktisch „völlig abgeschieden von Familie und Freunden in einem fremden Land“, sagte Rechtsanwalt Serkan Erdogan.
Die Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Tanja Lötschert hat derzeit 15 weitere Verhandlungstage bis Ende Oktober geplant.
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