Es geht um massenhaft geprellte Anleger und Millionenumsätze, die über dubiose Netzwerke verschwanden: Im Prozess gegen einen mutmaßlichen Betrüger am Leipziger Landgericht sagte am Freitag ein zuständiger Ermittler als Zeuge aus und beschrieb, wie perfide offenbar mithilfe einer Bandenstruktur den Menschen das Geld aus der Tasche gezogen wurde. Laut Generalstaatsanwaltschaft liegt der Schaden allein in Deutschland bei etwa 14 Millionen Euro.
Lehrer und Wirtschaftsfachmann Eduard V. soll als mutmaßlicher Telefonagent einer Bande Kunden aus dem deutschsprachigen Raum zur vermeintlich sicheren Geldanlage verleitet haben, steht deshalb seit 4. August wegen gewerbsmäßigen Betrugs vor dem Leipziger Landgericht. Die Anklage wirft dem 35-jährigen Ukrainer eine Beteiligung an 55 Fällen vor, in denen fast 776.000 Euro eingenommen wurden. Etwa 125.000 Euro davon sollen in die Taschen des Angeklagten geflossen sein.
Perfide Betrugsmethodik
Und schon bei diesen Summen handelt es sich wohl nur um einen Bruchteil des tatsächlichen Schadens, der durch die sächsische Generalstaatsanwaltschaft weltweit im mittleren dreistelligen Millionenbereich verortet wird.
Überwiegend dürfte das Geld für Geschädigte endgültig auf verschlungenen Wegen verschwunden sein, wie auch die Strafverfolger befürchten: „Während der ganzen Ermittlungen konnte man nicht feststellen, dass Gelder auf irgendwelchen Verwahrkonten waren. Im Gegenteil wurden die Gelder immer weiter transportiert“, sagte ein sächsischer Ermittler am Freitag im Zeugenstand aus. Der Kriminalhauptkommissar bekam den komplexen Fall im Sommer 2020 auf seinen Schreibtisch, nachdem eine Frau aus Chemnitz zum Opfer der Betrugsmasche wurde.
Laut Behördenkenntnis funktionierte diese so: Über professionell gestaltete Internetseiten wurden Online-Plattformen für den Handel mit Anlageprodukten beworben, etwa Krypto- oder Fremdwährungen. Private Anleger unter anderem auch aus der Bundesrepublik seien gezielt geködert und mit der Aussicht auf Gewinne veranlasst worden, teils fünf- oder gar sechsstellige Summen einzuzahlen.
Summen, die freilich in die Tasche der Betrüger wanderten, nie investiert wurden, so die Anklageschrift. Die Kontaktaufnahme mit den Opfern, darunter im Januar 2021 auch ein Leipziger, habe via Callcenter in Serbien und auf Zypern stattgefunden.
Üble Beleidigungen in Chats
Der jetzt angeklagte Eduard V. soll zwischen November 2019 und April 2021 meist von Belgrad aus unter Tarnnamen wie „Walter Schulze“ operiert haben. Er habe als Teil einer gut organisierten Gruppe von Betrügern deutschsprachige „Kunden“ betreut und deren langfristige Anbindung an die vermeintlichen Finanzprofis sichergestellt, heißt es.
Während der Ermittlung, so berichtete am Freitag der benannte Polizist, habe man wiederkehrende Muster in der Betrugsmasche festgestellt und bei Durchsuchungen Datenmaterial gesichert. So konnte man denn auch interne Chats der Firma einsehen.
Hier hätten sich die mutmaßlichen Betrüger über Opfer lustig gemacht, die skeptisch geworden waren und ihr Geld zurückforderten. Auch mit Beleidigungen wie „Bitch“ und „Motherfucker“ sollen Geschädigte tituliert worden sein.
Angeklagtem wird Deal angeboten
Im Zuge größerer Razzien war Eduard V. am 23. Oktober 2024 auf Zypern verhaftet worden, auch in Serbien wurden Objekte durchsucht. Der Ukrainer hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Die Anklage stellte dem 35-Jährigen bei einem Verständigungsgespräch am Freitag allerdings in Aussicht, aus ihrer Sicht mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei und dreieinhalb Jahren davonkommen zu können.
Voraussetzung sei, dass er sich zur finanziellen Wiedergutmachung verpflichte und umfassend über Protagonisten, Struktur und Methodik des vermuteten Netzwerks auspacke, betonte Stefan Reißig von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Laut seinen Anwälten, die Eduard V. als kleinen Fisch im Getriebe darstellen, sei man nicht abgeneigt, auf den Deal mit der Anklage einzugehen, hieß es.
Vielleicht besteht hier auch eine Hoffnung auf mehr Informationen: „Die höhere Struktur ist aktuell noch nicht bekannt“, musste der sächsische Ermittler am Freitag mit Blick auf das offenbar global verzweigte Netzwerk einräumen. Mögliche Spuren hätten bis nach Singapur und auf die Philippinen gedeutet.
Für die Verhandlung am Leipziger Landgericht sind 14 weitere Termine bis Ende Oktober geplant.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:










Keine Kommentare bisher