Drei Tage nach den terroristischen Anschlägen in Paris möchte Legida in Leipzig und Pegida in Dresden politisches Kapital aus den Mordtaten des IS schlagen. Allein sind sie damit nicht, bereits am Wochenende war auch seitens der CSU bereits versucht worden, das Thema Flucht nach Europa mit den Anschlägen in der französischen Hauptstadt zu verbinden. "Leipzig nimmt Platz" und "Legida? Läuft nicht." rufen unterdessen erneut zum Gegenprotest auf. Zudem findet am Abend eine Solidaritätsmahnwache für die Opfer in Frankreich statt.

+++ 21:14 Uhr: Noch ein paar Wackelbilder +++

Während sich heute auch witterungsbedingt der Wagner-Platz in Leipzig rasch leert, hier ein paar Eindrücke vom Legida-Marsch samt Gegenproteste am 16. November 2015 beim Durchzug an der Thomaskirche.

+++ 20:54 Uhr: Steile Thesen und weite Sprünge +++

„Kevin aus dem Publikum“ würdigt den verstorbenen, ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt als „Mann der klaren Worte“, der die Bundesrepublik Deutschland gegen die RAF verteidigt habe. Kevin zieht nun Vergleiche mit der gegenwärtigen Bedrohung durch den „linken Terrorismus“ von „No Legida“, der staatlich gefördert werde.

Die Anschläge von Paris seien das Resultat einer „völlig übertriebenen Willkommspolitik mancher europäischer Staaten“ gewesen. Solche Thesen waren zu erwarten. Und gleich noch eine steile These hinterher: „Wer heute Refugees Welcome schreit, hat in Paris mitgeschossen.“ Etwa 500 Demoteilnehmer freuen sich. Die Zahlen gehen also wieder nach unten. Dann ist die Veranstaltung beendet.

Im Prinzip geht’s schon am Mittwoch weiter. Ab 11 Uhr “besorgt” es sich die AfD auf dem Simsonplatz.

Kevin aus dem Volk. Foto: L-IZ.de
Kevin aus dem Volk. Foto: L-IZ.de

+++ 20:45 Uhr: Statt Gedenken ein kalkulierter Coup bei Legida +++

Natürlich dachten die Gegner von Legida nicht daran, dem Aufruf zur Schweigeminute ausgerechnet von Markus Johnke zu folgen. Dieser hatte zu einer Gedenkminute aufgerufen, angesichts verschiedener Opfer auf der Welt, wie auch in Paris. Was damit auch beabsichtigt war, kann man nun auf Facebook erkennen. Während das Pfeifen und Rufen auch während der Schweigeminute gegen Legida gerichtet war, ist es für die rechte Bewegung natürlich eine „Verhöhnung“ der Opfer.

Screenshot der öffentlich einsehbaren Facebookseite von Legida am 16.11.
Screenshot der öffentlich einsehbaren Facebookseite von Legida am 16.11.

Die Anhänger finden es klasse und können gar nicht so schnell loshetzen gegen ihr Lieblingsfeindbild „links“. Interessant daran – die Opfer interessieren auf einmal niemanden mehr. Es ist exemplarisch, was sich binnen von wenigen Minuten anschließend abspielt: In Dresden seien es heute 30.000 Teilnehmer, es handele sich um „Ratten“, und „Terroristen“, „linksrotgrüne Faschisten“ und natürlich werden alle Gegendemonstranten bezahlt.

Es hat sich wirklich nichts geändert und das eigene Gedenken muss hier einen Zweck erfüllen. Das Video war bereits online, als Legida noch auf dem Marsch auf dem Ring unterwegs war.

+++ 20:38 Uhr: Legida ist wieder da +++

“Singend, klatschend und tanzend” in den Untergang – so hat Legida den Spaziergang erlebt. Johnkte meint damit natürlich den Gegenprotest. Er macht sich allerdings sorgen über die geringen Teilnehmerzahlen. Allerdings habe man im Leipziger Umland viel bewegt. Nun ist mal wieder “Kevin aus dem Publikum” dran.

+++ 20:18 Uhr: Legida wittert einen Skandal +++

Während der von Johnke angeordneten Schweigeminute für die Opfer in Paris ließen es sich die meisten Gegendemonstranten nicht nehmen, ihren Protest weiterhin lautstark zu äußern. Kurze Zeit später landete auf dem offiziellen YouTube-Account ein zweiminütiges Video von eben diesem „Vorfall“. Am Rande der Kundgebung hatte sich dafür eigens ein Kameramensch positioniert, der während der Schweigeminute zum Gegenprotest herüberschwenkte. Bei Legida wusste man offenbar schon vor der Veranstaltung, welche Schlagzeile man heute produzieren möchte.

+++ 20:00 Uhr: Ein paar Zahlen zwischendurch +++

Wer geglaubt hatte, die Anschläge von Paris würden Legida und Pegida massiven Zulauf bescheren, sieht sich getäuscht. Im Vorfeld halluzinierte ein Legida-Anhänger noch auch der Fecebookseite der Leipziger irgendetwas von 40.000, die man nun sicher werde. Doch die Realität ist eher so: Bei Legida etwa wieder die 700 Teilnehmer der vergangenen Wochen, bei Pegida maximal, laut der Initiative “Durchgezählt” 12.000, gesamt also 13.000 maximal, die heute in Sachsen auf der Straße stehen. Was dies, trotz der enormen neuen Mobilisierungsmöglichkeiten im Netz mit 1989 zu tun haben soll, bleibt Johnkes Geheimnis.

Montags trifft sich in Sachsen ein harter Kern von Menschen, die “Widerstand” und der oder die müssen alle weg rufen und mit rechten Hooliganstrukturen ebenso paktieren (für Tatjana Festerling nach neuesten Medienberichten offenbar normal) und sich durch ihre Macher Europaweit rechtsextrem vernetzen. Hinschauen lohnt also, doch es tun immer weniger. Nicht einmal 200 beim Livestream von Legida und nur noch rund 5.000 bei Pegida am heutigen 16. November.

+++ 19:51 Uhr: Mit Ökologie in die Wanderpause +++

„Die einzige Integration, die hier stattfindet, ist die Integration ins Sozial- und Gesundheitssystem.“ Man ahnt es schon: Es geht mal wieder um Geflüchtete. Alicia steht am Mikro, redet über Lobbyismus, Widerstand und Volksverräter. „Jung muss weg“, ruft die Menge. „Und das schnell“, ergänzt Alicia. Dann bringt sie frischen Wind ins Legida-Gehege und spricht das Thema Ökologie an. Die Energiewende werde von oben herab eingedämpft, weil die Profite der Konzerne einbrechen würden. Sprung zur „Nazikeule“ und dann ist die Ansprache auch schon vorbei.

Spaziergang. Johnke kündigt an, am Neuen Rathaus ein bisschen langsamer zu laufen, um OBM Jung ein paar verbale Grüße dazulassen. Im Hintergrund brüllt schon wieder jemand „Wer Deutschland nicht liebt…“.

Hat wieder die Nazikeule ausgepackt - damit sie andere steclenlassen können. Alicia mit der beliebten "Ich bin kein Nazi, aber"-Rhetorik. Foto: L-IZ.de
Hat wieder die Nazikeule ausgepackt – damit sie andere steckenlassen können. Alicia mit der beliebten “Ich bin kein Nazi, aber”-Rhetorik. Foto: L-IZ.de

+++ 19:40 Uhr: Seltsame Unterschiede +++

In Dresden predigt Siegfried Däbritz bei Pegida als Ersatz von Lutz Bachmann vor nach ersten Schätzungen 9.000 bis 12.000 Teilnehmern die Wiederaufrüstung Frankreichs und zeigt heute unverhohlene Sympathie für die Grenzschließungen. Und fordert indirekt auch Katar auf die Liste der Feinde zu setzen. Hier wird Krieg gepredigt, man ist auf Angriff gepolt. Moderater versucht es heute Markus Johnke, der sich in der Tradition der Friedensbewegung sieht.

„Es wird von Frieden geredet und Krieg gemacht“ also die Aussage in Leipzig. Auf in den Krieg in Dresden. Vielleicht sollten sich die beiden Bündnisse mal unterhalten? Oder man verheddert sich längst in der eigenen Sicht auf die Geopolitik.

Ein Video vom Lichterumzug heute ab der MB

+++ 19:36 Uhr: Legida schweigt – nur eine Minute +++

Der deutsche Widerstand in Person von Markus Johnke hat das Wort ergriffen. „Wir befinden uns seit vier Wochen auf dem Niveau von 1989.“ Da seien die Zahlen eindeutig. Danach kommt er sehr schnell auf die Anschläge in Paris zu sprechen und den IS, der von Saudi-Arabien und indirekt den USA und Deutschland unterstützt werde. Dann behauptet er, dass Medien den IS noch vor zwei Wochen als – im Gegensatz zu Putin und Assad – „moderate Terroristen“ eingestuft hätten. Wer genau, das sagt er nicht.

Johnke kritisiert, dass viele ihre Anteilnahme mit den Opfern in Paris ausgedrückt hätten, nicht aber mit jenen in der Ukraine oder in Syrien. Um dies zu tun, hätte man zum Beispiel bei Legida erscheinen können. Hier gibt es nun eine Schweigeminute.

+++ 19:12 Uhr: Vor dem Start +++

Bei Legida stehen dutzende Teilnehmer heute neben der Bühne und beschäftigen sich erst mal mit dem Gegenprotest. Derweil werden die „Aufgaben“ (O-Ton Legida) verlesen. „Wir geben auf“ wäre wirklich mal eine schöne Durchsage.

+++ 19:08 Uhr: Alle auf ihren Posten +++

Der Laternenumzug ist an der Thomaskirche angekommen, die heute einen Schwerpunkt des Gegenprotests bilden wird. Legida startet wie immer mit leichter Verspätung. Ersten Schätzungen zufolge gehen die Teilnehmerzahlen bei den Rassisten nicht über jene der vergangenen Wochen hinaus.

+++ 19 Uhr: Wie gewohnt h̦ren wir zu & reden mit Рder Legida-Livestream +++

+++ 18:53 Uhr: Nun doch Kundgebung an der Hainspitze +++

An der Hainspitze hat nun „Die PARTEI“ das Kommando übernommen und eine neue Kundgebung angemeldet. Die ursprünglich geplante war abgesagt worden, weil die Polizei mehrmals mit Einsatzwagen durch die Menge gefahren sein soll. In den vergangenen Wochen hatte es von Gegendemonstranten immer wieder Beschwerden über eine auf Protestveranstaltungen zu präsente Polizei gegeben. Der Lautsprecherwagen von „Leipzig nimmt Platz“ ist derweil auf dem Weg zur Thomaskirche. Der Laternenumzug hat vor fünf Minuten den Markt passiert.

Impressionen vom Lichterumzug seit 18 Uhr von der MB durch die Stadt (Bilder alle L-IZ.de)

+++ 18:33 Uhr: Gegendemos laufen (nicht wie geplant) +++

Mit etwa 700 Teilnehmenden hat sich vor zehn Minuten der studentische Laternenumzug von der Moritzbastei aus in Bewegung gesetzt. Begleitet wird er von einem Polizeihubschrauber und gesungen werden Texte wie „Wir halten das Licht, Legida läuft nicht, rabimmel, rabammel, rabumm“. „No Legida“ meldet soeben, dass die „Leipzig nimmt Platz“-Kundgebung an der Hainspitze wegen „Polizeiverhalten und absprachewidrigem Ordnungsamt“ abgemeldet worden sei.

Der zweite symbolträchtige Termin in Folge. Eine Woche nach dem Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht und der gleichzeitigen Legida-Ansammlung auf dem Richard-Wagner-Platz steht ein Montag schon wieder unter dem Eindruck fürchterlicher Ereignisse. Am vergangenen Freitagabend töteten islamistische Terroristen in Paris mehr als 130 Menschen und verletzten unzählige weitere. Bereits am Wochenende luden deswegen die Nikolaikirche und das Französische Institut zur gemeinsamen Trauer ein. Mehrere hundert Menschen folgten den Aufrufen.

Das Bündnis „Willkommen in Leipzig“ veranstaltet heute Abend eine Solidaritätsmahnwache auf dem Nikolaikirchhof. Die Leipziger sind dazu aufgerufen, mit Teelichtern ein Friedenssymbol mit integriertem Eiffelturm zu legen. Das genaue Gegenteil friedlichen und würdevollen Gedenkens ist aller Voraussicht nach parallel dazu bei Legida zu erwarten, auch wenn man da zum Mitbringen von Kerzen aufrief.

Schon kurz nach den Anschlägen begann die rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete. „Say it loud, say it clear, terrorist are welcome here“, lautete die auf Twitter verbreitete Parole, mit der jeder nach Europa fliehende Muslim mit einem potentiellen Terroristen gleichgesetzt wurde. Den vorläufigen Höhepunkt der Geschmacklosigkeit erreichte Legida, als es am Samstag eine Fotomontage verbreitete: Auf dem oberen Bild waren Opfer der islamistischen Anschläge zu sehen, auf dem unteren Menschen, die Flüchtende mit einem „Refugees Welcome“-Banner in Empfang nehmen. Dazu die Botschaft: „Sowas“, gemeint sind die Opfer, „kommt von sowas“, also solidarischen Menschen.

Es dürfte nur ein erster Vorgeschmack auf den heutigen Abend gewesen sein. Dieser ist offiziell als „Sonderveranstaltung mit Gedenkmarsch für alle Opfer von Krieg, Leid und Terror“ angekündigt. Dies würde also nicht nur sämtliche Menschen meinen, die vor dem IS-Terror fliehen – mehrheitlich bekanntermaßen Muslime – sondern auch jene, die sonstigem Leid, beispielsweise Armut, entkommen möchten.

Auch mit Blick auf die Ereignisse in Paris und die befürchtete Instrumentalisierung durch Legida mobilisiert heute wieder das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zu Gegenveranstaltungen an der Hainspitze (ab 18 Uhr) sowie am Thomaskirchhof und vor dem Neuen Rathaus (jeweils ab 19 Uhr). Das studentische Bündnis „Legida? Läuft nicht.“, das in der Vorwoche bereits 2.000 Menschen auf die Straße brachte und kürzlich mit dem sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet wurde, ruft diesmal zu einem Laternenumzug auf. Dieser startet 18 Uhr vor der Moritzbastei.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar