2012 – wer erinnert sich noch? – stand die Existenz des Hauses Jahnallee 61 auf der Kippe. Ein Dachstuhlbrand hatte das schon seit Jahren leerstehende Haus an der Ecke Lützner Straße / Jahnallee noch weiter zerstört. Das Wort „Abriss“ stand im Raum. Und das bei einem Haus, das wie kein zweites in Leipzig für das Ende des Zweiten Weltkriegs steht. Denn hier entstand das berühmte Foto von Robert Capa „Der letzte Tote des Krieges“.

Der Mann, der über die Entstehung des Fotos erzählen kann, Lehman Riggs, kommt am Sonntag, 17. April, wieder nach Leipzig. Dann wird nämlich im seit 2014 aufwendig sanierten Capa-Haus eine Ausstellung eröffnet, die an Robert Capa und seinen Einsatz in Leipzig erinnert.

In Anwesenheit von Lehman Riggs und Konsul Robert Gatehouse wird der Bürgermeister für Kultur, Michael Faber, am Sonntag, 17. April, um 10 Uhr, die vor dem Gebäudekomplex Jahnallee 61 vorbeiführende Straße als „Bowmanstraße“ einweihen. Tatsächlich wird hier ein (erst seit 1975 existierendes) Teilstück der Lützner Straße umbenannt. Das hatte die Linksfraktion im Stadtrat beantragt und damit auch eine Mehrheit gefunden. Die Lützner Straße führt hier östlich des heutigen Capa-Hauses, der Jahnallee 61, vorbei, wo Raymond J. Bowman im April 1945 Opfer eines Heckenschützen geworden war.

Er ist der – lange Zeit namenlos gebliebene – Soldat auf Capas berühmtem Foto.

Kaum ein Gebäude erinnert deshalb authentischer an die Befreiung Leipzigs vom Nationalsozialismus als das repräsentative Eckhaus Jahnallee 61. Hier entstand eine weltbekannte Fotoserie des amerikanischen Kriegsfotografen Robert Capa, der am 18. April 1945 den Tod von Raymond J. Bowman dokumentierte. Als „The Last Man to Die“ erschien das Foto zuerst in „Life“ und ging später um die Welt. Die Bilder entstanden bei Kämpfen zwischen der anrückenden 2. Infanteriedivision der US Army und deutschen Soldaten, die am Elsterflutbecken letzten sinnlosen Widerstand leisteten. Forschungen führten zur Identifizierung des toten amerikanischen Soldaten. Mit Lehman Riggs konnte zudem ein amerikanischer Zeitzeuge gefunden werden, der in unmittelbarer Nähe den Tod seines Kameraden erlebte.

Kapitulierende deutsche Soldaten überqueren die Zeppelinbrücke, während US-Soldaten gedeckt vorrücken. 18. April 1945. Foto: Robert Capa, Copyright International Center of Photography/Magnum Photos
Kapitulierende deutsche Soldaten überqueren die Zeppelinbrücke, während US-Soldaten gedeckt vorrücken. 18. April 1945. Foto: Robert Capa, Copyright International Center of Photography/Magnum Photos

Dieser historische Ort war nach jahrelangem Leerstand und Verfall sowie mehrfachem Besitzerwechsel in einem extrem schlechten baulichen Zustand, sodass im Jahr 2011 die Abrissgenehmigung erteilt wurde. Als der Dachstuhl des Hauses in der Silvesternacht 2011/12 Feuer fing, schien das Schicksal des Gebäudes endgültig besiegelt zu sein.

Bereits 2011 entfaltete eine Bürgerinitiative öffentlichkeitswirksame Aktivitäten zum Erhalt dieses Stadtbild prägenden Gebäudes, die auch überregional wahrgenommen wurden. Eine erste Notsicherung durch das Bauamt der Stadt Leipzig erfolgte, um eine Gefährdung von Passanten zu verhindern. Im September 2012 wurde das Haus Jahnallee 61 an die L&S-Immobiliengruppe verkauft, die eine weitere Notsicherung durchführte.

Die Stadt Leipzig betonte ihr Interesse am Erhalt des Hauses. Die L&S-Immobiliengruppe reichte einen Bauantrag zur Sanierung des historischen Gebäudekomplexes ein, der im Juni 2013 genehmigt wurde. Nach einer aufwendigen Planungsphase begann 2014 die denkmalgerechte Rekonstruktion des Hauses und der beiden Nachbargebäude, in denen 40 Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstanden.

2016 gingen die Sanierungsarbeiten am „Capa-Haus“ in die Endphase. Erste Mieter bezogen ihre neuen Wohnungen. Im Erdgeschoss eröffnete am 25. Januar das Café Eigler in historischem Ambiente. Die Bürgerinitiative richtete nun mit Unterstützung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig einen Ausstellungsraum innerhalb des Cafés ein, der an die Ereignisse vom April 1945 erinnert und die Arbeit von Robert Capa würdigt. Mit dieser Ausstellung entstand ein Ort des Gedenkens und der Mahnung für den Frieden. Und natürlich auch einer, der mit Robert Capa an einen Fotografen erinnert, der sich mit seiner Kamera in einigen der wichtigsten Kriege des vergangenen Jahrhunderts bis in die vordersten Linien wagte.

Seine Feuertaufe erhielt er im Spanischen Bürgerkrieg, wo er auch die Liebe seines Lebens, die ebenso mutige Gerda Taro verlor. Später berichtete er vom Kampf der Chinesen gegen die japanischen Besatzer und war dann für „Time“, „Life“ und „Collier’s“ dabei, als die Alliierten in Nordafrika, Sizilien und der Normandie dem Kriegsverlauf die endgültige Wendung gaben. Später begleitete er mit der Kamera die Gründung des Staates Israel und den ersten Nahostkrieg. 1954 brach er dann auch zum Kriegsschauplatz in Indochina / Vietnam auf, wo er durch eine Mine den Tod fand. Er starb so, wie er es anderen Reporterkollegen ins Stammbuch geschrieben hatte: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“

Seit 2014 erinnert übrigens eine Straße nördlich des Capa-Hauses an Robert Capa: die Capastraße.

Am Sonntag, 17. April, wird gleich nach der Straßenumbenennung am Haus Jahnallee 61 eine Gedenktafel enthüllt und dann drinnen die Ausstellung „War is over – Robert Capa in Leipzig“ eröffnet.

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