Es war eine erste Reaktion auf die vor allem im ländlichen bis kleinstädtischen Sachsen erzielten Wahlergebnisse der AfD der Bundestagswahl vom Sonntag von teils über 30 Prozent. 24,6 Prozent bei den Parteistimmen und alle Direktmandate außerhalb der Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz ließen heute spontan etwa 150 Menschen zu einer antifaschistischen Demo ab 19 Uhr in Leipzig zusammenkommen.

Zum Start der Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“ (LnP) gab es Redebeiträge auf dem Johannisplatz, in welchen Versammlungsanmelderin Irena Rudolph-Kokot (SPD-Vorstand Leipzig), Marco Rietzschel (SPD) und Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne) vor allem diesen Umstand im Auge hatten.Rudolph-Kokot rief auch im Wissen um die guten Ergebnisse ihrer Partei in Sachsen dazu auf, zukünftig noch deutlicher als bislang antifaschistische und linke Kräfte in den kleineren und mittleren Städten und Gemeinden Sachsens von Leipzig aus zu unterstützen, was Rietzschel mit einem Hinweis auf den anstehenden Christopher Street Day (CSD) in Zwickau am kommenden Samstag zeitnah präzisierte.

Schon bei diesem erstmaligen CSD könnten mehr Menschen aus Leipzig – wo man sich so Rietzschel eben in „Connewitz sicher sein kann, dass man nicht von Nazis angepöbelt wird“ – in die sächsische Kleinstadt fahren, um die dortigen Bemühungen der Fridays for Future und der CSD-Organisatoren am 2. Oktober zu unterstützen.

Für Jürgen Kasek gab es dann als letztem Redner vor Start der Demo durch die Leipziger Innenstadt auch Licht im Dunkel einer blauen Sachsen-Karte bei dieser Wahl. Die AfD habe Stimmen verloren, in Leipzig gar zwei Mandate eingebüßt und auch die CDU sei klar auf gerade noch 17,2 Prozent abgerutscht.

So ergebe sich auch ein neues Verhältnis zwischen SPD (19,3), Grünen (8,6) und der Linken (9,3) von gemeinsam 37,2 Prozent gegenüber den rechts-konservativen Parteien, die somit zusammen (CDU 17,2 und AfD 24,6) und somit noch 41,8 Prozent und eben keine 50 Prozent und damit keine Mehrheit mehr im Freistaat hätten.

Die Redebeiträge auf dem Johannisplatz

Video: LZ

Dennoch rief auf der Leipziger Stadtrat dazu auf, die Bemühungen gegen Rechts zu verstärken und versprach „gemeinsam mit Euch zu kämpfen, an jedem verdammten Tag“ und den „Nazis in den erhobenen rechten Arm fallen“, nachdem er erläutert hatte, wie nah das Demomotto „Sachsen muss sterben, damit wir leben können“ an einem Song von der Punkband „Slime“ namens „Deutschland muss sterben …“ liegt, welcher bereits vor Jahren durch das Bundesverfassungsgericht bewertet wurde (siehe Video).

Dabei habe das Gericht eine zugespitzte Kritik an den Verhältnissen in den Liedzeilen erkannt und im Sinne der Kunstfreiheit als zulässig erkannt.

Besonders freudig erörterte der Jurist zum Abschluss, dass hier auch eine Verbindung zu einem Dichter vorläge, der gerade bei rechten und rechtsradikalen Menschen wegen seiner gern falsch verstandenen und verkürzten Zeile „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“ besonders hoch im Kurs steht. Heinrich Heines Gedicht „Die schlesischen Weber“ (Wiki), welches auf den Weberaufstand 1844 gegen Unterdrückung und Lohnsklaverei hin entstand, enthält unter anderem die Zeile „Deutschland, wir weben dein Leichentuch“.

Erstmals erschien es als „Weberlied“ ausgerechnet im „Vorwärts“. Herausgeber war zu dieser Zeit niemand anderer als ein gewisser Karl Marx.

Demo-Impressionen bis zum Stopp im Süden

Video: LZ

Die Demo wird polizeilich gestoppt

Die Demo startete friedlich, durchquerte die Innenstadt bis auf die Höhe Kleiner Wilhelm-Leuschner-Platz, wo es eine weitere Zwischenkundgebung gab. Von dort aus setzte sich der Demozug auf der Karl-Liebknecht-Straße Richtung Leipziger Süden in Bewegung, wo die Auflösung der Versammlung geplant war.

Geplant deshalb, weil gegen 21 Uhr auf Höhe der Richard-Lehmann-Straße die Einsatzpolizei einen überraschenden Stopp auferlegte. Aktuell befindet sich die Demonstration genau an dieser Ecke und ist von Polizeibeamten umstellt. Offenbar gibt es Debatten darum, dass hier eine weitere Demonstration angemeldet werden müsse, um den Weg fortsetzen zu dürfen.

Wir sind aktuell (weiter) vor Ort.

Mittlerweile (21:25 Uhr) hat sich die Situation aufgeklärt. Die Demonstration von „Leipzig nimmt Platz“ endete offiziell am Alexis-Schumann-Platz, weshalb der weitere Verlauf nicht mehr angemeldet war.

Es wurde nun auf Höhe Lehmannstraße eine weitere Demonstration als Spontanversammlung von einer Privatperson (nicht LnP) angemeldet, welche sich nun auf Höhe des Connewitzer Kreuzes befindet. Einige Teilnehmende der vorherigen Demonstration sind nicht mehr dabei, so dass sich nun noch etwa 60 Menschen auf dem Weg Richtung Süden befinden. Die Polizei hat weitere Kräfte vor Ort.

Gegen 21:30 Uhr löste sich die Spontanversammlung ebenso gewaltfrei wie ihr Verlauf war, in der Wolfgang-Heinze-Straße nunmehr auf. Die Polizeikräfte rücken gegen 21:25 Uhr ebenfalls wieder ab.

Video-Impressionen ab Höhe Richard-Lehmann bis Herderpark

Video: LZ

Nachtrag 22:20 Uhr: Steinwürfe an der Wiedebachpassage

Da es einige Zeit nach dem Demonstrationsende Geräusche an der Wiedebachstraße und der dortigen Polizeistation gegeben hat, ist die LZ auch da noch einmal vor Ort. Aufgrund der Bilder vor Ort bestätigt sich, dass es Steinwürfe auf das Revier gegeben hat.

Polizeikräfte suchen noch das Gebiet um die Wiedebachpassage auf der Biedermannstraße ab. Das Straßenstück an der Polizeistation ist mit Flatterband abgesperrt.

Genaueres ist derzeit nicht bekannt und kann wie auch ein Zusammenhang mit der Spontandemo ab Lehmannstraße bis zum Herderpark aktuell nicht verifiziert werden. Polizeibeamte ermitteln derzeit am Tatort. Die acht Frontscheiben waren nach Aussage von Beamten vor Ort vor etwa zehn Wochen erneuert worden, es habe aufgrund wiederholter Angriffe zuvor bereits Wetten gegeben, wie lange sie dieses Mal ganz bleiben.

Video von der Wiedebachpassage nach dem Angriff

Video: LZ

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Da kann man ja den Aktivisten nur noch das Kubanische Tagebuch von Che empfehlen. Da sind tolle Tipps drin wie man sich im ländlichen Raum bei der Unterstützung antifaschistischer Kräfte bewegt. Bei der Neujustierung der sächsischen Politik sind solche Auftritte jetzt gerade mal sehr hilfreich. Herr Günther wird sich bei seinem Parteigenossen bedanken.

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