Am Montag, 11. Oktober, endete die Zeit der kostenlosen Corona-Schnelltests. In den Medien wird wieder das Pro und Kontra diskutiert. Ist es gerecht., Leute zur Kasse zu bitten, die nicht geimpft sind, aber - mit Test – an Veranstaltungen teilnehmen wollen? Uns erreichen ja auch Leserbriefe, die das thematisieren. Aber stimmt eigentlich die Fragestellung? Jetzt. Im Herbst 2021? Eine durchaus berechtigt Frage.

Auch wenn das zuerst wie ein berechtigter Hilferuf klingt, wenn nun etwa die Leipziger Hochschulen endlich wieder in normale Präsenzveranstaltungen zurückkehren wollen, was die meisten Studierenden wirklich freut. Aber gleichzeitig fordern die Hochschulleitungen – auch nach den Empfehlungen der Landesregierung – 3G, also Nachweise von Genesung, Impfung oder eben einen negativen aktuellen Test.

Also eigentlich Dinge, die man problemlos beibringen kann – auch wenn sich in den Medien alle möglichen Leute über die juristische Seite dieser Forderungen zerfetzen.

Aber um die geht es gar nicht. Es geht auch nicht um Persönlichkeits- und Freiheitsrechte. Und auch nicht um Geld, auch wenn es verdammt teuer werden kann, wenn man jetzt zu jeder Vorlesung einen aktuellen negativen Test mitbringen muss. Kostenpreis: zwischen 10 bis 20 Euro. Das sprengt natürlich sehr schnell ein kleines Studi-Einkommen.

Und auf den ersten Blick sagt man sich: Ja, das ist teuer. Da müsste man doch was machen?

Den Blickwinkel ändern

Aber der zweite Blick muss weggehen von uns. Unseren kleinen Egos. Das ist im Grunde die wichtigste Lehre aus der Pandemie, auch wenn praktisch keiner drüber redet. Nicht mal die Gesundheitsminister/-innen, die die Allgemeinverfügungen bekannt geben.

Wir haben uns ja in diesen anderthalb Jahren immer versucht, auch in die Lage all der Menschen zu versetzen, die die Maßnahmen kritisierten, das Ausmaß der Maßnahmen, die Schul- und Clubschließungen, die Maskenpflicht und das langsame Tempo der Impfungen. Abgesehen von denen, die die Gefahr durch COVID-19 kleinreden oder gar die Pandemie leugnen. Dabei erzählen die Zahlen zu Erkrankungen und Toten durch dieses neuartige Virus eine klare Sprache.

Manchmal muss man Fakten einfach akzeptieren. Die Pandemie ist real. Und weltweit sind über 4,7 Millionen Menschen mit diesem Virus gestorben.

Und die Sorge von Regierungen und anderen Verantwortlichen, dass in ihrem Verantwortungsbereich neue Infektionen beginnen und viele Menschen erkranken, ist berechtigt.

Wir sind keine Eremiten, sondern auf andere angewiesen

Das fehlt mir auch sehr an den aktuellen Diskussionen, bei denen unsere Gesundheitsminister/-innen gern hingestellt werden, als würden sie sich eine Macht anmaßen, die ihnen nicht zusteht. Und unsere Freiheit oder gar die Grundrechte einschränken.

Was natürlich davon erzählt, dass offiziell ein falscher Freiheitsbegriff verkauft wird. Einer, der Freiheit als bedingungslos sieht, obwohl einem die tägliche Erfahrung sagt, dass es eine bedingungslose Freiheit nicht gibt. Wir sind alle aufeinander angewiesen. Wir sind darauf angewiesen, dass Ärzte und Pflegerinnen ihr Arbeit verrichten, dass die Polizei uns beschützt und die Lastkraftwagenfahrer morgens die Supermärkte beliefern, dass Bäcker mitten in der Nacht für uns aufstehen und Straßenbahnfahrerinnen möglichst pünktlich in die Haltestelle einfahren.

Das muss ich nicht größer ausführen. Wer ein bisschen nachdenkt, sieht, auf wie viele Menschen (von Geliebten und Freundinnen ganz abgesehen) wir alle angewiesen sind – und zwar jeden Tag. Wir sind keine Eremiten und keine Zarathustras. Wir leben in einer Gesellschaft, die nur deshalb funktioniert, weil fast alle jeden Tag tun, wozu sie sich verpflichtet fühlen.

Das Fremdwort Solidarität

Manche nennen das Solidarität. Auch, wenn es in der Regel bezahlt wird.

Und jeder von diesen Millionen verlässt sich aus gutem Grund darauf, dass die anderen ebenso pflichtbewusst ihren Teil leisten.

Und: sich an die Regeln halten. Regeln, die wir zumeist verinnerlicht haben. Die wir oft gar nicht mehr spüren, weil sie uns ins Blut übergegangen sind. Sie fallen nur auf, wenn sich einige Egoisten nicht dran halten.

Und den meisten werden selbst die AHA-Regeln inzwischen einfach selbstverständlich geworden sein. Man macht es einfach, auch wenn die alarmierenden Zahlen und Nachrichten aus Deutschland erst einmal fehlen. Wir haben aber auch gelernt, dass es heftige „Wellen“ geben kann, wenn wir uns nicht an die Regeln halten.

Ist nun die Forderung nach 3G unverschämt? Zu viel des Guten? Eine Anmaßung von Hochschulleitungen?

Dürfen sie sich Sorgen machen? Nein, sie müssen!

Da versetze ich mich doch lieber genau in diese Hochschulleitungen, stelle mir vor, ich wäre für ein paar tausend junge Leute und etliche durchaus wichtige Professor/-innen verantwortlich, würde mir wahnsinnig gern wünschen, dass der Studienbetrieb wieder reibungslos läuft, alle in die Hörsäle und Seminarräume können und trotzdem meine / unsere Hochschule nicht zum Hotspot wird.

Da habe ich nicht viele Möglichkeiten, erst recht, wenn ich wirklich will, dass sich in dieser Hochschule niemand ansteckt, niemand in ein Superspreader-Event gerät. Darf ich so viel Sorge um das Wohlergehen aller, wirklich aller Hochschulangehörigen haben?

Ja. Darf ich.

Und wenn ich von außen schaue, erwarte ich genau so eine Sorge von Hochschulleitungen. Und auch, dass sie alles Mögliche machen, damit es wirklich zu keinen Infektionen kommt oder das Infektionsrisiko so weit gedrückt wird, dass die Wahrscheinlichkeit so gering wie möglich ist.

Gar kein Risiko gibt es nicht

Es geht bei Epidemien immer nur um Wahrscheinlichkeiten und Risikosenkung, nie um absolute Sicherheit. Auch das wird in der Debatte oft falsch verstanden. Wir können nur alle gemeinsam das Risiko von Virus-Ausbreitungen verringern. Und zwar sehr stark. Und wir haben das Glück, im Jahr 2021 zu leben, in dem sich die Entwicklung von wirksamen Impfstoffen rasant beschleunigt hat.

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Impfstoffen, die man sich überall in Sachsen geben lassen kann. Einige wirksamer, andere teilweise umstritten, weil es in einigen wenigen Fällen zu Komplikationen kam. Aber anders als noch im Frühjahr kann sich jeder und jede jederzeit impfen lassen. Und das Risiko, eine Impfkomplikation zu erleben, ist um einiges geringer, als mit einer Corona-Erkrankung Komplikationen zu erleben.

Die Rolle des Gemeinwohls

Was täte ich also als Hochschulleitung?

Ich würde 3G verlangen. In der ganzen Hochschule. Zum bestmöglichen Schutz aller. Das wird zwar nicht honoriert, denn wenn nichts passiert, kommt keiner und bedankt sich für diese Strenge. Die eigentlich keine Strenge ist, sondern vor allem zuerst Sorge um das Gemeinwohl.

Auch das ein Wort, das viel zu selten genannt wird in dieser Pandemie: Dass unsere so oft kritisierten Regierenden in dieser Zeit (bei allen, unbestrittenen Fehlern) vor allem stets das Gemeinwohl im Auge hatten. Und zwar unser aller Gemeinwohl.

Wenn also eine Hochschulleitung 3G anweist, steckt diese Sorge dahinter (selbst wenn die Anweiser eher an ihre Funktion und daran denken, was passieren würde, wenn doch was passiert …).

Für sich selbst Verantwortung übernehmen

Als Betroffener habe ich also – wenn ich nicht schon mal dummerweise an Corona erkrankt und wieder genesen bin – zwei Möglichkeiten: mich entweder ständig teuer testen zu lassen. Oder mich impfen zu lassen.

Wobei die Impfung zwei Seiten hat, denn damit schütze ich auch die anderen mit, mindere das Gesamtrisiko für alle. Ich übernehme damit auch meinen kleinen Anteil am Allgemeinwohl.

Ich kann als dritte Variante auch das Studium schmeißen und mich dann darüber ärgern, dass „die da oben“ so hart zu mir waren.

Aber tatsächlich liegt die Entscheidung ganz bei mir allein. Und erzählt natürlich eine Menge darüber, ob ich mich als Teil dieser Gesellschaft fühle und damit auch immer ein bisschen mitverantwortlich für das Wohlergehen der Anderen. Oder ob ich nur an mich denke und meine Rechte und Freiheiten, worüber ja jetzt landauf, landab diskutiert wird.

Wir haben es in der Hand

Aber ganz persönlich verstehe ich diese Diskussion nicht. Mir ist jeden Tag bewusst, wie sehr ich auf all die Anderen um mich herum angewiesen bin und dass ich ohne sie gar nichts machen kann. Vielleicht ist es dieses falsche, von „Freiheit“ besetzte Reden, das gerade die Impfdebatte so sehr verdreht hat. Und den Blick darauf verstellt, dass das Impfen ein Akt echter gelebter Solidarität ist. Ein Zeichen, dass man sich zugehörig fühlt und verbunden mit den Anderen. Und wenn es nur die nervigen Kommilitonen und Kommilitoninnen und die Profs sind.

Oder die Arbeitskollegen. Oder die Menschen neben mir im Kino oder Theater. So verringert sich die Gefahr, dass es wieder zu großen Infektionswellen kommt. Und das Leben kann sich wieder stückweise normalisieren. Und gerade weil es Impfungen für alle gibt, liegt das ganz in unserer Hand. Was eigentlich ein riesiger Gewinn ist.

Freiheit hat auch immer mit anderen zu tun

Aber es hat eben mit der eigentlich ganz menschlichen Fähigkeit zur Solidarität zu tun. Diesem so ziemlich gefühlsintensiven Achtgeben aufeinander, mit dem es menschliche Gesellschaften schaffen, Krisen zu meistern. Und die Corona-Pandemie ist nun einmal eine Krise. Auch eine Krise unserer so lange gehegten – und falschen – „Freiheits“-Vorstellungen.

Frei sind wir wirklich nur, weil wir auf die Gegenwart und den Einsatz so vieler anderer Menschen bauen und vertrauen können. Da taucht das Wort „Vertrauen“ am Horizont auf. Aber über das schreibe ich heute mal nicht, sonst wird das noch eine ganz lange Geschichte.

Das, was man zum Wesen der Corona-Pandemie wissen muss, hat Prof. Alexander Kekulé in seinem Buch „Der Corona-Kompass” sehr verständlich aufgeschrieben. Das empfehle ich an dieser Stelle einfach zum Lesen.

Die ganze Reihe “Nachdenken über …” finden Sie hier.

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Es gibt 19 Kommentare

Werter CX, ich denke, ein guter Teil dieser Menschen würde niemals freiwillig derzeit in ein Krankenhaus gehen und tatsächlich lieber zuhause sterben. Ich kenne sehr viele, die seit Beginn der Pandemie auch keinen Arzt mehr aufsuchen, und sie werden es auch weiterhin garantiert nicht tun. Was mich umtreibt, ist es, was das mit diesen Menschen macht. Ich kenne jemanden, die formulierte es wiederholt so explizit: wenn der gesellschaftliche Druck zu stark wird oder sie zum Impfen gezwungen wird, wird sie mit ihrem Auto dann mal gegen die Wand fahren. Ehrlich: eine Gesellschaft, die so etwas mit Menschen macht, verachte ich zutiefst.

“…manchen ist die Möglichkeit des Sterbens einfach lieber als gegen ihren Willen zu etwas gezwungen zu werden. Vor allem gefährden diese sich selbst ….”

Das mag für Eremit*innen gelten, die still in ihrer Höhle krepieren.
Leider ist jeder, ob er will oder nicht, Teil der Gemeinschaft, und nutzt nicht nur Krankenhäuser mit, sondern bewegt sich auch zwischen anderen Menschen, gerne sogar mit voller Absicht usw… – mit 15 fand ich es auch cool, mich als Solipsist zu benehmen, aber ich erwarte von erwachsenen Mitbürgern einfach, nicht mit Mimimi oder konfusen Theorien ihre Trotzreaktionen auszuleben.

Hallo Christian,

tut mir sehr leid wegen des Todesfalles in Ihrer Familie.

“Ja, Geimpfte und Genesene können auch andere anstecken.
Aber: Das Zeitfenster ist mit ca. 5 Tagen wesentlich kürzer, als Ungeimpfte haben, -> ca. 14 Tage. Rein statistisch reduziert das also die Anzahl der Ansteckungen.”

Schauen sie, das ist einer Person mit schweren Vorerkrankungen oder einer sehr alten Person, bei denen beiden die Impfung nicht wirklich wirkt, egal, wenn sie dann trotzdem früher oder später angesteckt werden u.U. doch schwer erkranken. Aber solche Fälle werden (leider!) nie ganz auszuschließen sein und es kann solch vulnerablen Personen auch mit anderen fiesen Viruserkrankungen, Krankenhauskeimen so ergehen (laut RKI anno 2019: “Die in der neuen Studie geschätzte Zahl der nosokomialen Infektionen in Deutschland liegt bei 400.000 bis 600.000 pro Jahr und damit im Bereich vorheriger Hochrechnungen”). Das ist alles traurig, aber das Leben ist manchmal traurig, und alte Menschen und sehr kranke Menschen versterben leider hin und wieder und auch an diversen Infektionen. Dennoch ist es irgendwie scheinheilig, nun immer über Solidarität zu reden, aber bei 2G/§G dann plötzlich alles wieder zu erlauben, und Ungeimpfte Getestete (außer der Vermögenden) außen vor zu lassen. Warum? Schauen sie, wenn der Personenkreis, der geimpft ist und normal weiterlebt, ohne die berühmten AHA-Regeln bei 2G-Events normal feiert, und diese Personenmenge immer größer wird, ist die statistische Reduktion der Ansteckungen auch wieder für die Katz weil es schlicht weitaus mehr Gelegenheiten geben wird, wo sie sich dann doch wieder infizieren können. Verstehen Sie wie ich es meine? Der Vorteil – ist keiner.

“Ebenfalls reduziert es ausufernde Symptome, welche unser Gesundheitssystem überlasten.”

Das Gesundheitssystem ist (leider) immer überlastet, auch ohne Corona, nur geändert wird daran nichts! Jetzt gerade war zu lesen, dass es wegen RSV-Viren bei Kindern überlastet ist. Warum passiert hier nichts?

“Die 4. Welle in den Krankenhäusern ist die Welle der Ungeimpften.
Es danken alle Patienten, deren geplante Operation / Behandlung durch Corona verschoben und ausgesetzt wurde.”

Kann so kommen, wissen wir aber nicht.

“Es geht darum, die Pandemie einzudämmen.
Und das geht nur mit einer Reduzierung der Anzahl von Ansteckungen.”

Mir kommt das mit der Pandemie eher vor wie Hase und Igel, und Corona ist der Igel. Vielleicht kann man so eine Pandemie auch gar nicht wirklich langfristig eindämmen. Irgendwann sind alle genesen oder geimpft, und dann ist die Pandemie vorbei. Aber es wird halt dauern, solange es dauert.

“Wenn alle Erwachsenen ihre Ansteckungsgefahr bereits durch Impfungen reduziert hätten, würde man so eine vulnerable Gruppe wie Kinder auch so weitestgehend schützen können.”

Kinder sind doch gar nicht so betroffen von Corona? Laut Statista sind im ganzen Verlauf der Pandemie 27 Menschen unter 19 Jahren verstorben. Das ist traurig, aber das ist dennoch nun nicht viel.

“Manche werden erst sensibilisiert, wenn ein Todesfall oder eine Komplikation durch Corona im Familienkreis aufgetreten ist.
Nur: Muss es erst überall soweit kommen?”

Manche sind schlicht religiös und lehnen eine gentechnikbasierte Impfung ab. Die nehmen das Risiko zu erkranken oder gar zu sterben, in Kauf. Wenn denen der Glaube wichtiger ist als das Leben, wer sind wir denn, um über sie zu richten? Es ist ihr Leben.

Andere haben ähnliche weltanschauliche Probleme mit einer gentechnikbasierten Impfung und denen sind ihre Wertvorstellungen usw. eben wichtiger als das potentielle Risiko, schwer zu erkranken oder gar zu sterben. Aber es ist eben ihr Leben. Wenn das ihr Weg ist, den sie meinen gehen zu müssen, gehen sie diesen Weg.

Andere haben nachweislich Antikörper und haben nur aus diversen Gründen keinen PCR-Test bekommen, gelten also nicht als genesen. Warum sollen sie sich impfen lassen? Warum werden sie nicht anerkannt als genesen? Ehrlich wäre doch, man lässt einen Antikörpertest machen (so teuer ist der wohl nicht), bekommt dann den Schein “Genesen” und gut ist. Aber das wird in Deutschland nicht gemacht und wenn dann ein Mensch mit Antikörpern sich nicht impfen lassen will, weil er schon Antikörper hat, also ich verstehe das voll und ganz!

Andere haben tatsächlich gesundheitliche Vorbelastungen, bei denen selbst Ärzte sagen, dass die Impfung nicht so toll wäre.

Ich kenne auch Menschen, die damals von der Schweinegrippe-Impfung üble und lange Spätfolgen hatten (über ein Jahr!). Ja meinen sie, die laufen jetzt los und lassen sich freiwillig gegen Corona impfen? Die haben einmal schlechte Erfahrungen gesammelt und sind nun skeptisch. Irgendwo auch nachvollziehbar.

Bei manchen Menschen hat die Corona-Impfung einen Schub einer anderen gar nicht so schlimmen Autoimmunkrankheit ausgelöst, die bedauern diese Impfung zutiefst. Nun, und wenn das wieder Menschen hören mit Autoimmunkrankheiten, die sind dann einfach auch sehr skeptisch.

Es gibt auch Menschen, bei denen aus dem Bekanntenkreis Menschen durch die Corona-Impfung verstorben oder schwer erkrankt sind, die wollen sich auch nicht impfen lassen, klar, nachvollziehbar, dass sie skeptisch sind.

Es stirbt ja auch nicht jeder, der ungeimpft ist, die meisten werden da schon durchkommen und sind dann einfach genesen. Manche werden aber möglicherweise tatsächlich schwer erkranken oder sterben. Wenn diesen Menschen jedoch der freie Wille und die Selbstbestimmung über ihren Körper wichtiger war, warum auch immer, war dies eben ihr Weg, das Risiko zu wählen, und ich denke, man sollte diese Entscheidungen akzeptieren. Oder um es auf eine kurze Formel zu bringen: manchen ist die Möglichkeit des Sterbens einfach lieber als gegen ihren Willen zu etwas gezwungen zu werden. Vor allem gefährden diese sich selbst – es ist ihre Eigenverantwortung, sie sind erwachsene Menschen und sie werden mit ihren Entscheidungen einfach leben oder sterben.

> Unverständlich, warum man so einige grundhafte Dinge stets wiederholen muss, obwohl sie in verschiedensten Medien kolportiert werden / wurden

Das klingt ehrlich gesagt etwas lehrerhaft. “Etwas” muss wohl wiederholt gesagt werden, damit “es” endlich kapiert würde…
“Je mehr Vorkehrungen, desto besser” kann man schon argumentieren.
Es geht bei den Argumenten auch darum, dass nach der Zeit der Überlastung des Gesundheitssystems, plus der Zeit der viel zu vielen Todesfälle, nun so langsam darüber nachgedacht werden kann, was man wieder an Normalität bekommen könnte. Wollen wir noch Jahre in den Geschäften durch Plexiglasscheiben hindurch schreien?

“Sich Impfen lassen ist gelebte Solidarität!” scheint mir einfach zu platt. Klar, es stimmt, jedem ungeimpften Covid-Intensivpatienten könnte man jetzt eine gewisse Schuld an seiner Situation zuschreiben, auch weil er das Bett vielleicht für einen Krebspatienten o.ä. blockiert.
Frei nach Schirach hat die Schuld auch eine philosophische Komponente. Erhöht sich die “Schuld” des eingelieferten Patienten dadurch, dass er vielleicht sogar noch fettleibig ist und nie Sport gemacht hat? Erhöht sie sich weiter, wenn rauskommt, dass er auf Impfgegner-Demos war und seine Anti-Thesen verbreitete? Macht er sich am Ende gar moralisch unwürdig für eine Intensivbehandlung, wenn es ein dicker Corona-Demogänger mit Twitteraccount und versuchtem Anschlag auf ein Impfzentrum ist, der da liegt? (Vermisst übrigens jemand an dieser Stelle das Gendern? 😉 )

Aus der Absurdität dieser Konstruktion eben folgt eigentlich schnell, dass es egal sein muss, was die Vorgeschichte des Patienten ist. Die Leute sind nicht unsolidarisch, weil sie sich aktuell nicht impfen lassen. Oder jeder potentiell ungesunde Lebenswandel gilt jetzt als “unsolidarisch”.

Entweder lässt man den Leuten die Entscheidung darüber, ob sie sich den Lungenkrebs in den Körper holen wollen, ob ihre Gelenke wegen Extremsport oder Übergewicht verschleißen, ob sie sich nicht impfen lassen wollen oder man kommt eben zu dem Schluss, dass man sich als Staat den ganzen Individualismus eben nicht leisten kann oder möchte und führt eine Impfpflicht ein.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, wenn in den Medien berichtet wird, wie viele Covid-Patienten auf der Intensivstation nicht geimpft sind, damit es sich der ein oder andere noch überlegt.

Sorry…die 6,49 Mrd sind die verabreichten Impfdosen (dann haut das auch politisch hin, Stichwort: arme Länder mit geringer Impfquote).

Ich denke, die Hälfte, also 3 Milliarden Menschen mit mindestens einer Impfung, ist auch schon eine coole Stichprobe.

Zum Langzeitargument: Hier hat man den wohl bislang einmaligen Fall, dass schon jetzt(!) über 6,49 Milliarden(!!) Menschen mindestens einmal geimpft wurden.

Es gilt die pragmatische Regel, dass eine Nebenwirkung, die bei einem Patienten erst nach Jahren beobachtet wird, auch als beinahe unmittelbare Folgewirkung (binnen Wochen nach Einstich) bei einem anderen Patienten gesehen wird – quasi die Symmetrie der Gaußglocke.

Will sagen: anhand der Milliarden Versuchskaninchen sollte man Langzeitschäden auch schon “jetzt” beobachten können.

Geimpfte haben den latenten Vorteil, eine Corona-Erkrankung wirklich als “China-Schnupfen” (welch böses Wort!) abtun zu können…

Was nun leider vereinzelt jetzt doch passiert, dass ungetestete Nichtgeimpfte sich in nicht rigide umzäunte 3G-Zonen (wie zB Hochschulen) “einschleichen”… :-/

Unverständlich, warum man so einige grundhafte Dinge stets wiederholen muss, obwohl sie in verschiedensten Medien kolportiert werden / wurden.

Ja, Geimpfte und Genesene können auch andere anstecken.
Aber: Das Zeitfenster ist mit ca. 5 Tagen wesentlich kürzer, als Ungeimpfte haben, -> ca. 14 Tage. Rein statistisch reduziert das also die Anzahl der Ansteckungen.

Ebenfalls reduziert es ausufernde Symptome, welche unser Gesundheitssystem überlasten.
Es ist ja nicht so, dass mit jedem neuen Virus auch zusätzliche Bettenkapazitäten geschaffen werden, sodass jeder sich damit ausleben kann und bei Bedarf beatmet wird.
Denken Sie auch an die Anzahl von Betten, die nicht verfügbar waren / sind, weil Personal fehlt.
Die 4. Welle in den Krankenhäusern ist die Welle der Ungeimpften.
Es danken alle Patienten, deren geplante Operation / Behandlung durch Corona verschoben und ausgesetzt wurde.

Es geht darum, die Pandemie einzudämmen.
Und das geht nur mit einer Reduzierung der Anzahl von Ansteckungen.

Prinzipiell ist es korrekt: es sollten sich idealerweise alle testen lassen.
Dass das aber irgendwann ein Ende haben muss und wird, weil keiner das bezahlen kann und will, fängt man an, zu priorisieren.
Verständlich ist es daher, die Testpflicht bei den risikoreichsten Personen als Letztes zurückzunehmen. Und das sind nun mal die Ungeimpften.
Das betrifft im Übrigen auch Kinder. Die tragen das Virus mit Inzidenzen von mehreren Hundert (!) ebenfalls weiter, nur halt fast nie mit Symptomen. Weitergereicht an Erwachsene geht es dann weiter.

Wenn alle Erwachsenen ihre Ansteckungsgefahr bereits durch Impfungen reduziert hätten, würde man so eine vulnerable Gruppe wie Kinder auch so weitestgehend schützen können.

Im Übrigen, weil es gerade in meinem Bekanntenkreis auftauchte:
Manche werden erst sensibilisiert, wenn ein Todesfall oder eine Komplikation durch Corona im Familienkreis aufgetreten ist.
Nur: Muss es erst überall soweit kommen?

@cx: nochmal, Impfen schützt vor Infektion nicht, und ein Geimpfter, der infiziert ist, steckt auch andere an, ob die nun auch geimpft sind oder nicht. Schauen sie, hier waren alle geimpft und trotzdem haben sich 41 von 120 angesteckt, Tendenz steigend. Zum Glück nur zwei schwere Fälle.

https://www.nordbayern.de/trotz-impfung-41-infizierte-bei-regens-wagner-1.11442499

Von daher verficht das nicht so dolle mit der Solidarität, wenn Solidarität, dann ist man durch eine Impfung höchstens solidarisch mit dem Personal im Gesundheitswesen (um etwaig Belastung von letzterem zu minimieren), aber die Impfung löst dennoch die hier schon jahrzehntelang bestehenden grundlegenden Probleme auch nicht…

Einen 18jährigen, der sich nicht impfen lässt, ob der dumm ist? Der hat ja nun wirklich ein geringes Risiko für eine schwere Erkrankung. Bei einem 80jährigen könnte man es dumm nennen. Aber wissen sie was? Ich kenne so ältere Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, die sagen, ihre Zeit ist eh gekommen und wenn sie an Corona sterben, dann nehmen sie das so hin. Es ist eben ihr freier Wille.

Ich finde das Argument der Langzeiterfahrungen seltsam. Wie viele der Menschen, die dieses Argument hervorbringen um ihr Nichtimpfen zu verteidigen*) haben bei anderen Impfungen wie Tollwut, Masern, Dyphterie usw. erst lange Nachforschungen gemacht, bevor die Nadel im Arm war? Ich halte das für einen willkommenen “Grund” eine Situation herbeizureden, bei der man sich unmöglich für eine Covid-Impfung entscheiden könne. Dabei sind erst seit kurzer Zeit so viele Leute zu Impfexperten geworden, die vor der Pandemie vor Ostasien-Reisen beim Hausarzt, laut deren Aussage, am besten gleich alle Tropenimpfungen gleichzeitig haben wollten.

*) Warum werden sie überhaupt in eine Verteidigungsposition gebracht? Andererseits – mancher trägt seinen (Nicht)Impfstolz auch vor sich her

cx, Ihre Feststelltaste klemmt.
Können Sie bitte noch erklären, warum der Verzicht auf die Impfung unsolidarisch wäre?
Mit dem Argument “dumm” im Sinne von “leichtsinnig gegenüber sich selbst” würde ich ja noch mitgehen.

@Cutter00: dem was Sie schreiben, ist in allen Punkten von fachlich hoch qualifizierten Personen längst ausführlich widersprochen. Das muss jetzt hier nicht auch noch ausdiskutiert werden.

Nur soviel: JA, ES IST UNSOLIDARISCH UND DUMM, SICH NICHT IMPFEN ZU LASSEN!!!

Hallo,
nachdenken – ja!
Falsche Vorwürfe – bitte nein!

Es gibt einen absolut nicht wegzuredenden Grund, sich nicht impfen zu lassen – jedenfalls aktuell:
Wir haben hier Impfstoffe, die nach wenigen Monaten zugelassen worden und jetzt kaum ein Jahr alt sind. Da gibt es und kann es auch nicht geben: Langzeiterfahrungen – nicht mal auf mittlerer Länge!
Es hat einen guten Grund, warum Impfstoffe eigentlich einige Jahre brauchen, bis sie zugelassen werden. Eben weil man Diese auch auf langfristige Auswirkungen prüfen muss.
Ich jedenfalls lasse mir nichts impfen, von dem ich nicht weiß, was das in 2 oder 3 Jahren für Auswirkungen hat.
Ich finde es mindestens(!) seltsam, daß dieser Fakt in den Diskussionen fast nie vorkommt.

Und nochwas: vergessen Sie bei ihren Überlegungen nicht, daß auch Geimpfte und Genesene Corona übertragen können – soviel zu Ihrem Solidaritätsvorwurf. Nur daß das bei denen nicht mal bemerkt wird (Es sei denn, sie bekommen doch Symptome), weil sie ja nicht (mehr) getestet werden. Krumm gedacht bin ich da solidarischer, weil ich mich eben regelmäßig testen lasse.

Hallo Stefan, ja, diese AHA-L-Regeln sind ja auch am einfachsten umzusetzen, und vermehrt an die frische Luft zu gehen, wo das Risiko wirklich gering ist, sich mit irgendwas anzustecken, ist nach wie vor eine gute Idee. Immerhin ist Übergewicht usw. nach wie vor auch ein wichtiges Problem in unserer Gesellschaft, übrigens wohl auch ein sehr ungünstiger Faktor, was Corona angeht – also raus und bewegen (auch wegen Diabetes, Herz-Kreislauf usw…)! Dennoch: solange wir kein Licht in das weite Feld der Dunkelziffern bringen (wieviele haben denn nun schon nachweislich Antikörper?) können wir die Lage gar nicht einschätzen. Überhaupt, wie hierzulande die Daten erfasst werden. Es ist eine Schande! Mit solchen Zahlen, die nun wirklich dubios zustande kommen (und das schon seit Beginn der Pandemie), kann man weder sagen, die Lage wäre bedenklich oder unbedenklich. Einfach nur peinlich für Deutschland! Mit Blick in andere Länder auf der Welt vermute ich, dass der Weltuntergang noch nicht bevorsteht. Aber ein wenig Vorsicht kann man durchaus noch eigenverantwortlich (egal ob geimpft, genesen oder irgendwas) walten lassen, es kann nicht schaden. Dennoch wird es immer Lebensrisiken geben, Krankheit, Alter und Tod sind aber nun mal einfach auch Bestandteile des Lebens auf diesem Planeten – das wird sicher auch so bleiben, damit müssen wir leben (lernen).

Stefan, natürlich haben Sie Recht, wenn Sie kritisieren, was falsch geschrieben wurde.

> „Nie gab“… von wegen!
Stimmt. Dieser Superlativ gehört da nicht hin, ich hatte mir nichts dabei gedacht und vermutet, es würde im Kontext wohlverstanden gelesen werden.
Natürlich gab es auch früher schon mal eine Einrichtung, zum Beispiel Krippe oder einen Kindergarten, der wegen Brechdurchfall (Norrovirus) oder Masernausbruch für eine Woche geschlossen wurde. Auch da hat man schon Vorkehrungen mit dem Dampfhammer getroffen, aber da war es eben ein greifbarer, lokaler, konkreter Anlass.

Was ich kritisiere ist, dass sehr viele Einrichtungen zeitweise Vorkehrungen dieser Art hatten. Das war ja erst einmal auch richtig, denn es drohte am Anfang ja eine halbwegs unkalkulierbare Gefahr für Angestellte und Patienten.
Aber bei all dieser Gefahrenabwehr finde ich es unverhältnismäßig, wenn im Sterben liegende Menschen allein gelassen werden. Und zwar aus Sicherheitsgründen…

Und ja, natürlich ist das Sterben keine genaue Terminsache. Erfahrungsgemäß gibt es aber einen Zeitraum, in dem sich etwas anbahnt bei älteren Menschen. Erfahrungsgemäß (ebenfalls “eigenste” Erfahrung) konnte man dann auch mal einen oder zwei Tage Urlaub nehmen. Und eben das ging letztes Jahr nicht, als jemand aus meiner näheren Familie an Krebs starb. Allein für sich, aus vermutlich Sicherheitsgründen. Es war in diesem Krankenhaus nur eine Person pro Tag für eine Stunde erlaubt. Und da muss ich sagen, das kann ich nicht akzeptieren. Es war ein Zeitpunkt der Pandemie, an dem es genug Masken gab, auch FFP2, sowie Impfungen.

> Ich weiß nicht, was dieser Spruch „aus Gründen“ überhaupt ausdrücken soll: Ich empfinde ihn als deutlich herablassend gegenüber den Angehörigen.

Meine Güte, fragen Sie doch einfach, wenn Sie etwas wissen wollen!
“Dieser Spruch” war nicht auf die Angehörigen gemünzt, sondern auf die Verordnungen der Einrichtungen. In diesem Fall pauschale Regelungen über alle Besuchergruppen und für alle Patientengruppen.

Es wäre schön, wenn wir dahingehend wieder zu etwas mehr Normalität, weg von “105 % Sicherheit”, kommen könnten.

Werter J.,

vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Überlegungen. Auch mir, der sich in einem G3-Umfeld bewegt, erscheint dieses Sich-in-Sicherheit-Wiegen durchaus bedenklich. Ich halte es auch für deutlich verfrüht, diese ganzen Tests zurückzufahren. Mal so als Signal: Die erfassten täglichen Neuinfektionen liegen immer noch deutlich über denen im panischen ersten Lockdown.

Als persönliche Maßnahmen ist aus meiner Sicht halt das “gewohnte” AHA-L weiterhin sinnvoll.

PS: Ich denke gerade nach. Also Studierende und 3G. Selbst wenn da alle geimpft wären, kursiert Corona unentdeckt stets in einem gewissen Prozentsatz an der Universität/Hochschule, eben weil die Impfung keine sterile Immunität hervorruft. Man weiß es nur nicht, weil man nicht testet, verschließt also die Augen davor, es fällt eben nicht auf. Gut, die Genesenen dürfen für 6 Monate teilnehmen (auch wenn die wahrscheinlich länger immun sind), die müssen sich dann auch impfen lassen. Aber auch Genesene können vielleicht zu einem gewissen Prozentsatz unbewusst den Virus weiter geben, aber wenn sie nicht getestet werden, fällt es halt keinem auf. Nur die gesunden Ungeimpften und mutmaßlich Ungenesenen werden getestet, da fällt es dann mal auf. Das ist doch eigentlich ein sehr seltsames Vorgehen, hat was von Scheuklappen, die man sich aufsetzt. So junge Menschen haben ja i.d.R. nicht mal ein besonders hohes Risiko, schwer an Corona zu erkranken, aber wegen irgendeiner Solidarität sollen sie sich dann eben einfach impfen lassen. Also rotiert da der Virus in jedem Fall an der Uni, nur bei 3G schaut man halt nicht so genau hin und wiegt sich in einer Art Scheinsicherheit?

Also für mich macht das alles keinen Sinn, aber vielleicht bin ich auch zu dumm.

Werter Stefan, ich glaube, sie haben in dem Text von Sebastian etwas wichtiges überlesen, er bezieht dies auf die Influenza (welche für ältere Menschen auch sehr gefährlich sein kann). Zumindest lese ich dies so aus dem Text.

Ansonsten zum Artikel: Kekulé bezeichnete vor gar nicht so langer Zeit Geimpfte als die Stealthbomber der Pandemie, da es unter ihnen stets eine gewisse Anzahl gibt, welche Corona ebenfalls weiter geben – unbewusst. Zwar soll das Impfen das Risiko dafür senken, aber gerade für die sogenannten Risikogruppen, wo die Impfung vielleicht auch gar nicht so gut und so lange wirkt wie man meint, kann das fatal sein, wenn man diesen Gedanken so weiter spinnt. Sie wiegen sich alle in Sicherheit, dann gehen sie essen mit ihrer geimpften Familie, und dennoch – können sie sich infizieren und sehr alte Menschen werden u.U. dann doch schwer erkranken, oder? Wo ist denn dann die Solidarität? Das fällt dann unter “Hups, kann mal passieren”?

Was ich interessant finde, ist, dass es auch viele wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass die natürlich erworbene Immunität durch Infektion länger als 6 Monate hält und besser gegen Mutationen schützt. Aber es gibt sehr, sehr viele Genesene, auch unbewusst Genesene, die werden nie erfasst – sollen sich trotzdem impfen lassen (spätestens nach 6 Monaten) – ja warum eigentlich? Wo sind denn die flächigen Antikörperstudien wie in Großbritannien? Möchte man nicht wissen, wieviele Menschen bereits Antikörper haben? Ich finde all dies verwunderlich.

Was 3-G und Impfdruck mit Gemeinwohl und Solidarität zu tun haben sollen, erschließt sich mir aus diesem Kontext nicht. Das ist doch alles etwas komplexer als es auf so eine einfache Formel herunterzubrechen.

>Was es aber nie gab war, dass alte Menschen im Heim oder Krankenhaus alleine gestorben sind aufgrund der Tatsache, dass die eine Stunde Besuchszeit für die eine erlaubte Person pro Tag eben nicht im richtigen Zeitfenster lag.

Kaum anderthalb Jahre her, schon werden falsche Sachen gestreut.

“Nie gab”… von wegen!

Ich kann aus eigenster Anschauung berichten, dass die Altersheime monatelang durchgehend(!) für Besucher verschlossen waren und dass das mit der “eine Stunde Besuchszeit (…) pro Tag” grob falsch ist.

Bis zum Beginn der Impfaktion kurz nach Weihnachten 2020 waren in meinem Fall zwei Besuche wöchentlich zu je 1 Stunde erlaubt (und das war schon vom Heim dem Gesundheitsamt abgetrotzt worden). Aber es gab dann auch immer mal 14 Tage Quarantäne für das ganze Haus war, weil ein Bewohner oder eine Pflegekraft auf einer anderen Etage positiv getestet wurde. Das ist nicht einmal, sondern häufiger passiert. Dann wurden die Besuchstermine gleich alle auf allen Etagen wieder abgesagt, und die Altenheimbewohner sogar in ihren Zimmern isoliert(!).

Und üblicherweise ist der genaue Todeszeitpunkt unbekannt, auch im Altersheim und auch, wenn Pflegekräfte schon sehr vieles “voraussehen” können.
Es sind sehr wohl Leute allein gestorben, und “aus Gründen” war man gerade eben in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, als der Anruf vom Heim gekommen ist (fiktives Szenario).

Ich weiß nicht, was dieser Spruch “aus Gründen” überhaupt ausdrücken soll: Ich empfinde ihn als deutlich herablassend gegenüber den Angehörigen.

Passend noch zur Risikoabwägung (Motto: es wird immer Verkehrstote geben):

Die Krankenhäuser waren in Sachen Corona-Schutz deutlich entspannter – aber da arbeiten ja auch Ärzte, die die Risiken abschätzen können, und keine merkbefreiten Leiter von Gesundheitsämtern, die erstmal 105% Sicherheit erwarten, ehe sie irgendetwas genehmigen.

Der Artikel gefällt mir. Er spricht viele Dinge aus, denen ich mich anschließen kann.

Er geht sehr auf den Begriff “Freiheit” ein; seine Facetten und Betrachtungsweisen. Das scheint mir vielleicht ergänzungs- oder gar austauschwürdig mit dem Begriff “Interessen” zu sein. Menschen handeln meistens (manche sagen stets) im Sinne ihrer Interessen, oder um es griffiger zu formulieren “für Belohnung”. Die Gedanken darum scheinen mir beim Thema Corona auch wichtig zu sein. Es gibt da ja auch kurzfristige und langfristigere Interessen / Belohnungseffekte…

Diesen Absatz möchte ich mal hervorheben:

> “Es geht bei Epidemien immer nur um Wahrscheinlichkeiten und Risikosenkung, nie um absolute Sicherheit. […]. Wir können nur alle gemeinsam das Risiko von Virus-Ausbreitungen verringern. […]. Und wir haben das Glück, im Jahr 2021 zu leben, in dem sich die Entwicklung von wirksamen Impfstoffen rasant beschleunigt hat.”

Es wird in sooo vielen Bereichen des Lebens argumentiert, als ob es um absolute Sicherheit ginge. Die gibt es aber nicht. “Jeder Tote ist einer zuviel!” ist eine Herangehensweise, die nach einer griffigen Parole klingt und die auch ethisch gesehen löblich ist, aber es ist auch genauso gut Quatsch. Ein nicht erreichbares Ziel.

“Auf unseren Autobahnen sind letztes Jahr xxs Menschen gestorben, das sind xxx zuviel!”
Nein, in einem komplexen System wie dem Verkehr wird es immer Tote geben. Das war so, als noch Pferde von Fuhrwerken vor Schreck durchgingen, das war so als die ersten Dampfkessel explodierten, und es ist so bei Flugzeugabstürzen und Eschede gewesen. Unsere Verkehrssicherheit ist seit Jahrzehnten auf dem Best-Stand, seit Gurt, ABS und Airbag. Die Schadstoffe sind auf einem Minimum seit Jahrzehnten, seit Einspritzanlage, Katalysator und Filter. Aber es wird das Extrem gefordert. Weil jedes Risiko ja nochmals reduziert werden KÖNNTE. Warum aufhören zu fordern?

Auch an Influenza sind ältere Menschen oder andere so genannte Risikogruppen (übrigens seit der Pandemie auch ein schönes neues Wort: “Bist Du etwa Risikogruppe?”) leider gestorben.
Für junge Menschen in ihren 20ern, also quasi dem besten Alter, bedeutet eine echte Grippe eine wirklich unschöne bettlägerige Woche, durchaus auch verbunden mit parasitären bakteriellen Infektionen, Lungenentzündung usw., also auch kein Pappenstiel.
Gegen sowas gibt es Impfungen, die konnte man annehmen oder man lies es bleiben. Ich nehme dieses Angebot seit Jahren immer an und verstehe die wenigsten Argumente dagegen, so wie ich auch die Argumente der Corona-Impfgegner kaum verstehe, weil so vieles davon rein subjektiv ist.

Was es aber nie gab war, dass alte Menschen im Heim oder Krankenhaus alleine gestorben sind aufgrund der Tatsache, dass die eine Stunde Besuchszeit für die eine erlaubte Person pro Tag eben nicht im richtigen Zeitfenster lag. “Aus Gründen”.
Oder dass Ämter “grippebedingt” ihren Besucherverkehr einschränken.
Oder dass flächendeckend in den Geschäften auf digitaler, bargeldloser Bezahlung bestanden wird, auch lange nachdem klar ist, dass Covid-19 keine klassische Schmierinfektion ist.
Oder dass überall diese Plexiglaswände hängen, dieser Plastemüll, durch den man sich eigentlich nicht verstehen kann, mancher sich anschreit, oder gleich den Kopf daneben hält.
Oder das in “sozialen” Medien darüber schwadroniert wird, doch für (Grippe-)Ungeimpfte die Krankenhausbehandlung einzuschränken. Weil die so unsozial wären. Ich als jemand, der so gut wie jede Impfung mitgenommen hat, kann mir die moralische Legitimität solch einer Forderung nicht erklären.

Klar fühlt es sich aus meiner Sicht “dumm” an diesen Schutz, der für mich dazu noch kostenlos ist, nicht mitzunehmen, aber reglementieren wir jetzt bald jede Lebensentscheidung mit dem Mittel einer im Zweifelsfall verweigerten Krankenhausaufnahme? Weil die Person eben dumm war Alkohol zu trinken? Und danach aufs Rad zu steigen? Wo sind wir denn hingekommen?

Es wäre schön, wenn das überall existente Lebensrisiko wieder als das “Normal” angesehen würde. Im Verkehr passieren traurige Unfälle, immer wieder. Egal ob 130, 30 oder 50 km/h, ob mit Straßenbahn oder Auto oder Rad.
Und jetzt, wo es genug Impfangebote gibt, erst recht für ältere Menschen und andere Risikogruppen, sehe ich den Gedanken der Solidarität überhaupt nicht mehr mit der Impfung verbunden. Erst recht nicht, wo immer wieder erklärt wird, dass der Zweck der Impfung im Wesentlichen der Eigenschutz vor schweren Verläufen oder dem Tod ist, und nur sekundär die geringere Verbreitung des Virus’ durch den Geimpften. Es gibt ein Risiko an Covid-19 zu erkranken, leider, aber ich halte diese “null-Risiko”-Herangehensweise für nicht sinnvoll oder gar erstrebenswert.

Der ganze Artikel wird in einem selbstgerechten Satz eigenhändig autorisiert:
“Manchmal muss man Fakten einfach akzeptieren.” Das kommentiert sich eigentlich auch von selbst.
“Begreift doch endlich dass die Welt eine Scheibe ist !”

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