Die erfolgreiche Newcomer-Metal-Band „Weimar“, deren Mitglieder unter Pseudonym und mit Masken auftreten, entstammt laut einer Spiegel-Recherche der Thüringer Neonaziszene. Nach den Enthüllungen hat das Label Universal bekannt gegeben, die Zusammenarbeit mit der Band beenden zu wollen. Die Linkspartei bezeichnet die Arbeit des Verfassungsschutzes, der einige Bandmitglieder in seinen Akten erwähnte, als unzureichend.

Bandmitglieder stammen aus der Thüringer Neonaziszene

Im April sollten sie auch im Leipziger Täubchenthal ein Konzert spielen, dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Spiegel-Recherchen haben die im deutschsprachigen Raum erfolgreiche Indie-Metal-Band „Weimar“ als Neonazi-Gruppe entlarvt. Die vier Mitglieder der Thüringer Band treten seit ihrer Gründung unter Pseudonymen und mit Masken auf.

Laut dem Spiegel stammen mehrere Bandmitglieder aus der Thüringer Neonaziszene. Der 45-jährige Konstantin P. etwa, der sich bei „Weimar“ Till Schneider nennt. In den Neunzigern war er laut dem Verfassungsschutz Teil der Neonaziband „Dragoner“. Er soll 2015 außerdem mit einem gewissen Christian P. ein Album veröffentlicht haben, gegen den nach Spiegel-Informationen wegen Verbreitung von Neonazi-Propaganda und illegalen Waffenbesitzes ermittelt wurde.

Christian P. war laut den Schilderungen des Spiegels Anfang der Zweitausender sowohl in der Rechtsrockszene als auch in militanten Neonazi-Gruppen aktiv. Auf einer 2002 veröffentlichten CD – auf dem Cover ein Hakenkreuz – leugnete er den Holocaust, wie der Spiegel berichtet.

„Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass Christian P. als Sänger ebenfalls Mitglied der Band Weimar ist“, schreibt der Spiegel. Bei „Weimar“ soll er als Richard Wegnar auftreten, für geschäftliche Zwecke offenbar weitere Pseudonyme verwenden. Die Band selbst ließ über ihr Label Universal mitteilen, dass Christian P. nicht Teil der Band sei.

Ein weiteres Bandmitglied hat der Spiegel als Steffen P. identifiziert, er soll als Kurt Ronny Fiedler bei „Weimar“ auftreten. Auch er ist schon lange Fan von rechtsradikaler Musik: Im September 2005 besuchte er laut den thüringischen Sicherheitsbehörden ein Rechtsrock-Konzert in Andisleben (Landkreis Sömmerda), das von der Polizei aufgelöst wurde.

Tour abgesagt

Die Spiegel-Recherchen haben für die Band erste Konsequenzen. Der börsennotierte Musikkonzern Universal, bei dem „Weimar“ unter Vertrag steht, gab an, die Beziehung zur Band sofort beendet zu haben. Über die Aktivitäten einiger Bandmitglieder in der Neonaziszene will man nichts gewusst haben. Das erste und einzige Album „Auf Biegen & Brechen“ soll nicht weiter vertrieben werden.

Die gleichnamige Tour wird in der angekündigten Form wohl nicht stattfinden. Im März und April will „Weimar“ laut seiner Website zwölf Konzerte in ganz Deutschland geben, unter anderem in Dresden, Köln und Hamburg. Doch beim Ticketvermittler Eventim sind die Konzerttermine bereits als „abgesagt“ gelistet, Karten können nicht mehr gekauft werden.

Das Leipziger Veranstaltungshaus Täubchenthal, wo die Band am 29. April das letzte Konzert ihrer Deutschlandtour spielen wollte, hat den Termin bereits von seiner Website genommen.

Das 2022 erschienene Debütalbum von „Weimar“ erreichte Platz 5 der deutschen Albumcharts. Aufgrund ihrer Texte ist die Band in der Querdenken-Szene sehr beliebt, ihre Songs wurden mehrfach auf Demonstrationen gespielt.

In ihrer Single „Alles Lüge“ über „die Medien“ beispielsweise verbreitet die Band ein antisemitisch angehauchtes „Lügenpresse“-Narrativ. „Allesamt manipuliert und gekaufte Marionetten / Bezahlt von Schlüsselwärtern, der Schlösser eurer Ketten“, lautet der Songtext. Und weiter: „Finanziert von denen, die du schon dein ganzes Leben hasst / Glaub ihnen nichts, was du nicht selbst gesehen hast.“

Sichtet man die Musikvideos und Mitschnitte von Auftritten der Band und liest Kommentare von Fans, entsteht nicht der Eindruck, dass es sich bei dem Projekt um Satire handeln könnte.

Thüringer Linkspartei: Bandmitglied war zur Hochzeit des Neonazis Thorsten Heise eingeladen

Die Thüringer Linkspartei kritisiert im Zuge der Enthüllungen die Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes in der bisherigen „Weimar“-Erfolgsgeschichte: „Es ist schon ein starkes Stück, dass dem mit 8.500.000 Euro Steuergeldern finanzierten Thüringer Verfassungsschutz durch die Lappen gegangen ist, dass langjährig bekannte Thüringer Neonazis offenbar unter einem neuen Bandnamen demokratiefeindliche, gewaltaffine und antisemitische Texte in Umlauf bringen“, erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin der Landtagsfraktion.

Dass es der Band gelang, beim größten Musikproduzenten der Welt unter Vertrag genommen zu werden und auf Platz 5 der deutschen Albumcharts zu landen, sei „ein weiterer Erfolg für die rechte Musikszene nach dem Großkonzert mit 6.000 Teilnehmern 2017 in Themar“.

Wie auch im Spiegel-Artikel geschildert, betont König-Preuss, dass mehrere der mutmaßlichen Bandmitglieder Gegenstand von Akten des Verfassungsschutzes waren. Laut der Landtagsabgeordneten liegen Informationen vor, dass eines der Bandmitglieder als Gast bei der Hochzeit des militanten Thüringer Neonazis Thorsten Heise eingeladen war. „Es besteht also sowohl ein Bezug zum Unterstützernetzwerk des NSU als auch zur militanten Neonaziszene.“

Die Newcomer-Band „Weimar“ hat bis zur heutigen Veröffentlichung der Spiegel-Recherchen auf beeindruckende Weise demonstriert, wie rechtsradikales Gedankengut in Deutschland gesellschaftsfähig werden kann. Im Ankündigungstext für ihre nun abgesagte Tour wird Weimar als „noch recht junge Band aus Thüringen“ beschrieben. Treffender wäre wohl „eine rechte, junge Band aus Thüringen“ gewesen.

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