Dieser Winter kommt überraschend. Bereits im November fällt Schnee, das Thermometer zeigt Minusgrade. Als morgens der Wecker klingelt, heißt es: schnell den Ofen anmachen. Unsere beiden Kinder ziehen sich für Schule und Kindergarten an, während eine/-r von uns Eltern Frühstück, Vesperbrote und Kaffee macht. Nicht selten geht es da morgens in den 19 Quadratmetern, die gleichzeitig Schlafzimmer, Küche, Ess-, Spielzimmer und Garderobe sind, trubelig zu.

Hilfe beim letzten Handschuh anziehen, Freude über Eisblumen am Terrassenfenster und dann geht es los in die Kälte, mit Fahrrad und Lastenrad zu Kindergarten und Schule. Wenn wir nicht draußen sind, verbringen wir bei der Kälte viel Zeit gemeinsam in unserem großen Bauwagen. Nur wenn Besuch oder die Klavierlehrerin kommt, heizt unsere große Tochter (9 Jahre) schon mal ihren eigenen Kinderwagen ein.

Wenn die Kinder in Schule und Kindergarten sind, kann ich arbeiten. Dank meiner Selbstständigkeit, für die ich überall in der Stadt unterwegs bin, kann ich mir meine Arbeitszeiten relativ flexibel einteilen. Das heißt, je nach anstehender Care-Arbeit oder Engagement in unserem Gemeinschaftsprojekt, nehme ich Terminanfragen an oder nicht.

Heute habe ich keinen Einsatz zugesagt und kann mich an meinen Schreibtisch setzen und mir vormittags die Zeit nehmen, etwas für unser wöchentliches Plenum vorzubereiten. Dort besprechen wir alles Erforderliche für die Organisation und Verwaltung unseres Wagenplatzes mit seinen öffentlichen Kulturveranstaltungen, Infrastruktur, Gästeanfragen und vielem mehr.

Seitdem eine Untergruppe der CG die seit 15 Jahren von uns gepachtete Fläche kaufte, beschäftigen und belasten uns die ständige Ungewissheit und Angst, unser Zuhause zu verlieren. Anstelle von Wohnraum, einem Freiraum für Kunst, Kultur, Kleingewerbe, und Handwerk, wollen sie eine Logistikhalle bauen[1]. Damit würde eine der letzten noch unversiegelten Grünflächen[2] in Plagwitz gerodet, versiegelt und bebaut.

Wie kann unser Zuhause und öffentlich beliebter, selbstorganisierter Veranstaltungsort erhalten werden? Wer setzt sich ein für bestehende ökologische, kulturelle und soziale Strukturen, die ein lebendiges Viertel ausmachen? Der Wagenplatz ermöglicht auch für seine Bewohner/-innen in vielen Bereichen kreative und nachhaltige Lösungsansätze, wie sparsamen Umgang mit Wasser, Reparieren und selber machen, statt neu kaufen, oder Energieautarkie, z.B. dank eigener Wind- und Solarenergie.

Auch lädt das basisdemokratische Zusammenleben mit so vielen unterschiedlichen Menschen ein, sich nicht nur theoretisch mit aktuellen Gesellschaftsproblemen zu beschäftigen.

Aber zurück zur Plenumsvorbereitung. Ein Treffen mit Mitgliedern des Stadtbezirksbeirats steht an. Es soll darum gehen, wie Freiräume mit soziokulturellen Projekten wie unserem, in einer wachsenden Stadt vor Verdrängung im Gentrifizierungsprozess geschützt werden können.

Begegnungsorte, durchmischte und bezahlbare Viertel sind eine wichtige Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Freiräume machen für viele gerade Lebensqualität und den Charme Leipzigs aus. Da stellt sich die Frage, angesichts von Verdrängung durch Verteuerung: Wo und wer entscheidet, wer sich im Viertel künftig Wohnraum und Kultur leisten kann?

In kleinen Pausen zwischendurch kümmere ich mich um die Infrastruktur, die das im Winter etwas aufwendigere Wagenleben mit sich bringt. Zum Beispiel muss ich Holz hacken und neue Scheite aus dem Holzschuppen zum Nachlegen holen.

Mit unserer Selbstständigkeit ermöglichen wir es uns, uns in alle täglichen Aufgaben von Haushalt, Beziehungsarbeit, Kinderbetreuung, Instandhaltung, Bauen und Arbeiten gehen, gleichwertig reinzuteilen. Gegen Mittag kocht eine/-r von uns. Heute wasche ich das erdige Gemüse unserer Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) am Stadtrand von Leipzig. Kürbisse, Möhren, Kartoffeln, Feldsalat, die ganzen saisonal-regionalen Lebensmittel holen wir einmal die Woche in unserer selbstorganisierten Verteilstation ab.

Schon allein in diesem täglichen Akt der Essenszubereitung steckt für mich so viel „gutes Leben“. Ökologische Lebensmittel, ohne lange Transportwege, ohne Plastikverpackung, nachhaltig angebaut und geerntet unter fairen, sprich, solidarischen Arbeitsbedingungen, statt anonymisierte Ausbeutung auf Kosten von Mensch und Umwelt.

Nach dem Abholen von Schule und Kindergarten kommen Kleider und Rucksäcke an ihren Platz. Bei knapp 34 Quadratmetern zu viert muss alles seinen Platz haben. Danach stürmen die Kinder raus in den Schnee, um mit den Nachbarskindern Iglus und Schneemenschen zu bauen.

Ich nutze den Moment und wechsle einen der zwei Trinkwasserkanister, die wir unter der Spüle mit einem 12-Voltpumpensystem angeschlossen haben. Etwa einmal die Woche füllen wir unsere fünf Kanister à 25 Liter mit Trinkwasser auf. Der Umgang mit Wasser ist automatisch sparsam, Wasser läuft nicht aus dem Hahn, Warmwasser gibt es nicht.

Als es zu dämmern beginnt, kommen zwei vom Spielen im Schnee kalte, aber glückliche Kinder rein. Ich hänge die nasskalten Kleider über den Ofen, auf dem auch schon ein großer Topf mit Wasser fürs Spülen steht. Bis zum Abendessen ist noch Zeit, zwischen Hängematten und Podesten in der anderen Wagenhälfte zu klettern, zu chillen oder zu lesen. Beim gemeinsamen Essen erzählt jede/-r, was sie oder er tagsüber erlebt hat.

Danach, zumindest an Schultagen und im Winter, geht es auch schon ans bettfertig machen. Wenn der Abwasch, das Anfeuerholz für morgen früh erledigt sind und beide Kinder im Bett liegen, erfüllt mich beim Vorlesen oft Glück und Freude über unser einfaches, schönes und sinnvolles Leben miteinander.

[1]„In Leipzig lebt eine pulsierende Szene Kunst- und Kulturschaffender und Kleinstunternehmer. Die bilden sich nur in einer bestimmten Umgebung aus, die Rahmenbedingungen für selbstorganisierte, kulturelle und gemeinwesenorientierte Angebote schafft. […] Zu verzeichnen ist dabei eine enge Wechselbeziehung zwischen Bevölkerungsentwicklung, Gestaltung und Entwicklung im Stadtraum und dem kulturell-künstlerischen Bereich. Hier werden wir auch künftig gezielt fördern und unterstützen, die stabile Soziokultur erhalten, die bedarfsorientierte kulturelle Entwicklung von Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf sichern, alternative Lebens- und Arbeitsformen schützen und Netzwerkbildungen in den Stadtteilen und darüber hinaus anregen.“ (Arbeitsprogramm Burkhard Jung: S.63).

[2]„Die Zukunft der Städte ist grün. Stadträume und wie sie gestaltet sind, beeinflussen die Qualität und die Atmosphäre des urbanen Zusammenlebens maßgeblich. Wenn Leipzig heute zu den Städten mit einer großen Lebenszufriedenheit gehört, dann ist das ein Standortvorteil und liegt maßgeblich auch in der Qualität unseres Stadtgrüns begründet. Das starke Wachstum führt zu einem Verlust von Brachfläche, Grünstrukturen und Vielfalt.“ (INSEK: S.128.)

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen. *Jascha Landfrieden ist ein Pseudonym, der Name der Autorin ist d. Red. bekannt.

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Es gibt 5 Kommentare

Wir Heizen mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz (dank unserer Baumpfleger:innen), aus dem regionalen Wald nach 2-3 jähriger Trocknungszeit), recyceltem Holz oder Holzbriketts, statt fossiler Brennstoffe (Gas, Öl, Kohle, Strom..).
Dabei ist die Treibhausgasbilanz regenerativer Energien, entgegen teil
weise verzerrter Berichterstattung fossiler Wirtschaftslobby1 besser, da sie bei der Verbrennung nur so viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei setzt, wie bei ihrem Wachstum in der Pflanze gebunden wurde. Zudem ermöglicht es nicht nur finanziell weniger Abhängigkeit in Zeiten der Energiekrise und bietet somit eine ökologische, finanzielle und politische Alternative zu fossilen Brennstoffen. Es tut uns leid, sollte einmal durch unsachgemäßes Anfeuern oder Gluthalterbriketts (aus Rindenmulch), störender Rauch entstehen.

@Dorfplatz_1312,

ich vermute ich antworte hier nur einem Troll, aber ich verbitte mir ungefragte Beleidigungen zu meinem Leben, welches fremde Personen sicherlich nicht zu beurteilen im Stande sind.

@Tobiass : Schade, daß Du nicht begreifst, daß Du zu den Leuten gehörst, die Klimaschutz veralbern und den Intellekt nicht besitzt, überhaupt zu begreifen, was Ökosysteme etc. auch für Dich, ****** bedeuten! Du findest es nur dümmlich cool, zusammen mit der Bild + AfD zu spotten, und ALLE, die fürs Klima protestieren, dürften nichtmal heizen und oder Schuhe tragen und so… Merkst Du nicht selber, dass Du der “Merkwürden” bist??? Ok, Du findest es geil, auf nix zu verzichten, auf alles zu scheissen, nur weil sich so 98% aller wissenschaftlichen Umweltspacken sagen, dass bald, also sehr bald, die Erde nicht mehr bewohnbar sein wird, wenn’s so weiter geht. Tja, und wenn Du den Protest gegen diese erschreckend exakte Prognose lächerlich und albern findest, bist Du genau einer dieser ****, die noch nie etwas mit ihrem sog. Verstand anfangen konnten. Und glaube mir, sofern Du das hier – sorry – überhaupt lesen kannst, …. Du bist die Lachnummer. Das verstehst jetzt vielleicht noch nicht, aber Du wirst es noch verstehen! 😉 lol

Hinweis d. Moderation: Bitte keine Beschimpfungen bei aller Emotionalität. Danke.

Nunja, meine Gasheizung ist auch nicht viel ökologischer – und ich habe doch zumindest mittelgroßen Respekt vor Menschen, die sich dem Dauercamping in einem engen sozialen Verbund verschrieben haben.
Als Student hatte ich mich mal für einen Wagenplatz beworben, aber nach “Gesprächen” wurde es dann doch nicht. Meine Erfahrungen im gemeinschaftlich verwalteten besetzten Haus hatten auch gereicht.
Jeder wie er mag.
Aber ja, nasses Holz im Bollerofen ist unangenehm und giftig.

Über ökologisches Leben reden und dann mit Holzfeuer die Nachbarschaft vergiften.
LOL

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