Zum 1. Mai als โTag der Arbeitโ oder auch โInternationaler Kampftag der Arbeiterklasseโ sind auch in Leipzig wieder zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet. Bis in den frรผhen Nachmittag hinein waren es vor allem die Gewerkschaften, die mit ihren Aktionen auf sich aufmerksam machten. Doch auch am Nachmittag und Abend wird noch einiges los sein in der Stadt.
Wir setzen hier den Liveticker neu fort. Die Inhalte des 1. Teils kรถnnen Sie unter dieser Verlinkung nachlesen.
16:20 Uhr: Rote Wende Leipzig demonstriert
Unter dem Motto โArbeitskรคmpfe verbinden. Fรผr die soziale Revolution!โ startete die Rote Wende Leipzig am Nachmittag ihre Demonstration auf dem Augustusplatz. Auf den mitgefรผhrten Transparenten ist unter anderem zu lesen: โDen Klassenkampf organisieren!โ, โSolidaritรคt mit den Streikenden. Hohe Lรถhne & Verkehrswende jetzt!โ oder โHinter Krieg und Krisen steht das Kapitalโ.
Stadtrรคtin Juliane Nagel (Die Linke) hatte zu Beginn die Auflagen verlesen. Die etwa 200 Teilnehmer/-innen machten sich dann auf den Weg in Richtung Sachsenbrรผcke, wo die Demonstration enden soll.
16:45 Uhr: Demonstration vom Sรผdplatz ist gestartet
Schรคtzungsweise 1.500 bis 2.000 Menschen haben sich kurz nach 16 Uhr vom Sรผdplatz aus in Bewegung gesetzt. Unter dem Titel โAlle auf die Straรe zum 1. Mai! Gemeinsam als Klasse kรคmpfen!โ, sind hier zahlreiche Gruppierungen unter anderem aus dem Antiautoritรคten, dem Sozialistischen, dem Internationalistischen und Kommunistischen Spektrum unterwegs. Dabei ist auch einiges an Pyrotechnik zu sehen.
Schon am Peterssteinweg kam der Zug zunรคchst fรผr eine Weile zum Stehen. Als Grund werden Vermummungen vermutet. Dennoch verlรคuft die Demonstration, die รผber Augustusplatz und Eisenbahnstraรe zum Rabet unterwegs ist, bisher ohne Zwischenfรคlle. Die Polizei ist, unter anderem um die Dimitroffstraรe herum, sehr prรคsent und filmt und fotografiert das Geschehen. Auch der Augustusplatz ist inzwischen von Polizeifahrzeugen eingekreist.
17:15 Uhr: โLeipzig nimmt Platz!โ am Augustusplatz
Auf dem Augustplatz hat sich unterdessen das Bรผndnis โLeipzig nimmt Platz!โ und dessen Unterstรผtzer/-innen versammelt. Aktuell um die 400 Menschen wollen hier โden Faschos den Tag versauenโ und sich dem ebenfalls startendem Aufzug der selbsternannten โPatriotenโ um den Ex-NPDler Volker Beiser entgegenstellen. Unterstรผtzung erhalten sie dabei auch von einige Personen aus der โSรผdplatz-Demoโ.
Die etwa 50 Teilnehmer/-innen der rechtsextremen Demonstration planen, vom Augustusplatz aus รผber die Prager Straรe, die Straรe des 18. Oktober, die Nรผrnberger Straรe und den Grimmaischen Steinweg, wieder zurรผck zum Augustplatz zu marschieren. Die Parole lautet โDeutschland braucht Frieden, Freiheit, Souverรคnitรคtโ. Schwarz-weiร-rote Flaggen sind mit dabei.
17:35 Uhr: Pfefferspray auf dem Augustusplatz
Unsere Reporter/-innen vor Ort vermelden eine Auseinandersetzung zwischen zwischen fรผnf bis 10 Rechten und dem Gegenprotest. Dabei hat die Polizei auch Pfefferspray eingesetzt. Im Anschluss scheint es eine Polizeimaรnahme gegen einen Teilnehmer aus dem Gegenprotest gegeben zu haben. Der Pfefferspray-Einsatz hat bei Betroffenen offenbar Kreislaufprobleme verursacht, sie mรผssen nun รคrztlich versorgt werden.
In diesem Moment ist jetzt auch die Demonstration um Volker Beiser auf ihre Route รผber die Prager Straรe gestartet. Ein Polizeihubschrauber hat einen Blick auf das Geschehen.
17:50 Uhr: Blockade am Johannisplatz
Weit ist der rechte Aufzug noch nicht gekommen. Eine Blockade am Johannisplatz stoppt die โPatriotenโ erstmal. Es sollen mehrere hundert Antifaschist/-innen prรคsent sein, wenn nicht sogar 1.000. Gut mรถglich, dass die Demo-Route umgeleitet werden muss.
Es ist ein Stop-and-Go fรผr die rechtsextreme Demo, immer wieder blockieren Antifaschist/-innen deren Route. Auch Autoverkehr und Straรenbahnen kommen auf der Prager Straรe in beiden Richtungen kaum voran. Es sind einfach sehr viele Menschen rund um den Johanisplatz.
18:30 Uhr: Blockade bleibt stabil
Wie unsere Reporter/-innen vor Ort berichten, ist die Blockade weiterhin stabil. Etwa 200-250 Menschen sitzen auf der Straรe. Die Polizei sammelt sich allmรคhlich wieder und hat verkรผndet, dass sie keine Veranstaltungsanzeigen mehr annehmen will. Es werden auch keine weiteren beantragt.
Dafรผr wird die Blockade nun von der Polizei und deren Fahrzeugen umstellte, schรคtzungsweise 150 Personen sind dort eingeschlossen. Gleichzeitig muss die โPatriotenโ-Demo nun den Rรผckweg antreten.
18:55 Uhr: Versammlungsbehรถrde am Ort der Blockade
Die Polizei hat nun seit einiger Zeit die gesamte Blockade-Versammlung umschlossen. Die betreffenden Teilnehmer/-innen wรผrden eigentlich gern gehen, dรผrfen aber nicht. Inzwischen ist die Versammlungsbehรถrde vor Ort eingetroffen und es wird trefflich รผber die Auslegung des Versammlungsrechts gestritten.
Die verhinderte rechte Demo ist unterdessen wieder auf dem Augustplatz angekommen und ebenfalls von Polizei abgeschirmt.
Fรผr 19 Uhr hat auch noch die querdenkende Montagstruppe um Bernd R. einen Aufzug angemeldet. โFrieden und Freiheit fรผr Alleโ, lautet das Motto. Ursprรผnglich wollte sich die ausgebremste โPatriotenโ-Demo diesem Stelldichein anschlieรen. Ob daraus etwas wird, scheint momentan eher fraglich.
19:10 Uhr: Polizeimaรnahme auf Prager Straรe
Die Polizei hat jetzt auf der Prager Straรe damit begonnen, einzelne Personen aus der Sitzversammlung herauszuholen, um deren Personalien zu รผberprรผfen. Unseren Reporter/-innen zufolge habe es seitens der Ordnungshรผter keine weitere Erklรคrung dazu gegeben. Das Einzige war die reine Information, dass nun die Maรnahmen beginnen wรผrden. Ein Grund fรผr die Durchfรผhrung dieser Maรnahmen sei aber nicht genannt worden.
Die Montagskundgebung von Bernd R. am Mendebrunnen vor knapp 100 Anhรคnger/-innen hangelt sich derweil von Rede zu Rede und wird begleitet von lautstarkem und zahlreichem Protest und โSchรคmt euch!โ-Rufen. Redner-Statements wie โAntifa ist die heutige SAโ und die aufpeitschenden Statements von Bernd R. laden auch fรถrmlich dazu ein.
19:50 Uhr: Kundgebung beendet
Gegen 19:50 Uhr wurde die Kundgebung mit der Feststellung โWir haben die Wahrhaftigkeit auf unserer Seiteโ beendet. Der ursprรผnglich angedachte Umzug รผber den Innenstadtring und die Goethestraรe scheint auszufallen.
Bernd R. und โdie Gutenโ
โIch bin DDR-Bรผrgerโ, ruft Bernd R. kurz nach 19 Uhr zum Start seiner Demonstration, welcher sich auch Teile der Neonazis angeschlossen haben, die kurz zuvor mit Ex-NPD-Kader Volker Beiser versucht hatten auf der Pragerstraรe zu demonstrieren. Gescheitert sind sie an der Blockade, welche seither von der Polizei umstellt ist. Mittlerweile versucht die Polizei die ersten Personalien des Gegenprotestes aufzunehmen, wรคhrend sich Bernd R. am Mendebrunnen in Rage redet.
Wie bei dem Ex-NVA- und Bundeswehr-Soldaten gewohnt, versucht er es mit einer Mischung aus Beschimpfungen des heute lautstarken Gegenprotestes um ihn herum, unterbrochen von angeblichen Diskussionsangeboten. Wรคhrend er und die ihn Umstehenden sich offenbar in der Situation sehen, die Welt und vor allem Deutschland zu retten, sind natรผrlich andere, die gegen ihn demonstrieren โkeine Antifaschistenโ.
Nicht weitab von ihm steht im Schutz der abschirmenden Polizei eine junge Frau, die versucht, wie jeden Montag, Journalist/-innen zu filmen und zu fotografieren, welche sie anschlieรend in eine Telegramgruppe namens โGesicht zeigenโ stellen wird. In dieser finden sich bereits andere Portraitbilder ua. von ZDF-Fernsehjournalist Thomas Datt oder LZ-Kollegen, der Ansatz: Erfassung, namentlich bekannt machen, Einschรผchterung.
Sie ist im Schutz von Friedensaktivist Bernd R.s Versammlung unterwegs โ dieser ist derweil zutiefst รผberzeugt, hier den Weltfrieden zu erkรคmpfen. Eine sprachliche Volte dabei: die Regierung will Deutschland zerstรถren, so kรถnne Deutschland dann auch im Ausland nicht mehr helfen. Wie beilรคufig wiederholt Bernd R. das Schema, was er schon in Corona-Zeiten verwendete: die Politik will das Land zerstรถren, er ist also in einer Art Rettungsaktion unterwegs, er ist einer โder Gutenโ.
Und so wirft er denen, die heute zum 1. Mai 2023 zahlreicher als sonst um ihn stehend zum Gegenprotest gekommen sind, vor, die Welt nicht verbessern zu wollen, ja dass โnoch mehr Kinder auf der Welt sterbenโ.
Ein Gastredner ruft von ihm unwidersprochen durch sein Megaphon: โAntifa ist die heutige SAโ. Das DDR-Weltbild sitzt: Bernd R. gegen den Rest der Welt, Antifaschisten sind Faschisten und R. ist gekommen, um mit seinen heute vielleicht 70 Mitstreitern fรผr Deutschland und damit fรผr die dritte Welt zu kรคmpfen. Letztlich ist es nur das alte Prinzip der Demagogie: real existierende Probleme ins Gigantische รผberhรถhen und sich selbst als Retter anbieten.
Am Ende fordert R. die Reaktivierung der Wehrpflicht. Er als 37 Jahre dienender Soldat habe โfรผr den Frieden gekรคmpftโ, mit der Wehrpflicht kรถnnten auch andere โmal beweisen, wie sie fรผr den Frieden kรคmpfen wollenโ. Spรคtestens jetzt ist Krieg gleich Frieden. Oder umgekehrt.
20:10 Uhr: Polizeimaรnahmen gegen den Gegenprotest
Gesamt haben in den letzten fast zwei Stunden zwei Polizeimaรnahmen parallel zur Kundgebung von Bernd R. gegen die Teilnehmer/-innen an der Blockadeansammlung auf der Prager Straรe stattgefunden. Diese waren teilweise, kurz nachdem die Neonazis um Volker Beiser umkehren mussten, von der Polizei daran gehindert worden, den Platz auf der Prager Straรe zu verlassen.
Eine kleinere Maรnahme ist mittlerweile beendet und fand an der Prager Straรe 16 gegen 20 bis 30 Personen statt, welche sich versucht hatten, in einem Innenhof zu verstecken. Die grรถรere der beiden Polizeieinsรคtze gegen den Gegenprotest hingegen lรคuft noch, es befinden sich noch immer 50 bis 60 Menschen in einem regelrechten Polizeikessel.
Diesen haben die Beamten errichtet, um jeden der anfangs noch rund 100 bis 150 Verbliebenen zu fotografieren und die Personalien aufzunehmen. So erfassen die Beamten in Leipzig mittlerweile systematisch und nicht zum ersten mal, wer sich an angeblichen โVerhinderungsblockadenโ beteiligt โ die ersten Prozesse vor Gericht stehen dazu noch aus.
Mittlerweile ist eine Solidarisierungsdemo vom Augustusplatz mit etwa 100 Teilnehmer/-innen dazugestoรen, wรคhrend Bernd R. dort seine Kundgebung beendet hat, ohne einen Versuch zu machen, auch heute mit seinen Getreuen den Ring entlangzumarschieren.
21:25 Uhr: Schlusspunkt
Mittlerweile ist auch die zweite Polizeimaรnahme an der Prager Straรe, Hรถhe Johannisplatz abgeschlossen. Alle Personen haben den Kessel verlassen, nicht ohne eine Identifizierungs-Maรnahme, teils mit Fotos, รผber sich ergehen lassen zu mรผssen. Der Vorwurf ist die angebliche Straftat einer Verhinderungsblockade.
Was in diesem Zusammenhang ein Kollege unserer Zeitung erlebte, werden wir nun mit der Polizei klรคren mรผssen und baldmรถglich berichten.
Die Situation vor Ort ist damit (fast) beendet (eine Person ist wohl noch im Kessel), so wie unser mittlerweile rund 10-stรผndige Liveticker zum 1. Mai 2023.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher