Wir haben in dieser Woche zwei große Proteste, bzw. einen Protest der Bauern und einen Streik der Lokführer, obwohl die GdL inzwischen nicht nur Lokführer umfasst. Was ist das Besondere an diesen Protesten? Die Bauern legen mit ihren Traktoren die Straßeninfrastruktur lahm und die Lokführer die Schieneninfrastruktur. Zwei zahlenmäßig relativ kleine Berufsgruppen (was nichts über ihre Wichtigkeit und die Berechtigung ihrer Forderungen aussagt!) sind in der Lage, das Land lahmzulegen, denn ohne Straßen- und Schienenverkehr läuft nicht viel.

Bauern und Lokführer erregen Aufmerksamkeit für ihren Protest und sie erregen das ganze Land. Am Ende wird das dazu führen, dass ihre Forderungen, wenn nicht ganz, aber zum größten Teil erfüllt werden.

Andere Proteste und Streiks

Nicht erst seit gestern gibt es Proteste und Streiks von Klinikpersonal, dort geht es um bessere materielle und personelle Ausstattung von Krankenhäusern und Kliniken, um angemessene Bezahlung und zumutbare Arbeitsbedingungen, besonders für das Pflegepersonal und letztendlich um die weitere Existenz vieler Einrichtungen. Zusammengefasst: Es geht um die medizinische Versorgung der Bevölkerung.

Allein am bundesweiten Protesttag, im September 2023, protestierten über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehreren deutschen Städten. Immer wieder kommt es zu Streiks in Einrichtungen und es passiert nicht viel. Woran liegt das?

Der Kalauer sei mir gestattet: Die haben eben keine Traktoren, mit denen sie Autobahnen und Bundesstraßen blockieren.

Aber im Ernst, wenn ver.di Klinikpersonal zum Streik aufruft, dann läuft dieser „gesittet“ ab. Die Versorgung der Patienten darf nicht gefährdet sein, also muss in allen Bereichen dafür ausreichendes Personal anwesend sein. Das gestaltet sich beim Pflegepersonal schwierig, da selbst unter Normalbedingungen der Personalschlüssel oft nicht eingehalten werden kann.

Es geht aber noch „besser“ weiter, auch wenn die Gewerkschaft aufruft, so hat sie doch das Problem, dass es nicht wirklich einen einheitlichen Tarifvertrag gibt. Personal arbeitet nach TvÖD, Haustarifverträgen und Tarifverträgen von Gesundheitsunternehmen wie den Helios Kliniken. Teilweise gelten selbst in einem Haus der TvÖD und ein Haustarifvertrag. Das bedeutet: Ein Streik für einen Tarifvertrag kann selbst innerhalb eines Hauses dazu führen, dass nur ein Teil der Belegschaft im Ausstand ist.

Ein Streik im gesamten deutschen Gesundheitswesen ist somit ziemlich ausgeschlossen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind somit gezwungen, ständige Kompromisslösungen, die zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft ausgehandelt werden, zu akzeptieren.

Proteste für das Klima

Egal was man von Aktionen der „Letzten Generation“ oder von der Straßenblockade von #CancelLEJ am 9. Juli 2021 hält: Am Ende wird immer auf entstandene Schäden, besonders gern durch Blockierung des Verkehrs, hingewiesen. Teilweise werden die Aktivisten auch auf Schadenersatz verklagt.

Wie wird das bei den Bauernprotesten? Wird VW die Verantwortlichen für den Stillstand des Werkes Emden am 8. Januar, der durch eine nicht angemeldete Aktion mehrere Dutzend Landwirte mit 26 Treckern verursacht wurde, verklagen? Hat sich DHL schon geäußert, ob LKW durch Straßenblockaden in Leipzig und Schkeuditz den HUB nicht oder verspätet erreichten?

Im Unterschied zu den Klima-Aktionen werden sie das wohl nicht machen. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.

Fazit: Protest und Streik wirken am besten, wenn die Protestierenden oder Streikenden großflächig die Infrastruktur blockieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich Elektrizitäts- und Wasserwerke, Müllabfuhr und andere Branchen nicht auch diesem Verfahren anschließen. Zum Glück gibt es da Regularien und Gewerkschaften, die das unmöglich machen – siehe Klinikpersonal.

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