Zur Ratsversammlung am 24. Januar hat das Leipziger Ordnungsamt auch akribisch all die Fragen beantwortet, welche die Grünen-Fraktion zum Versammlungsgeschehen am 8. Januar auf dem Leipziger Ring gestellt hat. Und da durfte sich nicht nur Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek fühlen, als wäre er in Orwells „Farm der Tiere“ gelandet. Denn ganz augenscheinlich sind manche Demonstrationsanmelder in Sachsen gleich, und manche sind gleicher. Weil sie Trecker oder Trucks haben, mit denen sie Lärm machen können.

Genau das ist am Montag, dem 8. Januar, auf dem Leipziger Ring passiert. Und wie das Ordnungsamt mitteilt, war es nicht das Leipziger Ordnungsamt, das die Fahrzeugdemo auf dem Ring genehmigt hat. Das war die Polizei. Denn obwohl der Tag als großer Demo-Tag der Bauern schon lange feststand, meldete die Kreishandwerkerschaft ihre Demo auf dem Ring erst am Samstag, dem 6. Januar, bei der Polizei an, nicht beim Leipziger Ordnungsamt.

Die Leipziger Polizei trat als Ersatz-Genehmigungsbehörde in Aktion und behielt auch am Montag die Genehmigungshoheit bei sich.

Das Leipziger Ordnungsamt formuliert den Sachverhalt in seiner Antwort so: „Nachfolgende Versammlung wurde gegenüber der ersatzzuständigen Polizei gemäß § 14 Abs. 1 SächsVersG am Sonnabend, dem 06.01.2024, angezeigt und in Folge durch die Polizei in (Ersatz-)Zuständigkeit auch beschieden: Fahrzeugaufzug ‚Dem Handwerk reichts‘ 08:00 Uhr bis 09:00 Uhr, Innenstadtring Leipzig (Verkehrsspuren) mit Verlängerung bis 13:00 Uhr in Abstimmung zwischen der Polizei und dem Veranstalter.“

Einfach mal in die Verlängerung

Was da auf dem Ring also mit großen und kleinen Lieferfahrzeugen herumstand, waren nicht die Bauern, sondern Handwerker und Logistiker. Und genehmigt war anfangs nur eine Demonstration für eine Stunde. Die dann kurzerhand im Gespräch zwischen Veranstalter und Polizei auf fünf Stunden verlängert wurde.

Und dabei blieb es nicht, denn die Standdemonstration und das andauernde Hupkonzert waren auch noch bis 17 Uhr zu sehen und zu hören. Kein Wunder, dass sich Jürgen Kasek bei der Nachfrage in der Ratsversammlung wie im falschen Film fühlte. Und so seine berechtigten Zweifel hat, dass in Sachsen bei Demonstrationen tatsächlich gleiches Recht für alle gilt. Denn jede andere Demonstration, die sich nicht an die Auflagen hält, wird normalerweise von der Polizei aufgelöst.

Nur weiß das Leipziger Ordnungsamt nicht wirklich, was die Polizei da nun alles genehmigt hat. Die tatsächlich vom blockierten Innenstadtring und einem Dauerhupkonzert betroffene Stadt Leipzig und ihre Polizeibehörde waren dadurch, dass sich die Kreishandwerkerschaft die Genehmigung gleich bei der sächsischen Polizei geholt hat, völlig außen vor und hatten keinen Einfluss auf das Blockadegeschehen.

Was für Jürgen Kasek sehr gut passt zu der Haltung des sächsischen Innenministers Armin Schuster, der tatsächlich die Blockaden der Bauern am 8. Januar sogar begrüßte. Oder, mit anderen Worten, nicht einmal anstandshalber Zurückhaltung und Unparteilichkeit übte, zu der er von Amts wegen eigentlich verpflichtet ist.

„Die Frage, ob auf dem Leipziger Ring eine dauerhafte Demonstration zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr angemeldet war, ist dem Kenntnisstand der Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig zufolge zu verneinen“, beschreibt das Ordnungsamt das Problem.

„So bezog sich die unter 2. erwähnte Versammlungsanzeige auf den Zeitraum von 08:00 bis 09:00 Uhr. Nach Kenntnis der Versammlungsbehörde gab es eine Abstimmung zur Verlängerung der Versammlung bis 13:00 Uhr zwischen der Polizei und dem Anzeigenden. An dieser Entscheidung war die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig nicht involviert. Diesbezüglich ist auch eine nachträgliche Einschätzung des Geschehens in Unkenntnis aller objektiven Fakten nur schwerlich möglich.“

Was eben heißt: Die Polizei hat hier die eigentliche Zuständigkeit des Leipziger Ordnungsamtes einfach ausgehebelt. Und wenn die Grünen nun wissen wollen, was wirklich alles abgesprochen und genehmigt wurde, müssen sie sich jetzt an die Polizei oder das Innenministerium wenden.

Hupen ist per se bei Demos verboten

Das betrifft auch das Dauerhupkonzert, das für viele Menschen, die am Ring ihren Arbeitsplatz haben, ein Arbeiten letztlich unmöglich machte.

Wobei das Leipziger Ordnungsamt darauf hinweist, dass das Betätigen der Hupe bei Demonstrationen prinzipiell verboten ist: „Das Hupen mit der Fahrzeughupe und vergleichbare Schallzeichen aus dem Fahrzeug als Demonstrationsmittel sind untersagt. Auf § 16 StVO wird verwiesen.

Ob die Nutzung des Schallzeichens entgegen § 16 StVO auf dem im Sachverhalt geschilderten Protestgeschehen vom 08.01.2024 auf dem Leipziger Innenstadtring durchgängig gestattet wurde, ist gegenüber dem in (Ersatz-)Zuständigkeit handelnden Polizeirevier Zentrum zu erfragen.“

Wobei durchaus möglich ist, dass der Kreishandwerkerschaft für das Hupkonzert noch eine Ordnungsgebühr ins Haus flattert.

Denn ein paar Anzeigen hat die Polizei an diesem Tag eben doch auch nach eigener Information aufgenommen: „Laut abschließender Medieninformation der Polizeidirektion Leipzig im Zusammenhang mit dem Protestgeschehen der Landwirte vom 08.01.2024 (s. unter Polizei Sachsen – Polizeidirektion Leipzig – Abschließende Medieninformation zum Protest der Landwirte) wurden in der Summe sieben Ermittlungsverfahren (u.a. wegen Bedrohung, Nötigung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz) eingeleitet und sechs Ordnungswidrigkeitenverfahren registriert.“

Ob dazu auch die gezeigten Galgen gehören, kann auch das Ordnungsamt nicht sagen: „Die strafrechtliche Einschätzung der im Sachverhalt geschilderten Darstellung eines Galgens mit Stofffetzen in Ampelfarben obliegt den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei). Ob in diesem Fall eine entsprechende Prüfung erfolgte, ist gegenüber dem in (Ersatz-)Zuständigkeit handelnden Polizeirevier Zentrum zu erfragen.“

Da sollten die Grünen also die Polizei fragen.

Für Kasek freilich bleibt auch nach der Beantwortung der Fragen der Eindruck, dass einige Demonstranten in Sachsen gleicher sind als andere. Und das, so betonte er, sei ein Eindruck, der ganz massiv schade.

Eine Einschätzung, die in der nachfolgenden Diskussion (in der sich CDU-Stadtrat Michael Weickert einige Widerworte einhandelte) auch OBM Burkhard Jung teilte. Zu Wort meldete sich auch CDU-Stadtrat Falk Dossin, der die Handwerkerdemo am Samstag anmeldete – aber eben bei der Polizei, weil das unter der E-Mail des Ordnungsamtes augenscheinlich nicht möglich war.

Sodass Burkhard Jung auch noch die Frage mitnahm, wie mögliche Demonstrationsanmelder das Ordnungsamt auch außerhalb der offiziellen Geschäftszeiten erreichen können.

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Es gibt 6 Kommentare

Suchterkrankungen sind ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem, und kein Ersatzargument für politisch angehauchte Diskussionen.

Korrigiere die 3 Ratskronen nochmal nach oben, wir sind sicherlich schon im Zweistelligen Bereich.

Immer wieder schade, wenn Kampagnen und Versuche gegen rassistische Ressentiments torpediert werden durch rassistische Ressentiments, nur weil sie in den amerikanischen Sendungen zu uns transportiert werden. Es ist nicht schlimm, weiß zu sein. Es ist hier bei uns die Normalität, so wie anderen Hautfarben ebenfalls mit Toleranz und Normalität zu begegnen ist.
Kein Fußbreit dem Rassismus!

Diese alten, weißen, immer kritisierenden Sachsen in den Kommentaren hier. Nach der. 3 Ratskrone kann man sich schonmal für solche diplomatischen und weltverbessernden Beiträge stolz auf die Schulter klopfen. Mir tun nur die Mitmenschen leid, befürchte aber, dass sich ein Großteil bereits abgewandt hat. Grüße

Angesichts von Trillerpfeifen, Trommeln und lauter Musik (“Lauti” war doch der Szenebegriff für den klitzekleinen Wagen?) auf einschlägigen Demos erscheint es tatsächlich etwas irritierend, dass hier die Verwendung der “Schallzeichen” kritisiert wird.
Gibt es hier eine dicke Extrawurst für die eigene Klientel?

Glauben Sie auch, lieber Autor, daß man mit ordnungspolitischen Sanktionen gegen Traktoren- und LKW-Kolonnen etwas ausrichten könnte, und daß das auch noch sinnvoll sei, wie es anscheinend Jürgen Kasek sieht? So sehr ich Kaseks Eintreten für die Demonstrationsfreiheit letzten Juni gutheiße, so sehr halte ich seine (und seiner Fraktion) Mäkelei am “Versammlungsgeschehen am 8. Januar auf dem Leipziger Ring” für wirklichkeitsfremd. Size matters! Da muß man sich nichts vormachen. Und die Verwendung von “Schallzeichen” zu monieren und der “Kreishandwerkerschaft” dafür eine Strafgebühr an den Hals zu wünschen, ist das ernstgemeint? Könnte es sein, daß angesichts beträchtlicher politischer Turbulenzen Probleme ganz anderer Art auf dem Tisch liegen?

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