Am heutigen Donnerstag, 9. Juli, hat der Stadtrat seine klimapolitische Stunde angesetzt. Ab 16 Uhr wollen sich Stadträtinnen und Stadträte intensiv mit den klimapolitischen Folgen für Leipzig beschäftigen. Initiativen wie „Fridays for Future“, „Parents for Future“ oder der BUND werden die Brisanz des Themas vor der Kongresshalle sichtbar machen, Und auch „health for future Leipzig“ meldet sich zu Wort. Denn viel zu oft wird vergessen, dass die Klimaerhitzung gravierende gesundheitliche Folgen haben wird.

Die Mitstreiter/-innen von „health for future Leipzig“ sind im Gesundheitswesen Tätige, die im beruflichen Kontext tagtäglich Verantwortung für medizinische Krisen übernehmen und sich für Klimaschutz einsetzen.

„Wir tun dies, weil für uns Klima- und Gesundheitsschutz zusammengehören“, formulieren sie jetzt in einer Stellungnahme zur Stadtratssitzung. „Die medizinische Fachzeitschrift Lancet schreibt: Der Klimawandel stellt ein hohes und inakzeptables Risiko für die gegenwärtige und zukünftige Gesundheit der Bevölkerung auf der ganzen Welt dar. Sowohl durch den Bundesärztekammerpräsidenten, als auch durch die medizinischen Fachgesellschaften, beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) werden wir Ärzte aufgefordert, auf die Einhaltung von nationalen und internationalen Abkommen im Zusammenhang mit Klimaschutz hinzuwirken.“

Und während die Nachrichtensendungen an Sonnentagen vielleicht noch über die Sorgen der Bauern und Forstwirte schreiben, merken die Ärzte längst, wie belastend die jetzt schon zahlreicheren Sommer- und Hitzetage für viele Menschen sind.

Klima-Protest der Leipziger Gruppe von „health for Future“. Foto: health for future Leipzig
Klima-Protest der Leipziger Gruppe von „health for Future“. Foto: health for future Leipzig

„Bereits heute treten während Hitzewellen bis zu 5 % mehr medizinische Notfälle ein, häufig in Form von Herz-, Kreislauf-, und Nierenversagen, aber auch pulmonaler Infekte, akuter Verwirrtheit/Delir. Wissenschaftlich belegt ist auch die Übersterblichkeit durch Hitzeperioden“, heißt es in der Stellungnahme.

Melanie Gerhards, Mitstreiterin bei „health for future Leipzig“, berichtet aus ihren Berufsalltag als Psychiaterin und Psychotherapeutin, dass durch Stress und Ängste im Zusammenhang mit der Klimakrise psychiatrische Neuerkrankungen auftreten. Menschen mit vorbestehenden psychischen Erkrankungen sind besonders gefährdet, durch Extremwetterlagen einen Krankheitsrückfall zu erleiden.

Die Bornaer Neurologin Dr. Claudia Englert beobachtet in ihrer Praxis, dass insbesondere an Demenz Erkrankte während Hitzeperioden unter Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit leiden und dadurch in ihrem gewohnten Alltag mehr Unterstützung benötigen. Prof. Matthias Knüpfer, Kinderarzt der Neugeborenenintensivstation der Universitätsklinik Leipzig fasst zusammen: „Wir geben hier jeden Tag unser Bestes, um den Kindern eine gesunde und glückliche Zukunft zu ermöglichen. Diese Arbeit ist nur dann sinnvoll, wenn wir diesen Kindern eine gesunde Umwelt überlassen.“

Laut ehemaligem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist der Klimawandel die größte Gefahr in der Geschichte der Menschheit. Um die Erderwärmung zu stoppen, muss die Emission von Treibhausgasen rasch reduziert werden. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hat auf die Notwendigkeit der Einhaltung des CO2- Budgets eindrücklich hingewiesen.

„Wir von health for future Leipzig fordern von der Stadt Leipzig: Übernehmen Sie politische Verantwortung indem Sie die Rahmenbedingungen schaffen, ,unser‘ Leipziger CO2-Budget einzuhalten.“

Das aber braucht größere Anstrengungen als das jetzt vorgelegte Sofortmaßnahmenprogramm. Bis 2026 müsste Leipzig seine CO2-Emissionen pro Kopf quasi fast vierteln – von 5,72 Tonnen im Jahr 2017 auf rund 1,5 Tonnen. Und die Verwaltung zeigt sich höchst ratlos, wie das geschafft werden soll. Die Illusion von 2014, als das aktuelle Klimschutzprogramm in Kraft trat, man könne das mit Appellen und sanftem Umsteuern schaffen, ist geplatzt. Das ist nur mit wirklich großen Weichenstellungen zu schaffen.

Belastung durch Hitze in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2018
Belastung durch Hitze in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2018

Schon die vergangenen beiden Jahre haben gezeigt, dass Leipzig nicht wirklich auf kommende Hitzezeiten vorbereitet ist. Die Stadt heizt sich an langen Hitzetagen auf. Und in der Umfrage der Stadt zum Klimawandel sagten 48 Prozent aller Befragten, dass sie sich durch die Hitze stark bis sehr stark gesundheitlich belastet fühlen.

Und das betrifft nicht nur die älteren Leipziger/-innen, sondern auch die jungen. 63 Prozent erzählten von Kreislaufproblemen, 83 Prozent von Schlafstörungen, 79 Prozent von Erschöpfungszuständen. Und auch wenn nur ein Teil davon solche Probleme häufiger vermeldet, bedeutet das eben doch, dass es bei mehr Menschen zu gesundheitlichen Folgen führt.

Und gerade die Bewohner von Wohnungen ohne Balkon und Terrasse haben kaum Möglichkeiten, dem Hitzestau zu entfliehen.

Da gewinnen Themen wie Verlust von Kaltluftschneisen, Straßenbäumen und Grünbiotopen in der Stadt eine ganz andere Dimension. Denn wer immer kann, flieht in der Hitze des Tages in die Parks, ans Wasser oder in den Auenwald, der sich logischerweise auch überall dort aufheizt, wo größere Auflichtungen eingeschlagen worden sind.

Auch andere Stadtratsentscheidungen als eben die zum Klimanotstand beeinflussen letztlich die Anpassung der Stadt an die Klimawandelfolgen und die Herausforderungen, die Emission der Stadt binnen weniger Jahre radikal zu senken. Der vom Stadtrat beschlossene Kohleausstieg gehört hier genauso dazu wie das Nachhaltigkeitsszenario für den Verkehr, dessen Notwendigkeiten und Zeitdruck die Leipziger Planer noch gar nicht begriffen haben.

Omas for Future und Parents for Future wollen OBM Burkhard Jung 1.000 Klimawünsche übergeben

Omas for Future und Parents for Future wollen OBM Burkhard Jung 1.000 Klimawünsche übergeben

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Es gibt 2 Kommentare

Bin ich Ihrer Meinung. Aber wo sollen die ganzen Wohnungen gebaut werden? Zum Glück ziehen erste junge Familien wieder in die angrenzenden Regionen. Wie wäre es mit einem Zuzugsstop damit nicht noch mehr Grünflächen dem “Hunger auf Wohnraum“ zum Opfer fallen.

Wer erlaubt eigentlich den ständigen Bau von Häusern in Lücken, wo vorher Bäume waren? Hinterm Ring ist es dicht bebaut ohne neue Bäume. Alles wird zubetoniert! Es findet kein Luftaustausch mehr statt. Was sind das für Planer?

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