Das Jahr 2022 endete für die Leipziger Adipositasforschung mit einem kleinen Forschungserfolg. Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig hat einen neuen Mechanismus entdeckt, der mit starkem Übergewicht bei Kindern in Verbindung gebracht wird. Eine genetische Veränderung führt zu einer ungewöhnlichen Expression eines Gens, das mit der Kontrolle des Hungergefühls zusammenhängt.

Bisher wird diese Veränderung mit der allgemeinen Gendiagnostik bei Adipositas nicht erkannt. Die wichtigen Erkenntnisse wurden im renommierten Fachjournal Nature Metabolism veröffentlicht.

Adipositas und daraus folgende Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Die Gründe für Adipositas sind noch nicht vollständig entschlüsselt. Es ist aber bekannt, dass mehrere Faktoren für das Entstehen und das Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich sind und auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. Bei den meisten Betroffenen führt das Zusammenspiel ungesunder Lebensbedingungen und erblicher Veranlagungen, sogenannte polygenetische Defekte, das heißt, dass mehrere Gene betroffen sind, zu starkem Übergewicht.

Ein fehlendes Puzzlestück

Forscher/-innen der Universitätsmedizin Leipzig und des Helmholtz-Institutes für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG) des Helmholtz Munich wollen auch die seltenen Fälle monogener Adipositas identifizieren. Bei diesen Patient/-innen sind Defekte in einem einzelnen Gen ursächlich für die Krankheit. Die Betroffenen zeigen oft schon in der frühen Kindheit ein gestörtes Sättigungsgefühl und leiden an unstillbarem Hunger.

Bei der Untersuchung von Gewebeproben eines Mädchens mit starkem Übergewicht stellten die Leipziger Wissenschaftler/-innen fest, dass ein bestimmtes Gen, das Agouti-Signalprotein-Gen (kurz: ASIP), in hohem Maße in Zellen produziert wird, in denen es normalerweise nicht vorkommt. Sie fanden es zum Beispiel in Fettzellen, weißen Blutkörperchen und neuronalen Zellen.

Projektleiterin Antje Körner, Professorin für Pädiatrische Forschung und Kinderärztin, sagt zu dem Befund: „Diese Entdeckung ist eine Art fehlendes Puzzlestück bei der Forschung zu monogener menschlicher Adipositas. Es ist auch ein Beweis für die Bedeutung der zentralen molekularen Regelungsmechanismen der Energiebilanz und des Körpergewichtes über sogenannte Melanocortin 4 Rezeptor-Neurone beim Menschen und bietet uns die einzigartige Möglichkeit, diese Mechanismen zu untersuchen.“

Die Art der Mutation, die in der aktuellen Studie gefunden wurde, entgeht den bisher üblichen genetischen Screening-Algorithmen, sodass viele betroffene Patient/-innen unentdeckt bleiben. Durch gezieltes Screening konnte das Team um Prof. Körner bereits vier weitere Patienten mit der identischen Mutation aus der Leipziger Adipositas-Kohorte identifizieren.

„Ich glaube, dass wir mit dieser Entdeckung unsere Strategien zur Identifizierung von Patient/-innen mit monogener Adipositas neu überdenken müssen. Das ultimative Ziel unserer Forschung ist es, die Erkenntnisse aus genetischen Studien in künftige personalisierte Behandlungsmöglichkeiten für Adipositas zu übertragen“, sagt Prof. Matthias Blüher, Direktor des HI-MAG und Sprecher des Sonderforschungsbereich 1052 „Mechanismen der Adipositas“ an der Medizinischen Fakultät.

Originalpublikation in Nature: Metabolism: Aberrant expression of agouti signaling protein (ASIP) as a cause of monogenic severe childhood obesity.

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