Mit der Hinrichtung des ehemaligen MfS-Hauptmann der Hauptverwaltung Aufklรคrung (HVA) am 26. Juni 1981, um 10.10 Uhr, in der Zentralen Hinrichtungsstรคtte der DDR in Leipzig, endete die fast 450-jรคhrige Geschichte der Anwendung der Todesstrafe in Deutschland, die letztendlich erst im Dezember 1987 ganz aus dem DDR-Strafgesetzbuch gestrichen wurde.
Bereits seit 1996 setzt sich das Bรผrgerkomitee Leipzig e. V., Trรคger der Gedenkstรคtte Museum in der โRunden Eckeโ mit dem Museum im Stasi-Bunker, fรผr den Erhalt des justizgeschichtlich bedeutsamen Ortes in der Leipziger Arndtstraรe ein, wo von 1960 bis zur Hinrichtung von Teske nach bisherigen Erkenntnissen 64 Todesurteile vollstreckt worden sind. An historischer Stelle soll in den nรคchsten Jahren ein Justizgeschichtlicher Erinnerungsort mit einer Dauerausstellung entstehen.
Dr. Werner Teske, in der Jugend passionierter Handballer, legte zunรคchst eine DDR-Bilderbuchkarriere hin: Studium der Wirtschaftswissenschaften und Promotion an der Humboldt Universitรคt zu Berlin, bereits in jungen Jahren SED-Mitglied, Heirat, Mitarbeiter in der Auslandsspionage HVA, der Elite des Ministeriums fรผr Staatssicherheit, sowie entsprechende Karriereaussichten.
Im Rahmen seiner operativen Arbeit durfte Teske sogar ohne Probleme ins kapitalistische Ausland, u. a. zur Fuรball-WM 1974 in der Bundesrepublik und zu den Olympischen Winterspielen 1976 in รsterreich reisen. Dennoch war er mit seiner Arbeit zunehmend unzufrieden, da er die vom MfS versprochene wissenschaftliche Karriere nicht fortsetzen konnte und seine Leistung nicht ausreichend gewรผrdigt sah.
Hinzu kamen familiรคre Probleme und hรคufiger Alkoholmissbrauch. Dienstliche Verfehlungen hรคuften sich, Teske spielte mit dem Gedanken, sich in den Westen abzusetzen und entwendete hierzu auch geheime dienstliche Unterlagen. Im Zusammenhang mit Ermittlungen infolge von mรถglichen Unterschlagungen wurden jene Dokumente bei ihm zu Hause gefunden. MfS-Minister Erich Mielke unterzeichnete sofort anschlieรend persรถnlich den Haftbeschluss. Teske und seine Ehefrau kamen, nach intensiver Befragung in einem konspirativen Objekt, in Untersuchungshaft nach Hohenschรถnhausen.
โDie ganze Hรคrte des Gesetzesโ fรผr Fahnenflucht und Geheimnisverrat als Gedankenspiel
Teske rรคumte in den Vernehmungen schnell die vorgeworfenen ursprรผnglichen Flucht- und Verratsabsichten ein, die er allerdings nicht verwirklichte, da er laut eigener Aussage Frau und Kind nicht verlassen konnte. Er hatte auch keinen Kontakt zu westlichen Geheimdiensten aufgenommen. Zum Verhรคngnis fรผr Teske wurde die spektakulรคre Flucht von Werner Stiller, ebenfalls Offizier der HVA, im Jahr 1978.
In der Folge wurde u. a. der Chef der Auslandsspionage, Markus Wolf, im Westen enttarnt, ein schwerer Schlag fรผr Minister Mielke und das MfS. In einem Geheimprozess vor dem Militรคrstrafsenat des Obersten Gerichts der DDR wurde Teske folglich nach kurzer Verhandlung wegen vorbereiteter und vollendeter Spionage im besonders schweren Fall in Tateinheit mit vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall zum Tode verurteilt.
Bereits im Vorfeld forderte Mielke die Todesstrafe, welche von der Militรคrstaatsanwaltschaft entsprechend beantragt worden ist. Im Plรคdoyer der Anklagebehรถrde hieร es entsprechend: โWer sich [โฆ] auf die Position der Feinde unseres Volkes begibt [โฆ], soll sich nicht wundern, wenn er als Feind behandelt wird, den die ganze Hรคrte unseres Gesetzes trifft.โ
Nach dem Mauerfall betonter der Rechtsanwalt von Teske, selbst wie die Richter und der Staatsanwalt ein Inoffizieller Mitarbeiter des MfS, dass er nicht mit der Todesstrafe gerechnet hรคtte. Selbst der MfS-Untersuchungsfรผhrer hielt die Todesstrafe rรผckblickend fรผr ausgeschlossen. Das Urteil war jedenfalls mit Verkรผndung am 11.06.1981 erst- und letztinstanzlich rechtskrรคftig.
Hinrichtung durch einen โunerwarteten Nachschuss in das Hinterhauptโ
Offenbar nach Rรผcksprache mit Mielke und dem Staatsratsvorsitzenden, Erich Honecker, der fรผr das Gnadenverfahren verfassungsgemรคร verantwortliche war, wurde das Gesuch von Teske auf Umwandlung des Todesurteils abgelehnt; es war demnach vollstreckbar. Zwei Wochen nach dem Todesurteil erfolgte in einem geheimen Nebentrakt der Strafvollzugseinrichtung Leipzig die Hinrichtung von Dr. Werner Teske durch einen sogenannten โunerwarteten Nachschuss in das Hinterhauptโ.
Der damalige Henker, 1980 pensioniert, bestritt kurz vor seinem Tod im Jahr 1993, Teske hingerichtet zu haben. Bis heute ist daher nicht bekannt, wer der letzte deutsche Scharfrichter gewesen ist. Die sterblichen รberreste wurden indessen auf dem Leipziger Sรผdfriedhof anonym als โAnatomieleicheโ verbrannt und ebenso anonym in einem Urnengrab beigesetzt, das auch nach 1990 nicht lokalisiert werden konnte.
Offizieller Sterbeort war, aus Geheimhaltungsgrรผnden, ein Krankenhaus in Stendal. Im Melderegister wurde vermerkt, dass Teske aus der Staatsbรผrgerschaft der DDR entlassen worden wรคre. Am Tag der Hinrichtung wurde die Untersuchungshaft der Ehefrau Teskes aufgehoben. Wenig spรคter teilte ihr das MfS die Hinrichtung ihres Ehemanns mit. Ehefrau und Tochter wurde bis zum Mauerfall vom MfS intensiv รผberwacht, mussten den Wohnort und den Namen รคndern.
Rehabilitierung: โwillkรผrliches Tรถten unter dem Deckmantel eines justizfรถrmigen Verfahrensโ
Das Todesurteil gegen Dr. Werner Teske wurde am 22.01.1993 vom Landgericht als rechtsstaatswidrig aufgehoben. Es erfolgte eine volle rechtsstaatliche Rehabilitierung. Parallel nahm die Staatsanwaltschaft II Berlin umfangreiche Ermittlungen auf. Das Landgericht Berlin stellte 1998 in seinem Urteil eindrรผcklich fest, dass die โbeantragten und verhรคngten hรถchstmรถglichen Strafen in einem unertrรคglichen Missverhรคltnis zu den Handlungenโ standen.
Das Urteil sei ein โwillkรผrliches Tรถten unter dem Deckmantel eines justizfรถrmigen Verfahrensโ gewesen. Der beteiligte Militรคroberrichter und der Militรคroberstaatsanwalt wurden wegen Totschlag und Rechtsbeugung zu vier Jahren Haft verurteilt. Die eingelegte Revision verwarf der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig ein Jahr spรคter. In der Stadt der Hinrichtung schloss sich letztendlich also auch der Kreis dieses Justizverbrechens.
Justizgeschichtlicher Erinnerungsort mit Dauerausstellung geplant โ Finanzierung noch immer nicht gewรคhrleistet
In Erinnerung an dieses wichtige Kapitel der deutschen Justizgeschichte mรถchte das Bรผrgerkomitee Leipzig e. V. den historischen Vollstreckungsort in der Leipziger Arndtstraรe authentisch erhalten und mit einer Dauerausstellung zum Thema โTodesstrafe in der DDR โ Hinrichtungen in Leipzigโ ergรคnzen. Hierzu hat der Verein in der Vergangenheit bereits umfangreiche Forschungsarbeit geleistet und ein Ausstellungs- sowie Nutzungskonzept erarbeitet.
Das Projekt โJustizgeschichtlicher Erinnerungsortโ soll von Bund und Freistaat Sachsen finanziert werden. 40 Jahre nach der letzten Hinrichtung und acht Jahre nach dem Einreichen des Projektantrages steht eine finanzielle Fรถrderung des Vorhabens aber bis heute noch immer aus, obwohl die Mittel auch im neuen Sรคchsischen Doppelhaushalt vom Landtag beschlossen wurden und ein prinzipieller politischer Wille zur Realisierung besteht.
Zentrale Hinrichtungsstรคtte der DDR befand sich fast 30 Jahre in Leipzig
Wรคhrend in der Bundesrepublik die Todesstrafe 1949 mit dem Grundgesetz abgeschafft wurde, hielt das SED-Regime an dieser letzten aller mรถglichen Strafen bis 1987 fest. In der Leipziger Sรผdvorstadt befand sich ab 1960 die zentrale Hinrichtungsstรคtte der DDR. In einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kรคstner-Straรe wurden alle im Land ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt.
Heutigen Erkenntnissen zufolge kamen hier 64 Menschen zu Tode. Nach Grรผndung der DDR waren Todesurteile zunรคchst dezentral in Hoheit der Lรคnder und ab 1952 zentral in Dresden am Mรผnchner Platz vollstreckt worden. Abgeschafft wurde die Todesstrafe erst 1987.
In Leipzig fanden die Hinrichtungen zunรคchst mittels Guillotine statt. Ab 1968 wurden sie per unerwartetem Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einรคscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Sรผdfriedhof, wo sie anonym als โAnatomieleichenโ verzeichnet und beigesetzt wurden.
Todesurteile konnten in der DDR wegen Mordes, NS-Verbrechen sowie verschiedener Straftaten im Bereich Staatsverbrechen / Wirtschaftsverbrechen / Wirtschaftsspionage ausgesprochen werden; oft waren die Tatvorwรผrfe aber manipuliert. Die Frage nach der Schuld der Hingerichteten relativiert sich angesichts der Tatsache, dass sie Opfer von nicht rechtsstaatlichen Verfahren wurden, in denen das Urteil praktisch von Anfang an feststand.
Die SED hatte entscheidenden Einfluss auf den Prozess und das Strafmaร. Selbst die Totenscheine wurden gefรคlscht und verschleierten die wahre Ursache und den Ort des Ablebens.
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