Eigentlich steht das Thema auf der Tagesordnung: Schleußig war der erste Leipziger Stadtteil, der massive Probleme bei der Parkplatzsituation meldete. Es wurde diskutiert, vertagt, gestritten. Am Ende stellte selbst Leipzigs Stadtverwaltung fest: Eine wirkliche Entspannung der Parkraumsituation gibt es erst, wenn mehr Schleußiger ihr Mobilitätsverhalten ändern. Nur die Konsequenzen wollte man irgendwie nicht ziehen.

Das begann mit der Ablehnung eines Antrags der SPD, die auf der Könneritzstraße eine weitere – vierte – Haltestelle haben wollte, um die Wege der Einwohner zur nächsten Straßenbahnhaltestelle zu verkürzen. Der Antrag wurde abgelehnt.

Erst im vergangenen Jahr hatte eine Untersuchung der LK Argus GmbH zum „Parkraumkonzept Leipzig Schleußig“ noch einmal bestätigt, dass die verfügbaren Parkplätze in Schleußig überbelegt sind. Und das auch deshalb, weil rund 900 Autos im Straßenraum quasi dauergeparkt sind und nur selten bewegt werden, was den Parkraum dann für jene 900 Autofahrer verknappt, die das Auto tatsächlich jeden Tag bewegen, um damit zur Arbeit zu kommen.

Die Lösung kann nur heißen, dass viele Autofahrer, die das Schmuckstück nicht ständig brauchen, auf die eigentlich zukunftsträchtigen Formen des geteilten Autos umsteigen. Deswegen waren ja in Schleußig eigentlich zwei Mobilitätsstationen geplant. Dass ausgerechnet in Schleußig aber keine eröffnet werden, hat zumindest die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat verblüfft.

„Im Februar 2015 wurde die Errichtung und der Betrieb von Mobilitätsstationen durch die LVB beschlossen. In der Liste als Anlage zur entsprechenden Vorlage wurde die Errichtung und die Inbetriebnahme von zwei Mobilitätsstationen im Zusammenhang mit der Sanierung der Könneritzstraße in Aussicht gestellt“, stellten die Grünen dazu in einer Anfrage an die Verwaltung fest. „Die Mobilitätsstationen sind eine Möglichkeit für die Einrichtung von Stellplätzen für Carsharing-Unternehmen im öffentlichen Raum. Da auch das Gutachten zum Parkraumkonzept Leipzig Schleußig zu dem Schluss kommt, dass die höchsten Potentiale zur Lösung der Parkprobleme ‚in einer Änderung des Verkehrsverhaltens der Bewohner vor allem in Hinblick auf die Nutzung alternativer Mobilitätsarten wie Carsharing […]‘ liegen, sind gerade diese Mobilitätsstationen sehr wichtig.“

Zwar wird die Könneritzstraße derzeit umgebaut und soll auch im Herbst fertig sein. Doch die beiden geplanten Mobilitätsstationen bleiben erst einmal unverwirklicht, wie die Grünen nun vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau erfahren können.

Und das nicht, weil sie vielleicht nicht in die Straße passen könnten. Man hat nur keine Fördergelder mehr dafür bekommen. Angelegt hat man die möglichen Stellplätze schon, teilt das Baudezernat mit.

„Es sind Bauvorbereitungen getroffen worden, damit bei der Errichtung der Mobilitätsstationen nur ein minimaler Eingriff in die derzeit neu gestalteten Flächen erfolgen muss. Von Seiten der LVB wird aktuell jedoch keine finanzielle Möglichkeit gesehen, das Netz der Mobilitätsstationen um diese beiden Anlagen zu erweitern. Hier sind zeitnah neue Gespräche zur Fortführung des Netzausbaus der Mobilitätsstationen notwendig.“

Man ist sogar überzeugt davon, dass diese Angebote in Schleußig gut angebracht wären.

„Die Ergänzung der Mobilitätsstationen um diese beiden Anlagen ist sehr gut geeignet, um weitere multi- und intermodale Angebote zu platzieren, insbesondere, da in Schleußig durch die hohe Wohndichte und begrenzten öffentlichen Raum ein besonderer Bedarf alternativer Angebote zum privaten Pkw besteht“, betont das Baudezernat.

Aber warum wurden sie dann nicht einfach gleich mit aufgebaut?

Es fehlt am Geld: „Durch das Auseinanderfallen des Fertigstellungszeitpunktes der Baumaßnahme Könneritzstraße und des Abrechnungszeitpunktes der Fördermittel für die bisher errichteten Mobilitätsstationen, konnten diese beiden Stationen leider nicht mit im Bewilligungszeitraum errichtet werden. Die Stadtverwaltung setzt sich jedoch dafür ein, dass eine Erweiterung des Netzes erfolgt.“

Die Grünen hatten sich auch verwundert darüber gezeigt, dass es in Berlin soviel einfacher zu sein scheint, Parkplätze für Carsharing-Unternehmen vorzuhalten. Warum geht das in Leipzig nicht?

Da hat Leipzig augenscheinlich Pech: Es liegt in Sachsen. Da geht Manches nicht so schnell wie in Berlin.

„Berlin hat als Stadtstaat die Hoheit über das eigene, hier maßgebliches Straßengesetz. Im Gegensatz zum Sächsischen Straßengesetz ist in Berlin die Teileinziehung einer gewidmeten Straße nicht nur möglich, wenn die Widmung nachträglich auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzungszwecke beschränkt wird, sondern auch, wenn sie auf bestimmte Benutzerkreise beschränkt wird. Der große Unterschied liegt im Wort Benutzerkreise. Damit ist, wie übrigens z.B. auch in Thüringen, eine Ausweisung für Carsharing möglich“, teilt das Baudezernat mit.

Und was Thüringen kann, könnte Sachsen eigentlich auch. Zumindest steht es so auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD, betont das Baudezernat, das sichtlich schon darauf wartet, dass die Vereinbarung in Dresden auch endlich ins Gesetz einfließt: „Diese Möglichkeit in Verbindung mit einem Senats-Erlass zur Beschilderung, eröffnet in Berlin deutlich bessere Möglichkeiten. Eine entsprechende Änderung des Straßengesetzes in Sachsen – welche auch der Koalitionsvereinbarung der sächsischen Regierungsparteien in diesem Punkt entsprechen würde – würde die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen mit Hilfe der Teileinziehung der öffentlichen Straße rechtlich sicherstellen und auch Leipzig in die Lage versetzen, hier progressiver vorzugehen als bisher.“

Jetzt geht es also um zwei Dinge: Ein bisschen Geld für die beiden geplanten Mobilitätsstationen. Und eine kleine Gesetzesänderung, die Carsharing erst einmal genug Platz im Leipziger – und Schleußiger – Straßenraum verschafft.

Die komplette Antwort der Stadtverwaltung.

In eigener Sache

Jetzt bis 8. Juli für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar