Vier Jahre Diskussion um Leipzigs größten Park – und endlich legt die Verwaltung das lang erwartete Entwicklungskonzept vor. Und dann lesen es auch die Leipziger, die sich ganz professionell mit dem Thema beschäftigen, freuen sich im ersten Moment: „Oho, Sie haben es wirklich berücksichtigt!“ Und dann lesen sie den Text dazu und fassen sich an den Kopf. So wie der ADFC, als er das Thema Radwege genauer unter die Lupe nahm.

Dass sich die Verwaltung tatsächlich durchgerungen hat, diese Forderung der ersten Stunde aufzunehmen, und im Clara-Zetkin-Park ein verlässliches System von Schnellwegen für Radfahrer einzurichten, das fand man beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) Leipzig durchaus begrüßenswert. Genau so hatte man sich ja auch in die Debatte eingebracht – ganz im Verständnis eines Vereins, der sich seit Jahren intensiv und professionell mit dem Thema Radwege in Leipzig beschäftigt.

Und nirgendwo bündelt sich das so zentral wie im Clara-Zetkin-Park. Die wichtigsten Rad-Hauptrouten durchqueren den Park. Was eigentlich auch in den Weggestaltungen sichtbar werden müsste. Aber an diesem Punkt packte die Radprofis dann das blanke Entsetzen.

Denn diese Einbindung in ein (förderfähiges) Radwegenetz haben die Planer dann trotzdem nicht geschafft – trotz „Hauptschnellweg“ auf der Anton-Bruckner-Allee und den diversen irgendwie untergeordneten Entaltungs-Schnellwegen.

Es beginnt schon damit, dass die „Zentrale Meile“ Anton-Bruckner-Allee nicht nur die Hauptverbindung für Radfahrer zwischen Schleußig und Innenstadt ist. Sie nimmt auch einige überregionale Hauptrouten auf – so den Elster-Saale-Radweg.

Aber solche Hauptrouten müssen auch wie solche ausgebaut werden: „Das SachsenNetz Rad ist das Premiumnetz für den touristischen Radverkehr in Sachsen. Mit dem Zusatz „Premium“ soll eine einheitlich hohe Qualität verdeutlicht werden. Das betrifft neben der einheitlichen Beschilderung auch die Direktheit bei der Verbindung der Zentren und selbstverständlich den Ausbaustandard“, stellt der ADFC in seiner ausführlichen Analyse fest.

Und dazu gehört – neben der umwegfreien direkten Wegeführung – auch der höchste Ausbaustandard: Asphalt. Denn Hauptrouten werden nun einmal viel befahren, der Belastung halten Sandwege nicht stand, wie jeder im Clara-Zetkin-Park und im Johannapark beobachten kann. Der Sand wird breit gefahren, der Weg ufert in die Wiese aus. Und spätestens nach zwei, drei Jahren kommt der Schotter durch und der Weg muss schon wieder erneuert werden.

Und asphaltiert ist beim Elster-Saale-Radweg im Park nur der Abschnitt Georg-Bruckner-Allee. Alles andere ist Sand. Im Herbst und Frühjahr auch gern Matsch. Es braucht eben nicht nur logische Schnellwege-Verbindungen im Park – sie müssen auch den notwendigen Ausbaustandard haben.

Es ist „deutlich ökologischer, Wege – insbesondere solche mit hoher Radverkehrsnutzung – zu asphaltieren als eine sandgeschlämmte Wegedecke aufzubringen, zumal diese mindestens alle zwei Jahre erneuert werden muss. Und wenn man sich an der Farbe stört, so lassen sich Asphaltwege auch einfärben. In Potsdam hat man in der Hegelallee und in der Lindenallee sehr gute Erfahrungen gesammelt“, stellt der ADFC fest.

Und dann haben sich die Radexperten auch die sogenannten „Schnellen Wege“ angeschaut, die der Plan vorsieht. Und sie sind eigentlich entsetzt, weil diese „Schnellen Wege“ den Radverkehr eigentlich dahin lenken, wo normalerweise Fußgänger gemütlich schlendern wollen. Das sorgt zwangsläufig für Konflikte, während der Ausbau der eigentlichen Entlastungswege (wie an der Karl-Tauchnitz-Straße oder der Lasallestraße) noch Zukunftsmusik sind.

Also schreibt das Konzept eigentlich die bestehenden Konflikte sogar fest.

Und das sogar mitten auf der wichtigsten Route: der Anton-Bruckner-Allee, die gleich mal zur „Fairnesszone“ gemacht werden soll. Das Grünflächenamt fand das eine besonders tolle Idee. Der ADFC findet diese Idee reineweg Quatsch, denn sie schafft Konflikte, wo gar keine sein müssen.

„Das Beste daran ist allerdings, dass die Anton-Bruckner-Allee eine für alle Verkehrsarten gewidmete Straße ist“, betont der ADFC“ “Das ist kein schnöder Parkweg wie der Johannaparkweg oder Paul-Gerhardt-Weg, sondern eine Straße wie die KarLi, der 18. Oktober oder die Jahnallee. Das bedeutet: Fußverkehr hat auf den Gehbahnen zu erfolgen, Fahrverkehr auf der Fahrbahn. In der Anton-Bruckner-Allee gilt in weiten Teilen sogar Tempo 50. Eine Teilentwidmung hat der Stadtrat in der Ratsversammlung am 17.09.2014 abgelehnt. Die Teilentwidmung wäre aber die Mindestanforderung für die Einrichtung einer Fairnesszone gewesen. Dass mit dem Entwicklungskonzept der Stadtratsbeschluss von 2014 revidiert werden soll, begrüßen wir. Sollte die Teilentwidmung jedoch wieder nicht beschlossen werden, ist davon auszugehen, dass das Amt für Stadtgrün und Gewässer seit über einem Jahr einen Flyer zur Fairnesszone für die Tonne produziert hat.“

Wobei die Fairnesszone eben wirklich Unfug ist: Seit der Erbauungszeit hat die Straße breit ausgebaute Fußwege. Langsame Verkehrsteilnehmer müssen überhaupt nicht auf die Straße.

In seinem Fazit ist der ADFC konsequent: So, wie sich die Stadt das denkt, wird das Wegekonzept zu einem Bündel völlig sinnloser Konflikte und neuer Unklarheiten. Wenn die „Entlastungswege“ ordentlich ausgebaut werden und die Hauptrouten des Radnetzes aufnehmen, gibt es klare und eindeutige Wegeführungen und der (schnelle) Radverkehr kann die von den Spaziergängern genutzten „Hauptrouten“, die die Stadt gern zu „Schnellwegen“ machen möchte, meiden.

Es ist schon verblüffend, dass die Stadtverwaltung die kompetenten Profis aus den spezialisierten Vereinen einfach nicht ernst nimmt und immer wieder neue Luftschlösser baut und Pläne entwirft, die viel Geld verschlingen und hinterher doch nicht funktionieren.

Oder sitzt da immer ein wackerer kleiner Mann, der jeden Plan zurückweist, in dem nicht ordentliche Stoppzeichen für den Radverkehr stehen?

Manchmal sieht es so aus.

Aber so wird Leipzig niemals die Radfahrerstadt, von der mittlerweile sogar der OBM träumt.

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