Wien hat noch einen vergleichbar großen Auenwald im Stadtgebiet. Es gibt auch ein paar deutsche Großstädte mit einer lebendigen Flussaue – aber dort sind diese Gebiete meist viel kleiner als das grüne Kleinod, das Leipzig mit seinem Auenwald hat. Und das auch deshalb unter mehrfachem Naturschutz steht, weil der Wald, so wie er da steht, ein selten reiches Biotop ist.

Was auch daran liegt, dass dieses Waldgebiet zwar seit rund 90 Jahren ohne Wasser ist. Aber bevor die systematischen Holzeinschläge der jüngeren Zeit begannen, wurde der alte, gewachsene Baumbestand im Wesentlichen in Ruhe gelassen. Damit konnten sich auch seltene geschützte Arten überall dort halten, wo es keine Eingriffe gab.

Im Filmclip erklärt Prof. Bernd Gerken, warum alte und auch absterbende Bäume in so einem Biotop möglichst stehen gelassen werden sollten. Denn auch mit diesen Bäumen kann die Lebensgemeinschaft im Wald etwas anfangen, manche Tier- und Insektenarten sind sogar regelrecht darauf angewiesen, dass solche Bäume im Wald bleiben – sie bieten Nahrung und Schutzraum. Ein Wald ist normalerweise ein sich selbst regulierendes Biotop. Es siedeln sich Tier- und Pflanzenarten an, die in diesem speziellen Lebensraum gute Bedingungen vorfinden.

Und natürlich sorgen äußere Einflüsse – wie eben das Vorhandensein von Wasser oder gar natürlichen Überschwemmungen – dafür, dass sich hier gerade Lebensgemeinschaften bilden, die mit diesen Einflüssen gut umgehen können. Doch in der Burgaue ist dieses Zusammenleben gestört. Alte Mäander im Erdreich erinnern noch daran, dass sich hier bis zum Bau der Deiche an der Neuen Luppe richtige Flüsse durch die Aue schoben und die Burgaue tatsächlich erst zur Aue machten. Sie war nie ein Wirtschaftswald, wie es jetzt die Abteilung Stadtforsten mit Femel- und Mittelwaldbewirtschaftung versucht zu imitieren. Man sieht nicht nur einen Flussarm, der sich nun ohne Wasser durch die Aue schlängelt, sondern mehrere. Große Bäume am Hochufer markieren den alten Verlauf noch zusätzlich.

Während der Burgauenbach in kurzer Entfernung zwar auch irgendwie als Flachgewässer durchs Gelände fließt. Aber vor knapp zwanzig Jahren hat er rechts und links Deiche verpasst bekommen, die verhindern, dass sein Wasser in die Aue fließt. Von einer natürlichen Aue, die das Wasser formt und die auch regelmäßige Überschwemmungen bekommt, ist die Burgaue weit entfernt.

Selbst direkt hinter dem für 4 Millionen Euro neu gebauten Nahleauslasswerk, das die Burgaue wie einen Polder steuern soll, sieht man – zwei Meter tiefer als das Auslasswerk – einen alten Flussarm, über den die normalen Hochwasser der Nahle normalerweise problemlos durch die Aue fließen könnten.

Seit nunmehr acht Jahren kämpft das Projekt Lebendige Luppe darum, irgendwie kleine, geregelte Wassermengen zusätzlich in die Burgaue fließen zu lassen, modelliert einen neuen Flussverlauf, der eher Bachdimensionen hat, scheitert aber immer wieder an der Frage, woher das Wasser eigentlich kommen soll, wenn die Stadtverwaltung so vehement am Weiterbestand der Deiche festhält, die die Burgaue vom Flusswasser abschnüren.

Die Forstwirtschaftsmaßnahmen im Auenwald versuchen also ziemlich künstlich das zu reparieren, was durch die Wasserlosigkeit der Aue erst zu dramatischen Veränderungen führt.

Prof. Dr. Bernd Gerken. Foto: Hansmann
Prof. Dr. Bernd Gerken. Foto: Hansmann

Und nicht nur auf Leipziger Gebiet dominiert ja die rein forstwirtschaftliche Sicht auf den Wald, sollen tausende Festmeter wertvoller Laubbäume aus dem Wald geholt werden. Über die massiven (und ungenehmigten) Eingriffe im nahe gelegenen vom Sachsenforst bewirtschafteten Gebiet haben wir ja schon berichtet. Auch dort scheint es vor allem um die Sicherung gut verkäuflicher Holzbestände zu gehen, nicht um die Rettung der wertvollen Elster-Luppe-Aue.

Die wichtigen Auenwälder in den Städten sind deutschlandweit ein Thema. Sie spielen nicht nur als Erholungsort eine Rolle, sondern beeinflussen auch das Stadtklima positiv, reinigen die Luft, sind wichtiger Rückzugsraum für seltene Tierarten und bieten wertvolle Überschwemmungsfläche bei Hochwassern. Deswegen haben viele Großstädte – man nehme nur München – schon viel investiert, um ihre Flussauen wieder in einen selbstheilenden natürlichen Zustand zu versetzen.

Wie wertvoll solche Flussauen in der Stadt sind und was man alles darüber wissen kann, hat Bernd Gerken in dem Buch „Reanimation – ein Aufruf zur Wiederbelebung der Auen“ erzählt. Das Buch ist jetzt in überarbeiteter 2. Auflage erschienen.

Und natürlich macht sich Gerken auch Gedanken über das, was bei der Zerstörung der Auen sichtbar wird von der gegenwärtigen Beziehungskrise der Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt.

„Es ist ein sehr allgemein bekanntes Feld u. a. der Beziehungskrise der Menschen zur Natur, die die Menschen trägt, weil Menschen ein Teil der Natur sind (gleich ob sie dies übersehen wollen oder nicht)“, sagt Gerken, der auch den NuKLA e.V.fachlich berät. „Es ist auch ein allgemein bekanntes Feld u. a. der Beziehungskrise unter den Menschen, die sich um verschiedene Herangehensweisen streiten wobei unserer Art gemäß reichlich Ego-Dynamiken wirken.“

Im Streit um den Leipziger Auenwald sind diese Dynamiken sehr schön zu beobachten.

Gerken: „Die Natur schaut dem menschlichen Treiben gelassen zu, was manche Mitmenschen, sogar in Wissenschaft, Kirchen, Verbänden und Politik, dazu bringt, sie als etwas vermeintlich uns Unterworfenes anzusehen. Welch beachtlicher Jahrtausend-Irrtum! Ein Irrtum, der in Leipzig u. a. die Mopsfledermaus erkennbar in Bedrängnis bringt, vom Potenzial der Fischfauna im Weiße-Elster-System und vielen weiteren Artengruppen nicht zu reden …“

Sachsenforst fällt hinter Gundorf ungehindert weiter wertvolle Auenbäume

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Es gibt 2 Kommentare

Wer ist dieser Gerken, haben wir in Leipzig doch fähige Wissenschaftler im UFZ und der Uni, diese haben Ortskenntnis und befassen sich seit Jahren mit dem Auwald.

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