Natürlich könnte auch in Leipzig längst schon nachhaltiger und zukunftsfähiger gebaut werden. Aber gerade die jüngeren Bauprojekte zeigen, dass auch Leipzigs Verwaltung noch längst nicht so weit ist, das Thema in seiner ganzen Dimension zu erfassen und nach den Klimaschutzplänen, die der Stadtrat beschlossen hat, auszurichten. Aktuelles Beispiel ist ja die Parkstadt Dösen. Am heutigen Mittwoch, 20. Mai, wird sie Thema im Stadtrat.

Der tagt wie geprobt in der Kongresshalle. Dabei kommt ein Antrag der Linksfraktion auf den Tisch, den das Stadtplanungsamt schon recht ausführlich beantwortet hat. Aber die Antwort machte eben auch deutlich, wie sehr die Leipziger Stadtplaner noch immer im alten Autodenken feststecken.

Würden sie die Klimaziele mitdenken in all ihren Bauvorhaben, dann wäre längst der Zeitpunkt, über komplett autofreie Quartiere nachzudenken in einer Stadt, in der es bislang null Prozent Autofreiheit gibt.

Auch in Dösen, dem einstigen Parkkrankenhaus, von dem die Leipziger Verwaltung tatsächlich meint, das Quartier sei gut genug an den ÖPNV angeschlossen: „Das heutige Angebot der ÖPNV-Erschließung an der zum Plangebiet am nächstgelegenen Haltestelle Pahlenweg in der Chemnitzer Straße (Buslinien 106, 108 und 141) entspricht dem in Kenntnis der geplanten Entwicklungen zur Parkstadt Dösen aufgestellten und im Dezember 2019 beschlossenen Nahverkehrsplan.“

Ein Nahverkehrsplan, der bekanntlich nicht einmal den Anforderungen des Stadtrats genügte (und dem Nachhaltigkeitsszenario in der Mobilitätsstrategie schon gar nicht), der deshalb spätestens 2023 die Vorlage eines wirklich aktuellen Nahverkehrsplans gefordert hat.

Wer auf die Buslinien zur Parkstadt angewiesen ist, weiß, dass die Aussage des Planungsdezernats nicht stimmt. Dass die Busse meist dann fehlen, wenn man sie wirklich braucht. Das Angebot ist nämlich, wie das so schön heißt, optimiert. Auf die Hauptnutzungszeiten ausgerichtet, wenn nämlich möglichst viele Leute von Probstheida zum Einkaufen nach Markkleeberg fahren. Nach Feierabend und wochenends dünnt es aus. Da bleiben meist nur der lange Fußweg zur Straßenbahnlinie 15 oder das Fahrrad.

Weshalb die Linksfraktion ja beantragt hatte: „Es ist dafür zu sorgen, dass das B-Plangebiet besser an den ÖPNV angebunden wird.“

Im Antrag fordert Die Linke ebenso die Reduzierung der Stellplätze zugunsten einer besseren ÖPNV-Anbindung, eine Erhöhung des sozialen Wohnungsbaus auf 30 Prozent, den freiwilligen Ausgleich aller zu fällenden Bäume auf Kosten des Investors sowie ein umfassendes Artenschutzkonzept.

Dazu erklärt Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion: „Das Gebiet in Dösen ist aus historischer und ökologischer Sicht etwas Besonderes. Das betonen auch die Anwohner/-innen immer wieder, von denen viele die Natur der Parkstadt beim täglichen Spaziergang genießen.“

Hier hätte die seltene Chance bestanden, „Wohnen im Grünen“ tatsächlich einmal mit Leben zu erfüllen. Aber das erste, was an den Plänen auffiel, war die enorme Zahl von neuen Stellplätzen – ebenerdig und in einem überdimensionierten Parkhaus. Also doch wieder nur eine Wohnanlage für Autobesitzer, kein Angebot für Menschen, die wirklich einmal ohne Auto leben wollen, möglichst naturnah mit einem geschützten Baumbestand.

Bei der Bebauung sei es deshalb wichtig, dass die Tier- und Pflanzenarten durch ein Artenschutzkonzept erhalten bleiben und alle Bäume – auch die, die zur Verkehrssicherung gefällt werden – ersetzt werden müssen, formuliert Neuhaus den Anspruch. „Die Kosten dafür dürfen jedoch nicht wie so oft auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Es gilt: Wer den Schaden verursacht, muss zahlen.“

Auch die angepriesenen 10 Prozent Sozialwohnungen und der Verzicht auf eine Umzäunung reichen aus Sicht der Linksfraktion bei weitem nicht aus, um zu verhindern, dass aus einem Quartier mit hochpreisigen Wohnungen, einer Kita, einem Supermarkt und einer großen Grünfläche in der Mitte ein eingeschlossener Wohnkomplex wird.

Der geplante Neubau in der Parkstadt Dösen. Foto: L-IZ
Der geplante Neubau in der Parkstadt Dösen. Foto: L-IZ

„Es gilt außerdem dafür zu sorgen, dass aus der Parkstadt keine Parkplatzstadt wird. In der Debatte heißt es, dass wir die Autos und Parkplätze brauchen, weil der ÖPNV so schlecht ist. Beim Thema ÖPNV wird gesagt, dass sich ein Ausbau nicht lohnt, weil die Fahrgäste fehlen. Hier beißt sich Katze in den Schwanz“, benennt Neuhaus das Problem an der Diskussion, die immer noch in den Denkweisen des 20. Jahrhunderts feststeckt.

„Die Ziele der Leipziger Mobilitätsstrategie, des Luftreinhalteplans und des Klima- und Energieprogramms werden nur zu erreichen sein, wenn wir die Zahl der Autos reduzieren und eine klimafreundliche Mobilität für alle entwickeln. Die Stadt muss hier dringend nachverhandeln, wenn Sozialgerechtigkeit und ökologisches Bewusstsein nicht nur zum moralischen Ablasshandel für Besserverdiener/-innen werden sollen. Ein Investor, der sich damit schmückt, ökologisch und sozial zu sein, sollte hiermit kein Problem haben.“

Und damit steht die Linksfraktion nicht allein. Die Leipziger Umweltverbände haben zwar schon einiges erreicht, um einige ökologische Verschlechterungen in der Parkstadt zu verhindern. Aber Elke Thiess vom BUND Leipzig sieht noch eine Menge Klärungsbedarf, was den Erhalt und das Nachpflanzen des Baumbestandes betrifft. Denn zur Parkstadt wird das Gebiet ja nur, wenn der von großen, wertvollen Bäumen geprägte Parkcharakter erhalten bleibt.

In dieser Hinsicht bleibe auch der Verwaltungsstandpunkt zum Antrag der Linksfraktion völlig diffus, stellt sie fest: „Während des gesamten bisherigen Planungsverlaufs gab es Unklarheiten in Bezug auf die Anzahl der Baumfällungen und Ersatzpflanzungen. Offenbar besteht hier bei Verwaltung und Umweltverbänden ein völlig unterschiedlicher Ansatz in der Interpretation der Planungsunterlagen. Auch der Verwaltungsstandpunkt Nr.VII-A-00948-VSP-01 des Dezernats für Stadtentwicklung und Bau lässt hier noch Fragen offen.“

Der BUND gehört zwar zu den Umweltverbänden, die sich im Planungsprozess qualifiziert äußern dürfen, was vom Gesetzgeber eigentlich so gedacht ist, dass die qualifizierten Einwendungen dann im Planungsprozess auch beachtet werden. Doch im Kräftespiel zwischen Investor, Planungsbehörde und Umweltverband sitzt der BUND am kürzeren Hebel, darf sich über ein paar kleine Zugeständnisse freuen, hat aber in der jetzigen Phase keine Chance mehr, weitere Änderungen zu fordern. So stellt Elke Thiess die Besorgnisse des BUND jetzt als Einwohneranfrage, die vielleicht auch am heutigen Nachmittag beantwortet wird.

Und auch die Fraktionen von SPD und Freibeutern sehen die seltsame Scheu der Leipziger Verwaltung, hier wirklich einmal eine Minderung der Autostellplätze zu verlangen und die wirklich umweltfreundlichen Verkehrsarten zu bevorzugen.

Sie haben gemeinsam einen Änderungsantrag geschrieben, der zumindest erst einmal knapp zusammenfasst, wo man ansetzen könnte: „Die Stadt prüft, ob im Zusammenhang mit einer verbesserten ÖPNV-Verbindung auf einen Teil der Stellplätze verzichtet werden kann oder ob Teile der Stellplätze in Car-Sharing-Flächen oder Fahrradabstellgaragen gewandelt werden können und legt dem Stadtrat dazu ein entsprechend abgestimmtes Konzept vor.“

Die Linksfraktion hat ihre neue Position jetzt in einem neu gefassten Antrag formuliert.

Stellplatzzahl in der Parkstadt Dösen reduziert sich deutlich und die Streuobstwiese bleibt erhalten

Stellplatzzahl in der Parkstadt Dösen reduziert sich deutlich und die Streuobstwiese bleibt erhalten

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Es gibt 3 Kommentare

Liebe SPD, wie viele Jahrzehnte hattet ihr Zeit, genau das in Leipzig umzusetzen? Nein, was wir hier haben, ist genau das Ergebnis eurer Politik. Ja, ich weiß, da seid ihr leider nicht die einzigen, sondern in guter Gesellschaft.

Genau das war Inhalt eines Änderungsantrages von SPD und Freibeutern, auch in dieser Deutlichkeit das Angebot zu verbessern statt zu reglementieren. Er fand leider keine Mehrheit.

Ja so wird das tatsächlich nichts mit dem Lebensraum für Menschen, die wirklich einmal ohne Auto leben wollen, möglichst naturnah mit einem geschützten Baumbestand. Wenn dann die Kapazitäten der Parkhäuser und Tiefgaragen im Randbereich zusammengestrichen sind, werden die Fahrzeuge tatsächlich wieder in den Quartiersstraßen auf jedem freien verfügbaren Fleck geparkt stehen. Unternehmer schaffen genau die Angebote, zu denen es eine Nachfrage gibt und am Ende muss auch noch etwas vom Erlös übrigbleiben. Traditionelle Angebote zu reglementieren, ohne eine progressive Nachfrage zu fördern, hinterläßt erstens eine Lücke, mit der die tatsächlichen Nutzer dann in ihrer realen Lebenswelt irgendwie zurecht kommen müssen und es durch “kreatives” Parken auch werden (s. o.). Keine Hürde ist zu hoch, als dass sie nicht irgendwie zu umgehen wäre. In dieser Region hier gibt es doch zum Umgang mit Reglementierungen vierzig Jahre lang gesammelte Erfahrungen. Auch machen zweitens realitätsferne Reglementierungen Unternehmungen uninteressant mit allen Folgen für die Gesellschaft. Die Lösung muss doch sein, auf der Nachfrageseite zu lenken oder progressiv zu fördern (z. B. durch gutes ÖPNV-Angebot) und nicht zu reglementieren/verbieten oder es alternativ als öffentliche Hand gleich selbst zu unternehmen.

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