Der Promenadenring ist ein Spezialfall, in den 1970er Jahren gebaut, als Leipzigs Planer keine Rücksichten nehmen mussten auf den Radverkehr, ist er heute für Radfahrer/-innen ein einziges Provisorium voller Leerstellen. Und Leipzigs Verkehrsplaner von heute tun sich schwer, endlich sichere Radstreifen überall dort anzulegen, wo heute der Kraftverkehr die ganze Straße belegt. Mit der letzten Auskunft des VTA ist der Stadtbezirksbeirat Leipzig-Mitte jedenfalls nicht zufrieden.

Denn nachdem das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) in diesem Jahr endlich jenes Straßenstück mit Radstreifen markiert hat, das eigentlich schon 2020 aufgetragen werden sollte, erleben Radfahrer/-innen, die es benutzen, dass viele Kraftfahrer hier noch immer genauso rasen und drängeln wie in der Zeit ohne Radstreifen.Dabei hatte das VTA zwei Antragspunkte durchaus positiv aufgegriffen. Es ist ja nicht so, dass das VTA nicht seit 2018 daran arbeitet, auf dem Ring sinnvolle Radverkehrsanlagen zu planen. Einen Vorschlag wollte es eigentlich 2022 erst vorlegen. Aber mit dem OBM-Wahlkampf 2019 war neuer Druck entstanden, findet es die Stadtratsmehrheit nicht mehr wirklich akzeptabel, dass die Belange des Radverkehrs immer zurückstehen müssen, wenn es im Rathaus an Planern fehlt.

Oder an Geld. Oder wieder mal ein erboster Funktionär seine Position dazu nutzte, seinen Widerspruch öffentlich zu verkünden. Denn Tatsache ist auch, dass gerade der konservative Teil der Stadtpolitik gar nicht gewillt ist, die Mobilität in Leipzig tatsächlich neu zu denken und sich vom gewohnten Bild der autogerechten Stadt zu verabschieden.

Denn augenscheinlich fällt es ungemein schwer, den Anblick von Radfahrer/-innen dort zu tolerieren, wo 50 Jahre lang ausschließlich motorisierte Fahrzeuge Betrieb machen durften.

Aber wir sind an einer Zeitenwende. Und die spielt sich eben nicht nur in Nebenstraßen ab. Die passiert auch vor aller Augen mitten im Herzen der Stadt – und ob der faule Kompromiss zur „autoarmen Innenstadt“, den der Stadtrat Mitte der 1990er Jahre geschlossen hat, noch lange haltbar ist, darf bezweifelt werden.

Da das VTA dem zweiten und dritten Antragspunkt aus dem Stadtbezirksbeirat zugestimmt hat, kann man schon mal davon ausgehen, dass das genauso auch passieren wird. Der zweite lautete: „Der Oberbürgermeister prüft die Einordnung eines Radfahrstreifens zwischen Gottschedstraße und Rudolphstraße sowie zwischen Lotterstraße und Runder Ecke.“

Denn dieses Stück ist ein reines Ärgernis. Zwar „dürfen“ Radfahrer/-innen jetzt ab der Gottschedstraße weiterfahren, müssen sich aber in den Mischverkehr einordnen. Was auf der Fahrt bis zur Karl-Tauchnitz-Straße ein ziemlicher Husarenritt ist.

Der dritte Punkt lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Arbeitstreffen der Verwaltung zum Radverkehr auf dem Promenadenring unter Beteiligung der Vertreter der Verbände aus der AG Rad sowie den Runden Tisch Radverkehr fortzusetzen.“

Was zwangsläufig passieren muss, wenn Leipzig bei der Schaffung eines wirklich durchgehenden Radnetzes sichtbar vorankommen will.

Aber da war noch Punkt Nummer eins, dessen Umsetzung das VTA nicht für dienlich hielt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den neu eingerichteten Radfahrstreifen auf dem Dittrichring unverzüglich durch Poller oder Leitboys gegenüber der angrenzenden Kfz-Spur abzusichern.“

Denn hier werden oft weder Abstände beim Überholen eingehalten, noch die markierten Linien. Das VTA war hier der Meinung, die Anlage wäre sicherer, wenn sie wie alle anderen Radfahrstreifen in Leipzig gestaltet wäre – also als deutliche Straßenmarkierung, aber ohne Poller.

Aber der Stadtbezirksbeirat Mitte hält an seinem ursprünglichen Beschlussvorschlag 1 fest und begründet das auch.

„Es besteht Einigkeit darüber, dass Sicherheit auf Leipziger Straßen für alle Verkehrsteilnehmer/-innen die höchste Priorität genießt. Mit der Anordnung des Radfahrstreifens auf dem Dittrichring in seiner jetzigen Form sieht der SBB Mitte diese Priorität nicht ausreichend beachtet. Die Dichte und Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs in unmittelbarer Nähe zum 1,50 m breiten Radfahrstreifen (einschließlich 25 cm Markierung) stellt insbesondere für ungeübte Radfahrer/-innen und breite Gefährte wie Lastenräder und Kinderanhänger ein erhebliches Risiko dar. Das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Leipziger/-innen wird sie an dieser Stelle davon abhalten, den geschaffenen Radstreifen zu nutzen“, geht der Stadtbezirksbeirat auf die gefühlte Sicherheit auf dem Radstreifen ein.

Und geht noch einen Schritt weiter: „Eine Kfz-Fahrspurreduzierung und damit einhergehend ein breiterer, sichererer Radfahrstreifen auf dem Dittrichring wäre sehr wünschenswert. Solange dies nicht gegeben ist, soll der vorhandene Radfahrstreifen zumindest baulich sicher vom Kfz-Verkehr abgetrennt werden. Im Übrigen schreibt auch die VwV StVO zu § 2 Abs.4 vor: ‚Werden Radfahrstreifen an Straßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr angelegt, ist ein breiter Radfahrstreifen oder ein zusätzlicher Sicherheitsraum zum fließenden Verkehr erforderlich.‘ Von starkem Kfz-Verkehr ist an dieser Stelle sicherlich auszugehen, sonst wäre die Möglichkeit der Spurreduzierung ja bereits gegeben gewesen. Wenn weder breitere Radfahrstreifen noch ein zusätzlicher Sicherheitsraum umgesetzt werden können, ist eine bauliche Abtrennung das gebotene Mindestmaß an Vorkehrung, das die Stadt hier treffen muss.“

Wünschenswerter wäre freilich gewesen, das VTA hätte schon ein Komplettpaket für die Radwegeführung um den Ring vorgelegt, auf die die Radfahrer der Stadt ja nun seit 2012 warten. Und dieses Paket dann auch in einem Zug umgesetzt. So wird das wieder ein Stückwerk, bei dem auch die Kraftfahrer immer anderen Abschnitten von Radanlagen begegnen. Was die Sache keineswegs sicherer macht.

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