Rund um das ehemalige Kinogebäude in der Eisenbahnstraße 162 – das manche schon im Flüsterton die neue Fortuna des Ostens nennen – regt sich dieser Tage wieder mehr Leben. Die Interessensgemeinschaft (IG) Fortuna | Kino der Jugend bereitet sich auf ihren siebenten Geburtstag vor und wird diesen mit einem breiten Rahmenprogramm gebührend zelebrieren. Auch wenn es immer noch keinen Vertrag für den alten Kinobau gibt.

Die Bauhelm-Festspiele finden vom Freitag, 2. September, bis Sonntag, 11. September, statt. Besondere Herausforderung dabei: Der alte Kinosaal selbst ist nur sehr eingeschränkt betretbar. Alle Veranstaltungen im Inneren können daher nur in Minimalbesetzung und mit Bauhelm stattfinden.

Der gesamte Raum wird angereichert mit Projektionen und Lichtinszenierungen. Die Veranstaltungen werden vom nicht betretbaren Innenraum nach außen auf eine große Leinwand an der Rückseite für Publikum übertragen. Später werden die Filme per Monitor als Guckkasten-Kino dauerhaft einen Blick nach innen erlauben.

Als krönender Abschluss wird am Sonntag, 11. September, zum Tag des offenen Denkmals um 20 Uhr Tino Standhaft & Band live im Konzert zu erleben sein. Die Musiker gehörten 1987 zu den letzten, die im ehemaligen „Kino der Jugend“ auftraten, bevor es geschlossen wurde.

Darüber freut sich Gabi Sergel von der IG Fortuna besonders: „Es ist wie eine Zeitreise. Nach 35 Jahren Tino und seine Jungs noch einmal live im „Kino der Jugend“ erleben zu dürfen. Einfach legendär!“

Das Konzert steht sinnbildlich für den Ansatz der Interessengemeinschaft, das alte Kinogebäude nicht nur als vergangenen Ort wieder in Erinnerung zu rufen, sondern diesen auch als Ort der Zukunft, als lebendige Industriearchitektur, als einen Raum in fortwährender Transformation zu inszenieren.

Das ehemalige Kino der Jugend. Foto: IG Fortuna, Matthias Mehlert
Foto: IG Fortuna, Matthias Mehlert

Thomas Szabo, der für die IG das Programm der Bauhelm-Festpiele erarbeitet hat, erklärt die Idee: „Ein Veranstaltungsraum, den eigentlich niemand betreten darf – das kennen viele unfreiwillig durch die Pandemie. Diesen Umstand wollen wir nutzen, indem wir den gesamten Raum zur Bühne, zum Bühnenbild und zum Kern der Erzählung erklären.“

Das Programm der zweiwöchigen Festspiele umfasst Lesungen, Sommerkino, Licht- und Soundinstallationen, Musik und Tanz.

Der komplette Programmablauf findet sich auf der Homepage der IG Fortuna.

Möglich ist das alles aber nur Dank der kooperativen Unterstützung der Abteilung für Stadtbeleuchtung, auf deren Flächen rund um das Kinogebäude die Engagierten der IG Fortuna nach wie vor größtenteils ausweichen müssen.

Denn ein Rechtstitel für den neuen Standort scheint weiter nicht in Sicht. Auf den Grund angesprochen, zeigt Daniel Schade, einer der Sprecher der IG, auf das Nebengebäude, das Teil der Ausschreibung war.

Warum es noch immer keinen Erbbaupachtvertrag gibt

„Das Verkehrs- und Tiefbauamt benötigt eine Ausgleichsfläche. Und wir können ohne das Nebengebäude unser geplantes Konzept des integrierten Bauens & Nutzens nicht verwirklichen. Das Szenario einer jahrelangen Baustelle ohne soziokulturelle Nutzung ist für uns inakzeptabel. Denn die Bedarfe im Viertel sind akut und nicht irgendwie aus der Luft gegriffen“, so Schade.

Federführend bei der Ausschreibung war und ist das Liegenschaftsamt. Auf Anfrage durch den Stadtrat Thomas Kumbernuß (Anfrage – VII-F-07399) am 13. Juli 2022 teilte es lediglich mit: „Die Verwaltung ist bestrebt, auf dem originären Grundstück der Abteilung Stadtbeleuchtung des VTA einen Ersatzstandort für das Inventar der in Rede stehenden Lagerhalle zu stellen. […] Die Stadt Leipzig besitzt im Quartier keine geeigneten Ersatzflächen.“ (VII-F-07399-AW-01)

Daniel Schade zuckt mit den Schultern. „Schön und gut, aber ohne eine zeitliche Perspektive ist es für uns einfach nicht möglich, sinnvoll und verlässlich zu planen. Unsere Partner von der Sächsischen Aufbaubank und der Bank für Sozialwirtschaft erwarten das aber.“

Dabei geht es der IG Fortuna nicht nur um die Nutzflächen im Nebengebäude, um dort Kunst und Kultur zu ermöglichen, während der alte Kinosaal in der ersten Bauphase kaum zugänglich ist. Die alten Bestandsgebäude sollen auch so saniert werden, dass sie sich später vollständig selbst mit Strom versorgen können. Leisten wird das eine Photovoltaik-Anlage auf den enormen Dachflächen und ein Kälte-Wärme-Speicher, der zwischen Haupt- und Nebengebäude im Boden versenkt wird.

„Da fangen die Probleme an. Mit welchen Flächen können wir wann rechtssicher planen? Inwieweit kann das Dach des Nebengebäudes genutzt werden?“

Für die IG geht es dabei auch um notwendige Einnahmen. „Wir werden ja anfangs mehr bauen als kulturell nutzen können. Den entsprechend weniger benötigten grünen Strom könnten wir verkaufen und so eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen“, so Schade. In der IG ist man jedoch weiter zuversichtlich, dass sich die Verwaltung letztlich bewegen werde. „Wir spüren alle den Willen, nur manchmal fehlt einfach der Zug zum Tor.“

Diesen momentanen Planungsunsicherheiten zum Trotz konzentriert sich die IG Fortuna | Kino der Jugend jetzt erst einmal voll und ganz auf die erfolgreiche Durchführung der Bauhelm-Festspiele. Wer dabei noch unterstützen will, kann sich gern unter folgender Adresse melden: stadtkultur@ig-fortuna.de. Jede/-r ist herzlich willkommen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar