Am Montagabend, 20. Februar 2022, demonstrierten circa 400 Menschen in Eilenburg gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerber/-innen. Teilnehmer der Demonstration verhielten sich dabei verbal und körperlich aggressiv gegenüber dem Gegenprotest mit rund 80 Teilnehmenden. Auch Journalist/-innen wurden Ziel von Anfeindungen und Angriffen und es kam zu Diskussionen mit der Polizei. Zu der Demonstration unter dem Titel „Eilenburg wehrt sich“ hatten die Freien Sachsen, AfD-Politiker und weitere organisierte Neonazis aus Eilenburg aufgerufen. Asylsuchende selbst kamen an diesem Tag nicht zu Wort.

Am 18.01.2023 hatte das Landratsamt Sachsen angekündigt, dass bis Ende des Jahres voraussichtlich 1.500 Asylantragsteller in Sachsen untergebracht werden würden. Dafür würden temporäre Unterkünfte am Schanzberg in Eilenburg und in Strelln für jeweils 100 Menschen, sowie an weiteren Orten aufgestockt oder geschaffen. Dagegen hatte es massiven Protest in Strelln und in Laußig gegeben.

Schon vor Beginn des linken Gegenprotests am Eilenburger Marktplatz äußerte die anmeldende Person der LZ gegenüber Angst vor den organisierten und gewaltbereiten Nazis, die seit Jahren in Eilenburg aktive Linke bedrohten. Der rassistische Protest von rechts dürfe in Eilenburg keinen Platz haben.

„Wir wollen, dass Menschen hier Schutz finden, willkommen sind und selbstständig hier leben und sich integrieren können“, sagte auch Marco Böhme, Landtagsabgeordneter für Die Linke. Daher sei eine starke Zivilgesellschaft nötig, die sich entgegenstellt, „wenn Nazis herumschreien“, so Böhm weiter.

Laut Polizeisprecher Olaf Hoppe war die Polizei mit knapp 100 Beamten vor Ort, rechnete aber nicht mit gewalttätigen Auseinandersetzungen. Zu dem Gegenprotest hatten die Linksjugend Nordsachsen aufgerufen, Leipzig nimmt Platz und Aktion Antifa Leipzig hatten sich angeschlossen.

Die AfD und falsche Tatsachen

Die rechte Anfangskundgebung war durch das Ordnungsamt aufgrund des Rosenmontagsumzugs vom Markt auf einen innenstadtnahen Parkplatz verlegt worden. Den Tenor der Reden vor Ort bildeten Pauschalisierungen und Anfeindungen von Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen. Dabei sprachen sächsische AfD-Politiker/-innen, wie der Vorsitzende der AfD-Kreistagsfraktion Rico Winterlich, der sich mit Anträgen seiner Fraktion im Kreistag schmückte.

„Antrag Nummer 1: Rückführungsoffensive starten, für Leute, die nicht in dieses Land gehören. Und der 2. Antrag: betreffs diese UMAs, unbegleitete Jugendliche, wie auch immer, 14 Jahre, Vollbart, graue Haare, medizinisch zu untersuchen und die Altersfeststellung durchführen zu lassen.“ Lauter Applaus.

Damit reiht sich Winterlich in die rassistisch motivierten Argumentationen ein, die nicht erst seit gestern in Sachsen aufgefahren werden – mit falschen Aussagen werden Asylsuchende pauschal als Lügner dargestellt, mit dem Ziel, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Dabei wird außer Acht gelassen, dass medizinische Altersfeststellungen sehr ungenau und oft falsch sind. Auch, dass es ein aufgezwungenes und menschenverachtendes Verfahren ist, dass Minderjährige in Deutschland im Zweifel noch zusätzlich über sich ergehen lassen müssen, wird mit keinem Wort erwähnt.

Gegen 19:15 Uhr setzte sich der rechte Demozug in Bewegung. Kaum Sprechchöre, nur Pfeifen war zu hören.An der Spitze des Aufzuges wurden AfD-Banner und -Schilder getragen, dazu Fahnen der Freien Sachsen und vereinzelte Friedens- und Russlandfahnen. Auch eine Flagge der vor allem in der DDR wichtigen Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ flatterte über der Demo.

Einige Kinder liefen in dem Aufzug mit, auch schwarz vermummte Jugendliche, einer mit einem „Ruhm und Ehre“-Pullover. Insgesamt war der Altersdurchschnitt des „Spaziergangs“ aber deutlich höher. Gegen zahlreiche Bierflaschen aus Glas in der Demo sowie vermummte Teilnehmende schritt die Polizei nur mit vereinzelten Ermahnungen ein.

Linker Gegenprotest

Auf dem Samuelisdamm wurde die Demo von einer Sitzblockade angehalten, welche kurz darauf als legale Versammlung angezeigt wurde. Die rechte Demonstration reagierte auf den zwangsweisen Stopp aggressiv.

Es wurden sexistische Beleidigungen gerufen und dass die „doch mal arbeiten gehen“ sollten. Die erste Reihe, die vor allem aus älteren Männern bestand, diskutierte aggressiv mit der Polizei, man solle die „Kinder“ doch einfach wegräumen.

Von Einzelnen wurde versucht, die Polizeikette zu durchbrechen und die Demo nach vorn zu ziehen, was aber nicht gelang. Vermehrt wirkten männliche Teilnehmende des rechten Aufzugs stark alkoholisiert.

Zwei Teilnehmer/-innen der linken Blockade und Versammlung wurden durch die Polizei wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das Vermummungsverbot einer Maßnahme unterzogen. Auch auf der Versammlung der Linksjugend am Marktplatz erhielten mehrere Teilnehmende deswegen Anzeigen. Inwieweit der Vorwurf des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot aufgrund einer FFP2-Maske und einer Mütze bei kaltem Februar-Wetter begründet ist, blieb unklar.

Beleidigungen und Angriffe gegen die Presse

Auch Angehörige der vor Ort arbeitenden Presse wurden immer wieder aggressiv beschimpft, etwa mit dem bekannten Slogan, sie mögen doch mal arbeiten gehen. Von Anfang an wurden Menschen, die durch Kameras und Ausweise erkenntlich waren, gefilmt und verbal angegriffen, garniert mit Sprüchen wie „Masken runter“ (auf FFP2-Masken bezogen) oder „Zeigt Gesicht“.

Die freie Berichterstatterin Kili Weber und ihr Begleitschutz wurden dabei, wie auf Twitter berichtet, von einer Gruppe Menschen eingekesselt, die zu dem rechten Aufzug gehörten. Eine der begleitenden Personen zerrte man kurzerhand in die rechte Versammlung hinein, sodass die Polizei eingreifen musste.

Dass die vor allem durch die rechte Versammlung verbreitete, aggressive Stimmung letztlich nicht zur Eskalation führte, ist ein Glück. Trotzdem bleibt zu bedenken, welchen Reaktionen Asylsuchende ausgesetzt werden, wenn sie in Eilenburg untergebracht werden.

Fazit des Abends: Es bleibt viel Arbeit bis hin zu einem Klima, in dem die Menschen ohne Angst leben können.

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