Die vergangenen Hitzejahre haben gezeigt, dass es in vielen Leipziger Straßen an kühlendem Grün fehlt. Und es sind nicht nur Umweltverbände, die dafür kämpfen, dass sich das ändert. Zur Ratsversammlung am 8. Februar hat der Stadtbezirksbeirat Altwest einen entsprechenden Antrag eingebracht: „Erhöhung der Lebensqualität mit blau-grünen Seitenstraßen in Leipzig Alt-West“. Folge: Aus einzelnen Baumstandorten sollen richtige grüne Streifen werden.

Oder im Antragstext: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die aktuellen Pläne zur Straßenraumgestaltung (bspw. die Straßenbaumbepflanzung) in Lindenau oder Altlindenau zu qualifizieren, indem einzelne Baumpflanzungen (sog. Flex-Streifen) zu blau-grünen Korridoren (siehe BlueGreenStreets 2022, S. 25ff.) ausgeweitet werden.“

Der Antrag des Stadtbezirksbeirats Altwest.

Das ist bislang der direkteste Vorstoß aus einem Stadtbezirk, die Aufenthaltsqualität im Stadtquartier spürbar zu erhöhen: „Das Querschnittsthema Aufteilung Verkehrsraum des Nachhaltigkeitsszenarios der Mobilitätsstrategie 2030 gibt die Umnutzung des Straßenraums vor. Das wesentliche strategische Ziel der Stadt Leipzig, das mit diesem Antrag verfolgt wird, ist die Erhöhung der Lebensqualität durch mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Ein weiteres Ziel ist die Klimaanpassung durch hitzevorsorgende und wassersensible Straßenräume“, formulierte der Stadtbezirksbeirat Altwest sein Anliegen.

„Bestehende Programme, wie das Straßenbaumprogramm bzw. die Straßenbaumbepflanzung in Leipzig Alt-West (im Jahr 2022 und in den darauffolgenden Jahren) sollen als Ansatzpunkt genutzt werden, um von der ‚autofreundlichen‘ Stadt wegzukommen und die Belange aller Anspruchsgruppen zu berücksichtigen (siehe VII-DS-00547-NF-01, Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig – Rahmenplan zur Umsetzung, S. 11).“

Schöner wohnen in Lindenau und Altlindenau

Und die gesellschaftlichen Vorteile bei der Umnutzung hat der Stadtbezirksbeirat auch gleich aufgezählt:

Verbesserung des Mikroklimas
Aufwertung der Wohn- und Lebensqualität
Verbindung von Verkehrsraum und Erholungsraum
Erhöhung der Verkehrssicherheit
Förderung des Umweltverbundes (insb. Fuß- und Radverkehr)
Reduzierung des Parksuchverkehrs
Reduzierung der Lärm- und Abgasbelastung

„Insbesondere sollen durchgehende, blau-grüne Korridore auf einer Seite der Seitenstraßen mit Bäumen und Sträuchern, Verdunstungs- und Versickerungsmulden, Bänken und Brunnen oder Handschwengelpumpen etc. hergestellt werden“, beschreibt der Antrag das, was sich die Mitglieder des Stadtbezirksbeirates vorstellen.

„Der blau-grüne Korridor auf einer Straßenseite kann durch das Umstellen von der Längst- auf die Schrägaufstellung auf der anderen Straßenseite ergänzt werden (wie in der Endersstraße in Lindenau). Damit wird die Stellplatzanzahl kaum verringert. Mit der zunehmenden Zielerreichung des angestrebten Modal Split der Mobilitätsstrategie 2030 geht die Reduzierung privater PKW im öffentlichen Straßenraum einher. Sodann können entweder sog. Flex-Streifen hergestellt oder wieder auf die Längstaufstellung zurückgestellt werden.“

Einbahnstraßen und Parkraumbewirtschaftung

Um den nötigen Platz zu gewinnen, sollen mehrere Straßen zu Einbahnstraßen werden und eine Parkraumbewirtschaftung in den Betrachtungsgebieten soll geprüft werden.

Und für die Autoliebhaber, die sich von ihrem Gefährt nicht trennen möchten: „Brachflächen, ebenerdig genutzte Parkplatzflächen (wie am Henriettenpark) und ungenutzte Tiefgaragen (siehe Verkehrskonzept Leipzig Lindenau) sollen im Hinblick auf die Bereitstellung von gebührenpflichtigen Quartiersgaragen untersucht werden.“

Aber natürlich geht das auch anders: „Um weiter Flächen zu gewinnen bzw. Parkdruck zu reduzieren, ist das Substitutionspotenzial für Stellplätze für private Pkw durch die Einrichtung von Carsharing Stellplätzen zu nutzen. Eins der folgenden Quartiere soll Gegenstand der Planung sein: entweder Lindenau zwischen Karl-Heine-Straße und Lützner Straße sowie Gießer-/Henriettenstraße und Zschochersche Straße (siehe Abb. 1); oder Altlindenau zwischen Merseburger Straße und Rietschelstraße sowie Prießnitzstraße und Apostel-/Roßmarkstraße (siehe Abb. 2).“

Sieben Straßen werden noch 2023 geprüft

Das Verkehrs- und Tiefbauamt hat dem Antrag übrigens zugestimmt. In Altlindenau hat man sogar schon Planungen (Vorplanungsstand) für Straßenbaumpflanzungen nach Zwickauer Modell in Bearbeitung:

Diakonissenstraße zwischen Ahlfeldstraße und Spittastraße
Dürrenberger Straße zwischen Lützner Straße und Demmeringstraße
Erich-Köhn-Straße zwischen Merseburger Straße und Georg-Schwarz-Straße
Flemmingstraße zwischen Georg-Schwarz-Straße und William-Zipperer-Straße
Großmannstraße zwischen Wielandstraße und Georg-Schwarz-Straße
Hempelstraße zwischen William-Zipperer-Straße und Paul-Küstner-Straße
Mühligstraße zwischen Rietschelstraße und Hahnemannstraße

Die Stellungnahme des VTA.

„Diese Abschnitte werden nach den Maßgaben einer klimaresilienten Stadt qualifiziert, in dem sie entsprechend der Starkregengefahrenkarte und der Stadtklimaanalysekarte vor und nach der Umsetzung analysiert werden“, schreibt das VTA.

„Darauf folgend wird ermittelt, in welchen der genannten Straßenabschnitte die Ergänzung der aktuellen Planung der Baumstandorte durch blau-grüne Korridore den meisten Effekt im Sinne der Versickerung bei Starkregen und der Kühlung der Straße bei extremer Hitze erzielt. Abschließend soll dann eine mögliche Umsetzung in den ermittelten Straßen evaluiert werden. Hierbei soll der Fokus darauf liegen, wie die Strukturen der Verwaltung gestärkt werden müssen, um blau-grüne Korridore auf Anliegerstraßen mit evaluiertem Bedarf in der gesamten Stadt angegangen werden können.“

Über den Stand der Umsetzung soll der Stadtbezirksbeirat im vierten Quartal informiert werden. Und eine Diskussion darüber gab es am 8. Februar in der Ratsversammlung gar nicht erst, sodass der Antrag des Stadtbezirksbeirats Altwest direkt abgestimmt werden konnte und mit 37:22 Stimmen eine klare Mehrheit bei zwei Enthaltungen erhielt.

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Es gibt 6 Kommentare

@fra
Die stehen auf dem Fußweg, weil Abstellmöglichkeiten fehlen. Insbesondere an Schulen und Kitas. An der Grundschule meines Kindes (in Lindenau) herrscht sogar die direktorische Meinung, dass Grundschüler zu Fuß kommen, daher müsse man sich nicht um Abstellmöglichkeiten für Fahrräder kümmern. Nicht für Eltern die ihre Kinder bringen/abholen, aber auch nicht zum abstellen für die Schüler während der Schulzeit. Geht halt komplett an der Lebenswirklichkeit vorbei, vorallem wenn der Schulbezirk so ungünstig gelegen ist dass man zu Fuß mitunter 20 Minuten zu Fuß unterwegs ist und Eltern ja oft auch noch weiterführende Wege haben. Das neben dem Fußweg Autos stehen wird halt als ganz normal angesehen, da regt sich auch keiner auf wenn im Wendehammer geparkt wird usw..

@Cutter00
Ihre Beschreibung ist sehr farbenfroh, besonders da man das auch auf Fahrräder beziehen kann. Wie letzten vor dem Kindergarten in der Windscheidstraße, wo rund 50 Fahrräder (einige mit Kinderanhänger, andere als Lastenfahrrad) den ganzen Fußweg vollstanden. So das man die Seite wechseln musste.

Wenn ich Sie richtig verstehe, User “Cutter00”, dann kann ich mir die Apostrophe wegdenken, also soll “autofreundliche Stadt” buchstäblich gemeint sein. Ich hatte wirklich gehofft, daß die Antragsteller (und deren Unterstützer) eine gewisse Selbstironie haben, es also nicht ganz buchstäblich meinen. Nichts ist einzuwenden gegen, ich möchte sagen, blühende innerstädtische Straßen, nichts gegen Trottoirs, die gut passierbar sind, nichts gegen Velos aller Art im Straßenverkehr, nichts gegen Busse und Bahnen sowieso. Und nun wünschen Sie sich abertausende Autos, die aus einer Reihe von Gründen da sind, die Sie den Haltern fairerweise nicht alle aufhalsen können, schnellstens aus den Augen. So einfach ist es leider nicht. Was auch immer Aufenthaltsqualität in der Großstadt genau sein soll, aber es ist zu einfach, als Hauptgradmesser dafür Kfz anzusetzen. Und das Wort “massiv” ist ein Nullwort geworden, es schwirrt immer dann herum, wenn es vage wird.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen, jeder sieht die vielen Autos am Straßenrand und auf den Fahrbahnen. Derlei aber als “autofreundliche Stadt” zu denunzieren, reicht mir nicht. Ich sehe seit Jahrzehnten, daß sture Behinderungen des Radverkehrs existieren, die meisten seit den frühen Neunzigern, als auch in Leipzig haufenweise LSAs (heute LZAs) aufgestellt wurden. Bis heute ist es mir nicht im Traum eingefallen, mich aber deswegen in eine Anspruchsgruppe einzusortieren, die zu wenig berücksichtigt wurde. Denn ich weiß, daß ich als Velofahrer eben doch auch jetzt schon Privilegien habe, ich kann etwa durch den Park fahren (zu DDR-Zeiten durften bestimmte Parkwege nicht einfach befahren werden), ich kann mir allermeistens ungestraft erlauben, ohne Licht mit dem Rad rumzufahren, oder mit blinkendem Licht, was auch verboten ist, sowie in wachsendem Maße mit blendendem Licht, was keinen interessiert.

Wirklich, nichts gegen blühende Straßenränder, aber verzichten wir doch bitte auf den Repressionsgedanken, der alles vergällt.

@Urs: Ich weiß nicht, was sie sehen, ich sehe, an jeder Ecke, in jeder Straße, egal wo ich hinschaue rumstehendes (und fahrendes) Blech. Und darum geht es, weil es massiv die Aufenthaltsqualität mindert, teilweise verunmöglicht.
Darum freue ich mich sehr über den Antrag und hoffe auf baldige Umsetzung.

Schön, dass freut mich. Als nicht-autobesitzender Mensch sind das gute Nachrichten für mich. Und die Umwelt. =)

Danke für die Vorstellung des o.g. Antrags des Stadtbezirksbeirats Alt-West. Wo in Alt-West gibt es besondere Merkmale einer “‘autofreundlichen’ Stadt”? Daß die Autoren das Attribut in Apostrophe gesetzt haben, verwirrt mich.

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