Hauptsache dagegen. Selbst wenn Vorschläge aus den anderen Fraktionen vernünftig sind. So wie es der gemeinsame Antrag von Linksfraktion und Grünen-Fraktion war, bei der Planung für das Gebiet östlich der Brandenburger Straße auch Wohnbebauung mitzudenken. Die Stadt hatte zuvor nur einen Vorschlag zur Entwicklung als Gewerbegebiet gemacht. Und dann hängte sich die sinnfreie Diskussion am Wort „prüfen“ auf.

Und das, obwohl OBM Burkhard Jung schon zugestanden hatte, dass die Stadt den gemeinsamen Antrag von Grünen und Linken als Prüfantrag verstand und so übernehmen wolle. Dort hatte es geheißen: „Die Verwaltung wird beauftragt, unter Wahrung der strategischen Zielsetzungen alle Optionen von Wohnraum, z. B. im Rahmen von Mehrfachnutzungen und der ggf. teilweisen Ausweisung als urbanes Gebiet im Zuge der Erarbeitung des Auslegungsbeschlusses zu verfolgen.“

Ein urbanes Gebiet

Die Ausweisung von urbanen Gebieten ist mit der novellierten Baunutzungsordnung inzwischen möglich. Damit müssen verschiedene Nutzungen in einem städtischen Planungsgebiet nicht mehr strikt getrennt werden. Es ist im Grunde die Rückkehr des Gesetzgebers zur ursprünglichen Durchmischung der Stadt, wo Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkaufen und Erholung auf kompaktem Raum entstanden. Die Trennung aller Nutzungsmöglichkeiten ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts.

Mit dem Ergebnis, dass sich die Wege der Menschen zwischen Arbeit, Wohnen, Kita, Schulen, Einkauf und so weiter immer mehr verlängert haben und kaum noch ohne Auto zu bewältigen sind. Die Mobilitätsprobleme von heute haben fast alle mit dieser Trennung der städtischen Funktionen zu tun.

Brache an Brandenburger Straße unter blauem Himmel.
Freigeräumte Brache an der Brandenburger Straße. Foto: Sabine Eicker

Weshalb der Stadtrat die Stadt ursprünglich beauftragt hatte, an der Brandenburger Straße eine Nutzungsmischung im Sinne der urbanen Gebiete zu entwickeln, wie sie in der Baunutzungsordnung ermöglicht wird, wo es heißt: „Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein.“

Keine zusätzlichen Schallschutzmaßnahmen

Die Stadt aber hatte in ihrer Vorlage vor allem ein Gewerbegebiet skizziert. Und das relativ zentrumsnah. Wenigstens Teile des Gebietes sollten doch für eine Wohnnutzung geprüft werden, betonte in der Ratsversammlung am 20. September der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter. Unterstützt von Linke-Stadtrat Mathias Weber.

Doch sie konnten sich den Mund fusselig reden – CDU- und AfD-Fraktion wollten das nicht. Nicht einmal dann, als OBM Burkhard Jung betonte, dass er den Antrag als Prüfauftrag verstand und – wie Anja Feichtinger von der SPD-Fraktion das forderte – Wohnbebauung nur dort geprüft werden sollte, wo sie ohne zusätzliche Schallschutzmaßnahmen machbar wäre. Direkt an der lauten Brandenburger Straße wäre das natürlich nicht machbar.

Aber das Gebiet erstreckt sich weit ostwärts an der Rosa-Luxemburg-Straße und grenzt dort sowieso schon an bestehende Wohnquartiere. Es würde also Sinn ergeben, hier wenigstens zu prüfen, ob Wohnbebauung ohne zusätzliche Kosten für Schallschutz möglich wäre. Vor allem auch, weil Grüne und Linke den Hauptcharakter als Gewerbegebiet nicht infrage stellten und Wohnbebauung gar nicht im ganzen Areal forderten.

Keine Lust auf urban?

So hätte es Burkhard Jung auch in die Gesamtvorlage übernommen. Aber CDU-Stadtrat Falk Dossin bestand darauf, den Antrag von Grünen und Linken gesondert abstimmen zu lassen. Das sei immerhin ein zentrumsnahes Gebiet, das man ganz als Gewerbegebiet entwickeln könnte.

Also wurde extra abgestimmt. Mit dem erwartbaren Ergebnis, dass die Stadtratsmehrheit mit 31:18 Stimmen dem Antrag von Grünen und Linken zustimmte. Womit das Gebiet an der Brandenburger Straße übrigens das erste ist, das Leipzigs Planer nun – ein bisschen –  in Richtung eines urbanen Gebietes entwickeln sollen.

Wobei hinzu kommt – wie Burkhard Jung betonte – dass das Ganze erst ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan ist. „Wir sind noch ganz am Anfang des Verfahrens.“ Es ist also auch noch alles möglich, auch die Prüfung möglicher Wohnbebauung in ruhigeren Teilen des Geländes.

Und dann stand noch die Vorlage selbst zum Beschluss, die dann mit 44:1 Stimmen bei vier Enthaltungen eine deutliche Zustimmung fand.

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