Es war ein langer Weg bis zu diesem Stadtratsbeschluss vom 20. September. Aber Linke-Stadträtin Franziska Riekewald benannte auch den Hauptgrund dafür, warum es vom Aufstellungsbeschluss für den B-Plan Bayerischer Bahnhof bis zum Bebauungsplan selbst dann 13 Jahre gedauert hat. Hätte die Stadt selbst das einstige Bahngelände gekauft, stünden hier längst Wohnhäuser. Doch die Bahn hat nicht an die Stadt verkauft.

Sodass der Käufer des einstigen Bahngeländes immer am längeren Hebel saß und für die Stadt ein zäher Verhandlungspartner war, der – anders als die Stadt – auch keinen Zeitdruck hatte. Obwohl mit dem Aufstellungsbeschluss von 2012 schon klar war, dass die Stadt hier einige ihr wichtige Vorbedingungen durchsetzen würde. Denn schon damals beschloss der Stadtrat, dass es ein möglichst autoarmes Quartier mit öffentlichem Parkanteil werden sollte.

Die Karte zum Bebauungsplan Bayerischer Bahnhof.

Daran hat sich auch im Lauf der Verhandlungen nichts geändert, obgleich selbst die Stadtratsmitglieder im Bauausschuss merkten, wie zermürbend es werden kann, wenn der Grundstückseigentümer sich nicht festlegen will, Entscheidungen und Zugeständnisse herauszögert.

Ein Wohnquartier wohl eher für Gutverdiener

So gesehen war das, was da am 20. September zum Beschluss stand, tatsächlich ein Höhepunkt. Auch wenn ihn die Rednerinnen und Redner eher nicht feierten. Etwa Siegrun Seidel aus der CDU-Fraktion, die nun, da alles bis ins zäheste Detail ausgehandelt ist, wieder von ganz vorn anfing und die Frage nach – oberirdischen – Stellplätzen stellte. Als wenn genau das nicht eben durch die Stellplätze unter den Wohngebäuden geklärt worden wäre, weil genau das nicht mehr passieren sollte: Kolonnen von geparkten Autos vor oder hinter den entstehenden Wohngebäuden.

Die zum größten Teil dann wohl eher von gut verdienenden Bewohnern bewohnt werden, wie Linke-Stadträtin Franziska Riekewald feststellte. Denn die Stadt hat zwar durchgesetzt, dass auch hier 30 Prozent sozial geförderte Wohnungen entstehen.

Aber allein schon die heutigen Baukosten werden wohl dazu führen, dass die anderen 70 Prozent nicht nur Eigentumswohnungen werden, die dann vorrangig von gut betuchten Westdeutschen gekauft werden, sondern auch zu Mietpreisen vermietet werden, die mit 12 bis 14 Euro deutlich über dem Leipziger Mietdurchschnitt liegen.

Im Sinne eines autoarmen Quartiers …

Aber die Vorlage der Stadt betont auch, dass die wesentlichsten Ziele, die man seit 2012 verfolgt hat, nun im Bebauungsplan verankert sind:

„Bezahlbares Wohnen“, indem im Bebauungsplan Festsetzungen und im städtebaulichen Vertrag Bindungen getroffen werden, die die Umsetzung der 30 %-Quote von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnungsbau sicherstellen.

„Balance zwischen Verdichtung und Freiraum“, indem u. a. durch die Festsetzung von öffentlichen Grünflächen im östlichen Plangebiet die Bereiche parallel zur S-Bahn-Trasse von Bebauung freigehalten werden. Hierdurch wird die vorhandene Ventilationsbahn gesichert und die Grünflächenversorgung in den angrenzenden Stadtquartieren verbessert.

„Zukunftsorientierte Kita- und Schulangebote“, indem mit dem Bebauungsplan Planungsrecht für eine Kita geschaffen wird.

Dazu kommt, dass das Gelände endlich geöffnet wird und seine Barrierewirkung verliert und der Stadtpark Wirklichkeit wird, mit dem dann auch ein paar Ausgleichsmaßnahmen aus der Zeit des Baus des City-Tunnels umgesetzt werden können.

Zur Stellplatzfrage formuliert die Vorlage ebenso deutlich: „Steuerung der Zulässigkeit von Stellplätzen als Voraussetzung für die angestrebte Dichte und zur Verringerung der Dominanz von Automobilen im öffentlichen Raum im Sinne eines autoarmen Quartiers“. Was eigentlich auch nur der Stand von 2012 ist und nicht wirklich der Stand des Jahres 2023.

Es ist nur ein kleiner Schritt hin zu einer Stadt, in der das Automobil nicht mehr seine alte, dominierende Rolle spielt.

Anpassung an den Klimawandel

Und hier muss endlich auch das Kapitel Schwammstadt aufgeschlagen werden. In der Vorlage heißt es dazu: „Anpassung an den Klimawandel, in dem das neue Stadtquartier möglichst robust gegen die Folgen der Klimakrise, insbesondere der Gefahren, die sich aus Starkregenereignissen und Hitzeperioden ergeben, entwickelt wird.“

Das sind die eigentlichen Herausforderungen der Zeit. Und Leipzig ist an den Klimawandel noch überhaupt nicht angepasst. Schwammstadt ist erst einmal nur eine schöne Parole, keine Realität. Schon gar nicht in der dichtbebauten Innenstadt.

Und während am Bayerischen Bahnhof das Ringen um die Frischluftschneise zu einem gewissen Erfolg geführt hat, hat man am Wilhelm-Leuschner-Platz das Thema völlig vergeigt.

Aber gerade dieses zähe Ringen um das Gelände am Bayerischen Bahnhof hat gezeigt, wie bleischwer die Gewichte sind, die viele Beteiligte in den Denkvorstellungen der Vergangenheit festhalten und sie unfähig machen, die Forderungen einer sich wandelnden Realität ernst zu nehmen.

Trotzdem wolle man dem Bebauungsplan die Zustimmung nicht verweigern, so Siegrun Seidel.

Und so gab es eben keinen Änderungsantrag aus der CDU-Fraktion, über den abgestimmt werden musste. Bis auf eine Gegenstimme wurde der Bebauungsplan für das Quartier am Bayerischen Bahnhof am 20. September von der Ratsversammlung angenommen.

Jetzt kann das Stadtplanungsamt die Auslegung vorbereiten, damit auch die Bürger in die Papiere schauen können und nachlesen, was alles drinsteht.

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