Es ist ein Baudenkmal von europäischer Bedeutung, sagt auch Baubürgermeister Thomas Dienberg: die sogenannte Weidenhofsiedlung in Mockau, idyllisch gelegen zwischen Mockauer Straße und Abtnaundorfer Park. So würde manch einer gern wohnen. Aber auch in so einer Vorzeigesiedlung veralten nach 100 Jahren die Wasser- und Abwasserleitungen.

Die Kommunalen Wasserwerke Leipzig müssen das ganze Wassersystem jetzt komplett erneuern. Aber das schafft für viele Bewohner der Siedlung auf einmal unerwartet hohe finanzielle Belastungen. Da müsste eigentlich die Stadt helfen, fanden die CDU-Stadträte André Möllmer und Stefan Artmann.

Das fanden sie eigentlich schon im Frühjahr, als noch nicht absehbar war, mit welchem Hängen und Würgen der Leipziger Doppelhaushalt für 2025 und 2026 zur Genehmigung kommen würde. Aber absehbar, dass die Stadt über keine finanziellen Spielräume mehr verfügt, war da schon.

Weshalb die Behandlung ihres Antrags „Wasser-Abwasserbauvorhaben Weidenhofsiedlung als Vorteil nutzen und die öffentlichen Flächen erneuern“ in der Ratsversammlung am 29. Oktober dann letztlich in eine Diskussion um 100.000 Euro mündete. Die die Stadt eigentlich nicht hat. Die desolate Haushaltslage überschattet alles.

Das Anliegen selbst: nur zu verständlich. Auch aus Sicht von Thomas Dienberg.

Enorme Eingriffe in die Hausstruktur notwendig

„Die als ‚Weidenhofsiedlung‘ bekannten drei Wohnhöfe im südlichen Mockau wurden in den Jahren 1919 bis 1924 im Backsteinstile erbaut und erfreuen sich auch mit über 100 Jahren weiterhin großer Beliebtheit bei den Hauseigentümerinnen und -eigentümern. Mehr als 230 Wohneinheiten umfassen die drei Wohnhöfe, die neben dem namensgebenden noch den Erker- und den Pappelhof umfassen.

Damals wurde diese sehr kleinen Reihenhäuser einheitlich errichtet und mit einem gemeinsamen Innenhof als eine Art ‚kleines Rundmeilerdorf‘ umgesetzt. Dies eröffnet und fördert ein gemeinsames Miteinander in der Nachbarschaft“, begründeten André Möllmer und Stefan Artmann in ihrem Antrag das Ansinnen.

„Die bauliche Struktur hat aber auch Nachteile: Es handelt sich immer um ganz enge, kleine Wohneinheiten; mit dem heutigen Standard sind Wohnraumschnitte und -größen aber nicht mehr bzw. nur mit großem Aufwand zu vereinen. So müssen für die Abwasser- und Wasserversorgung enorme Eingriffe in der Infrastruktur und im Hausbestand nötig. Da auch die öffentlichen Flächen viele Jahre nicht angefasst wurden, kann das nun stattfindende Bauvorhaben gleich genutzt werden, um die öffentlichen Flächen grundhaft zu erneuern.

Damit die vorwiegend älteren Eigentümer nicht durch die notwendigen Planungen und Baumaßnahmen zur Verlegung von Wasser und Abwasser überfordert werden, soll das System der sog. Beraterarchitekten für die Weidenhofsiedlung wiederbelebt werden. Hierbei werden die Eigentümer in Bezug auf die Planung, Finanzierung und Umsetzung der Baumaßnahmen sowie zur Bildung von Baugemeinschaften beraten und unterstützt.“

Und diese Beraterarchitekten würden wohl 100.000 Euro kosten. Einmalig zu zahlen oder über mehrere Jahre. Auch das war eine Frage, weshalb die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag schrieb, diese Summe auf 100.000 Euro einmalig zu begrenzen. Aber auch dieses Geld ist in der Stadtkasse nicht frei verfügbar.

Die Stellungnahme der Stadt fehlt

Und dazu kam noch: Die Wasserwerke hatten zwar auch eine Stellungnahme zum Antrag geschrieben. Doch diese Stellungnahme wurde nie freigegeben. „Ich habe sie zurückgewiesen“, sagte OBM Burkhard Jung dann am Ende einer recht emsigen Diskussion, ob Leipzig die 100.000 Euro nicht doch irgendwie aufbringen könne.

Und ob „im Zuge der Sanierung des Gontardweges (und später der anderen Straßen)“ nicht auch gleich „alle öffentlichen Bereiche wie Gehwege, Straßen, Grünflächen u.ä. der als ‘Weidenhofsiedlung’ bekannten drei Wohnhöfe in Mockau-Süd erneuert und das Gesamtareal damit einer Aufwertung zugeführt“ werden können.

Die Stadt solle dazu mögliche Fördermittel einwerben.

Nur das Problem war: Die Stellungnahme der Stadt lag nicht vor. Eine Urteilsbildung im Stadtrat eigentlich unmöglich. Hat sich das Baudezernat nun um Fördermittel bemüht, damit die Straßen nicht nur aufgerissen werden, sondern auch gleich noch saniert? Oder stehen keine Fördermittel in Aussicht? War die Stellungnahme der Wasserwerke, die da irgendwo im System hängen blieb, jetzt wirklich so zustimmend?

Keiner weiß es. Oder darf nicht draus zitieren, weil die Stellungnahme nicht freigegeben ist. Es ging also nicht nur um 100.000 Euro, über die Baubürgermeister Thomas Dienberg in der klammen Haushaltssituation nicht verfügen kann. Es geht auch um die sachliche Einschätzung von Stadt und Wasserwerken, ohne die ein Urteil für Stadträte nicht möglich ist.

Letztlich stellte also Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, den Antrag, das ganze Anliegen noch einmal vier Wochen in die Novemberratsversammlung zu verschieben und bis dahin endlich auch die Stellungnahme der Stadt vorzulegen, damit die Stadträte sachgerecht entscheiden können. Das war zwar noch nicht das Ende der Diskussion.

Ein wenig ging es noch hin und her. Aber die Abstimmung über Peters Antrag war dann deutlich: Eine Mehrheit von 35:26 Stadträten stimmte dafür. Das Thema kommt also in der nächsten Ratsversammlung noch einmal zum Aufruf.

Wobei die Debatte erstmals so deutlich machte, wie sehr die in die Finanzklemme gebrachte Stadt jetzt auf einmal selbst kleine finanzielle Entscheidungen nicht mehr treffen kann. Und dabei wird es nicht bleiben, das ist jetzt schon absehbar.

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Mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hat sich Leipzig ein ordentliches Ei ins Nest gelegt. Man wertet mit dem Straßenausbau Privateigentum mit Steuergeld auf. Da wäre es nur richtig, wenn man die Hauseigentümer auch entsprechend beteiligt, immerhin verlangen die Hauseigentümer an einer sanierten Straße auch höhere Mieten und dürfen das auch über den Mietspiegel.
Weil man aber keine Straßenausbaubeiträge mehr erhebt, fehlt nun noch mehr Geld im Haushalt für Straßenausbau. Wird Zeit, dass man die entsprechende Satzung wieder aktiviert.

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