Am Freitag, 16. Juni, fand am Landgericht in Halle der erste Verhandlungstag des Prozesses DHL gegen eine der 54 Klimaaktivist/-innen statt, die im Juli 2021 gegen die Praxis des umweltschädlichen Frachtflughafens protestiert haben. Juristisch konnte sich vorerst nicht geeinigt werden. In den nächsten Wochen sollen nun weitere Prozesstermine folgen: am 18. Juli in Leipzig und am 19. Juli in Halle.

Zur Unterstützung der Angeklagten gab es einen Demonstrationszug vors Landgericht, berichtet die Kampagne „Repression Nicht Zustellbar“ vom ersten Verhandlungstag. Der Verhandlungssaal war brechend voll, unter lautem Applaus betrat die Angeklagte den Raum.

Das Gericht hatte zuvor strenge Kontrollmaßnahmen angeordnet: Alle Besucher/-innen wurden per Metall-Detektor durchleuchtet, teilweise bis in die Socken, Justizbeamte folgten den Unterstützer/-innen bis vor die Toilette. Vor dem Gerichtsgebäude fand eine Kundgebung statt, in zahlreichen Redebeiträgen wurden die Klage des Frachtkonzerns DHL und der geplante Flughafenausbau kritisiert.

DHL erzählt weiter Märchen

Während der Verhandlung wurde der Ablauf der Aktion 2021 behandelt: Ein Justiziar von DHL behauptete, Aktivist/- innen hätten sich vor dem DHL Hub im Kreisverkehr aufgehalten, angeblich sei für die LKWs keine Weiterfahrt möglich gewesen. Auf anschließend gesichtetem Bildmaterial war dies jedoch nicht ersichtlich. DHL nutzte die Verhandlung unterdessen für die Selbstdarstellung als „Grüner Konzern“. Als ein DHL-Anwalt verlauten ließ, dass ihnen Umweltschutz sehr am Herzen liege, wurde das vom Publikum mit Gelächter quittiert.

Dazu erklärt Luka Scott, Sprecherin der Kampagne „Repression Nicht Zustellbar“: „Lügen hat bei DHL System: Vor zwei Jahren sprachen sie von 1,5 Millionen angeblichem Schaden und blockierten Impfstofflieferungen, um legitimen Protest zu kriminalisieren. Auch heute vor Gericht hat DHL uns wieder Lügen aufgetischt. Aber wir lassen uns nicht beirren und stehen solidarisch als Klimabewegung zusammen gegen die Repression.“

Wie das Verfahren weitergeht, ist freilich offen: Einen von DHL vorgebrachten Vergleich lehnten die Klimaaktivist/innen ab und wollen in den nächsten Wochen einen anderen Vergleich ausarbeiten. Sollte sich DHL darauf nicht einlassen, wird es vom Landgericht Halle am 11. August einen Urteilsspruch geben.

Für die Aktivist/-innen geht die juristische Verfolgung unterdessen weiter, zusätzlich via Strafrecht: Die Staatsanwaltschaft hat in den letzten Wochen mehrere Strafbefehle wegen angeblicher Nötigung erlassen. Bereits nach der Aktion im Juli 2021 wurden die 54 Klimaaktivist/-innen tagelang inhaftiert. Wegen der Nötigungs-Vorwürfe wird es wohl weitere Gerichtsverhandlungen geben.

Das Problem einer Zeitung mit der Demonstrationsfreiheit

Und wieder glänze in der nachfolgenden Berichterstattung die Leipziger Volkszeitung mit einem Beitrag, der bei den Bürgerinitiativen, die nun seit 17 Jahren gegen den zunehmenden Nachtfluglärm am Flughafen Leipzig / Halle kämpfen, nur noch Kopfschütteln auslöst.

Die Irritation bringt Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ in einem Kommentar zur Sprache.

***

Wer verfolgt die Nötigung gegen die Fluglärmbetroffenen ?
Fragen zum Prozessauftakt gegen „CancelLEJ“

Matthias Zimmermann

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Wertung über eine Aktion und deren Hintergründe berichtet wird, bei der man offensichtlich nicht selbst anwesend war. Anders kann es nicht gewesen sein, sonst hätte der
LVZ-Redakteur über den Prozess um die Blockade am Frachtflughafen Leipzig-Halle, Herr Frank Dörig, nicht so einen unsäglichen Artikel nebst Kommentar zu Papier bringen können.

Wenn hier von einer „gefährlichen“ Selbstermächtigung gesprochen wird, darf man wohl fragen, was am Freisetzen von Kräften durch „gemeinsames politisches Handeln“, … „welche die ehemals ohnmächtigen und marginalisierten Personen und Gruppen handlungsfähig und ‚mächtig‘ werden lassen“ (vgl. Lindmeier und Lindmeier 2012) gefährlich sein soll.

Mitglieder unserer Bürgerinitiative waren – dem Altersdurchschnitt der teilweise über 20 Jahre kämpfenden Aktiven geschuldet – zwar nur als Demonstranten am Rande des Geschehens präsent, gleichwohl können wir festhalten:
– Molotowcocktails und Pflastersteine wurden ebenso wenig geschmissen, wie wertvolle Kunstobjekte beschädigt.
– Tätliche Auseinandersetzungen gegen Polizisten waren nicht zu verzeichnen.
– Die Demonstration wurde von der Behörde nicht unterbunden, vor Ort wurde sogar noch eine Anmeldung angenommen.
– DHL hätte ohne große Umschweife ein anderes Tor öffnen können.

Ungeachtet dessen lässt der Artikel allerdings folgende Fragen, die man sich als mündiger Bürger und sich mit der Materie befassender Redakteur stellen könnte, offen:

Wer leistet eigentlich den durch Nachtfluglärm mit Ihrer Gesundheit zahlenden Betroffenen Schadenersatz?
Warum wurden vor reichlich 20 Jahren am Leipziger Flughafen über die Köpfe der betroffenen Bürger hinweg politische Entscheidungen und Planungen getroffen, die diese mit Einschränkungen ihrer Lebensqualität und Gesundheit bezahlen mussten und müssen? Und wer zahlt diesen Bürgern Schadenersatz?

Warum wird eine Flugroute noch immer beflogen, obwohl es hierzu seit 2017 ein Bundestagsbeschluss gibt, diese abzuschaffen?

Warum soll ein Frachtflughafen mit Nachtflugerlaubnis ausgebaut werden, obwohl das Umweltbundesamt ein generelles Nachtflugverbot für stadtnahe Flughäfen fordert?

Die Liste könnte durchaus noch erweitert werden, um die Ursache des Zorns der bisher so Ohnmächtigen aufzuzeigen. Beispielweise um die Geschichte des Ausbaus des Flughafens als eine Geschichte von Lügen, Halbwahrheiten und Versprechungen von Politik und Verwaltung gegenüber den Bürgern. Und wer verfolgt eigentlich diese vermeintlich gemeinschaftliche Nötigung seitens DHL und dem sich in Landesbesitz befindlichen Flughafen gegen die 100.000 Fluglärmbetroffenen?

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