Jedes Jahr im Juni passiert dasselbe: Der Saisonarbeitsmarkt kommt in Gang und nimmt gleich mal ein paar hundert Arbeitskräfte auf. Die Arbeitslosenzahlen sinken und die Republik bricht in Jubel aus. So lange eine Region wie die Leipziger funktioniert, ist sie in der Sommersaison auch für Arbeitskräfte aufnahmefähig.

Die Vorsitzende der GeschäftsfĂĽhrung der Agentur fĂĽr Arbeit Leipzig, Reinhilde Willems, ist trotzdem glĂĽcklich, denn sie kann Zahlen verkĂĽnden, die es seit 1991 nicht mehr gab: “Die Arbeitslosenquote in Leipzig ist mit 9,4 Prozent so niedrig wie noch nie in einem Monat seit Anfang der 1990er Jahre. Das zeugt von einer sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung, die zu einer sehr positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt fĂĽhrt. Trotzdem bleibt bei ĂĽber 27.000 arbeitslosen Menschen fĂĽr alle Akteure noch viel zu tun.”

Denn Leipzig ist nun einmal keine Insel, sondern Mittelpunkt einer Metropolregion, in der es immer mehr Menschen auch wegen der Arbeit in die Großstädte zieht. Und zwar mit Sack und Pack, was den Nebeneffekt hat, das die Arbeitslosenzahlen in den Landkreisen noch viel schneller sinken als in der Großstadt.

Veränderung der Arbeitslosenquoten in den sächsischen Arbeitsagenturen. Grafik: Arbeitsagentur Sachsen
Veränderung der Arbeitslosenquoten in den sächsischen Arbeitsagenturen. Grafik: Arbeitsagentur Sachsen

Die 9,4 Prozent sind fĂĽr Leipzig zwar ein echtes Rekordergebnis nach zwei Jahrzehnten der MĂĽhsal, aber die sächsische Quote liegt mittlerweile bei 7,9 Prozent, nur noch die Arbeitsagenturen in Chemnitz (9,1 Prozent) und Riesa (8,8 Prozent) liegen neben Leipzig ĂĽber diesem Schnitt. 6,6 und 6,7 Prozent in Plauen, Annaberg-Buchholz und Zwickau bedeuten im Grunde das, was man so landläufig “Vollbeschäftigung” nennt, auch wenn die Zahlen nichts anderes bedeuten, als dass die jungen, arbeits- und ausbildungsfähigen Menschen mittlerweile scharenweise weggezogen sind nach Leipzig, Chemnitz oder Dresden, welches mit einer Quote von 7,6 Prozent einen fĂĽr Sachsen noch recht hohen Wert hat.

Noch deutlicher wird es beim Rückgang der Arbeitslosenquote gegenüber Juni 2014, wo Leipzig mit 1,8 Prozent scheinbar den geringsten Effekt aufzuweisen hat, während in Riesa mit 12,8 Prozent und in Annaberg-Buchholz mit 10,7 Prozent sogar zweistellige Rückgangsraten ausgelesen wurden. Im Grunde zeigen diese Effekte, mit welchem Tempo die jungen Leute mittlerweile gleich nach der Ausbildung abwandern. Für Arbeitgeber in Städten wie Leipzig ein echtes Geschenk, sie können die jungen, gut ausgebildeten Leute einstellen und müssen noch nicht wirklich auf den großen Pool der schwer Vermittelbaren aus der eigenen Stadt zurückgreifen.

Auch wenn im Juni ein Teil des Beschäftigungsaufbaus auch Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) zugute kam.

Die aktuellen Juni-Werte

1.067 Menschen weniger waren bei der Arbeitsagentur und dem Jobcenter Leipzig arbeitslos gemeldet. Im Rechtskreis SGB III betrug der RĂĽckgang 336 und im Rechtskreis SGB II 731.

Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um 59 auf 2.045 (Vorjahr: 2.388). Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren fiel die Arbeitslosigkeit um 351 auf 8.253 Personen an (Vorjahr: 8.572).

Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurĂĽckliegenden Monat in Leipzig gesunken. GegenĂĽber dem Vormonat fiel sie um 201 auf 8.911. Im Vergleich zum Juni 2014 gab es 443 langzeitarbeitslose Menschen weniger.

Zahl der Bedarfsgemeinschaften sinkt nur wenig

Beim zweiten Blick auf die Zahlen wird dann sichtbar, dass die Entwicklung auch im Juni kaum der Stadt Leipzig mit ihrer hohen Sozialkostenbelastung zugute kommt. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sank gegenüber dem Mai nur um 56 auf 42.161 Bedarfsgemeinschaften. Zumindest waren es 771 weniger als im Juni des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 52.494 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Auch hier war der Rückgang eher gering:  Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang 170. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 935 Personen.

Tatsächlich ist aber gerade im Jobcenter wenig Bewegung. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sank nur von 52.664 auf 52.494 (minus 170), die der nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten von 18.388 auf 18.356 (minus 32). Macht 70.850 Menschen, die in Leipzig von den Leistungen des Jobcenters abhängig sind.

Leipzig hat also einen Arbeitsmarkt, der eine Menge Menschen aufzunehmen vermag – aber nach wie vor haben jĂĽngere, flexible und gut qualifizierte Menschen bessere Chancen, schnell in einen Job zu kommen, während die Personen mit Vermittlungshandicaps (und darunter gehören gerade fĂĽr Alleinerziehende auch Kinder) weiterhin eher schlechte Chancen haben.

Ein Ausblick

Was dann wohl heißt: Der Zuzug nach Leipzig wird weiter gehen, weil der Arbeitsmarkt für junge, flexible Menschen wächst.

“Auch fĂĽr den nächsten Monat rechne ich mit einem weiteren RĂĽckgang der Arbeitslosenzahl“, beschreibt Reinhilde Willems die Aussicht auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Leipzig in den nächsten Wochen.

Sie weist aber auch darauf hin, dass gegenwärtig noch 1.076 Ausbildungsstellen unbesetzt sind, während 1.071 junge Menschen noch unversorgt sind. Ausbildungsangebot und Bewerber passen in wichtigen Bereichen augenscheinlich nicht zueinander.

„Mein Appell an die Ausbildung Suchenden – Nutzt eure Chance. Jede und jeder hat individuelle Stärken, die in einer Ausbildung gebraucht werden. Denkt bei der Suche auch an Alternativen zum Wunschberuf. Wir unterstĂĽtzen euch dabei, den passenden Beruf und die richtige Lehrstelle zu finden. Die Unternehmen möchte ich bitten, geben Sie auch Bewerberinnen und Bewerbern eine Chance, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zu den Top-Kandidaten gehören. Oft lohnt sich ein zweiter Blick. Möglicherweise verstecken sich hinter weniger rosigen Schulnoten talentierte Praktikerinnen und Praktiker“, so Willems.

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