Einmal im Jahr gibt es im Quartalsbericht der Leipziger Statistiker auch die große Gegenüberstellung der 15 größten deutschen Städte. Als sie diesen Vergleich starteten, lag Leipzig noch am Ende der Tabelle. Mittlerweile liegt es auf Rang 10, selbst mit dem etwas konservativeren Bevölkerungswert des Statistischen Landesamtes für 2017. Nach oben ist noch Luft, auch wenn es die neue Bevölkerungsprognose erst im Herbst geben wird.

Aber das ist vielleicht gar nicht so wichtig, weil Leipzig längst zu jenen Knotenpunkten in der Bundesrepublik gehört, die deshalb wachsen, weil sie in ihrer Region nun einmal die Hotspots der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Es sind die neuen Arbeitsplätze, die den Zuzug befeuern. In Leipzig mit einem (damaligen) Bevölkerungswachstum von 1,9 Prozent am stärksten.

Aber auch Frankfurt am Main hat mit einem Wachstum von 1,4 Prozent dieselben wohnungspolitischen Probleme, genauso wie Berlin mit + 1,1 Prozent oder München, wo das Wohnungsproblem schon wieder negative Entwicklungen mit sich bringt: Eine Schrumpfung um 0,6 Prozent.

Denn auch das ähnelt sich in diesen zentralen Großstädten: Wer sich die Mietpreisentwicklung nicht mehr leisten kann, wird verdrängt, der ist regelrecht gezwungen, sich eine preiswertere Wohnung im Umfeld dieser Städte zu suchen, wenn er Glück hat mit S-Bahn-Anschluss.

Wenn er Pech hat, muss er dann jeden Tag mit dem Auto pendeln.

Und dass Leipzig in dieser Entwicklung noch ganz am Anfang steht, zeigt die Pendlerstatistik, die Lars Kreymann in seinem Beitrag zu den 15 größten Städten auch in einer Tabelle verewigt hat. Denn es gibt schon längst Städte, die mittlerweile so viele Arbeitsplätze anbieten, dass diese mit der eigenen Bevölkerung gar nicht zu besetzen wären. Allen voran Frankfurt am Main mit einer Beschäftigtenquote am Arbeitsort von 108,2 Prozent.

Mit 756.200 Beschäftigten übersteigt das Arbeitsplätzeangebot deutlich die amtliche Einwohnerzahl von 746.878. Man ahnt, was das jeden Tag für gewaltige Pendlerströme auslöst. Der Pendlersaldo liegt dann auch in Frankfurt bei einsamen 267.376 Personen, die jeden Tag mehr in die Stadt pendeln als aus der Stadt heraus. Das stellt ganz andere Anforderungen an Straßennetz und ÖPNV als in Leipzig.

Leipzig ist von solch einem Strom der Erwerbstätigen noch weit, sehr weit entfernt. Aber es entwickelt sich in eine ähnliche Richtung.

2017 kamen auf die offiziellen 581.980 Einwohner schon 451.100 Erwerbstätige. Was immerhin einer Beschäftigungsquote von 66,6 Prozent entsprach. Das ist zwar mehr als in Berlin, Duisburg, Dortmund oder Essen, aber schon deutlich weniger als in Dresden (73,6 Prozent) oder erst recht in Stuttgart (92,7 Prozent) oder Düsseldorf (98,9 Prozent). Man ahnt schon, warum diese Weststädte deutlich stärkere Probleme mit Staus oder Luftschadstoffbelastung haben als in Leipzig.

Mit einem Pendlersaldo von gerade einmal 35.797 war dann Leipzig auch noch Lichtjahre weit entfernt von den Pendlersalden in Stuttgart (152.644) oder Düsseldorf (169.171). Gegen die großen Weststädte (auch Hamburg, München und Köln gehören hierher) wirkt Leipzig geradezu wie ein ruhiges Provinzstädtchen. Was es ja nicht ist und was auch alle wissen. Aber gerade die Abwesenheit der westdeutschen Blechlawinen macht Leipzig für viele junge Menschen zum attraktiven Wohn- und Arbeitsort.

Sie finden Leipzig so toll, weil Leipzig eben noch nicht alle katastrophalen Verkehrsentwicklungen mitgemacht hat. Auch weil Leipzig noch die einmalige Chance hat, solche Entwicklungen zu verhindern, indem es jetzt in den deutlichen Ausbau von ÖPNV- und S-Bahn-Netz geht. Denn wenn jetzt gerade junge Familien gezwungen sind, sich im Umland bezahlbare Wohnungen zu suchen, entscheidet ein leistungsstarkes Nahverkehrssystem darüber, ob die damit steigenden Pendlerzahlen für Leipzig zum Stauproblem werden oder ob die Stadt auch im Arbeitsalltag attraktiv bleibt.

Natürlich ist offen, ob Leipzig jemals den 14. Platz beim Bruttoinlandsprodukt und damit auch bei den Einkommen verlässt. In Hamburg, München und Stuttgart lohnt sich das stundenlange Pendeln ja auch deshalb, weil es mit deutlich überdurchschnittlichen Einkommen honoriert wird. In München liegen sie deutlich über 29.000 Euro. Leipzig lag 2016 mit 17.770 Euro in der Schlussgruppe, noch vor Duisburg (16.881 Euro), aber spürbar hinter Dresden (18.922 Euro), Dortmund (18.946) und auch Berlin (19.719 Euro).

Und zumindest für 2016 galt noch, dass die Leipziger Einkommen auch weiter hinterherhinkten: Während die meisten anderen Großstädte Einkommenszuwächse um die 2 Prozent verbuchten, waren es in Leipzig nur 0,8 Prozent. Was natürlich damit zu tun hat, dass viele Leipziger nach wie vor nichttarifgebunden arbeiten und die großen Industriebetriebe rar sind.

Und auch bei den Gästeankünften wirkt die Statistik als Dämpfer und korrigiert den in Leipzig selbst so gern gepflegten Jubel: Mit 1,7 Millionen Gästeankünften lag die Messestadt nicht nur hinter Dresden und Düsseldorf mit über 2 Millionen, sondern meilenweit hinter echten touristischen Hotspots wie Berlin (fast 13 Millionen), München (7,6 Millionen), Hamburg (6,7 Millionen) oder Frankfurt mit seinen 5,6 Millionen. Übrigens alles einerseits Messe- und Kongressübernachtungen, aber in noch stärkerem Maße Städtetourismus.

In sämtlichen Kategorien hat Leipzig noch Luft nach oben.

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