Manchmal kommen Dinge zusammen, und man wundert sich. Erst im März hat der Leipziger Stadtrat ohne große Diskussion akzeptiert, dass die Stadt im Jahr 2015 keine Chance hat, den "European Energy Award" in Gold zu bekommen. Von den benötigten zusätzlichen 50 Prozent der Punkte war Leipzig noch meilenweit entfernt. Und drei Monate später bekommt nun auch noch die EEA-Betreuung ein Loch.

Unübersehbar suchte die Stadt nach einer neuen “Sachbearbeiter/-in Energieanalysen und -wettbewerbe (European Energy Award)”, Bewerbungsschluss war der 5. Juli. Was natürlich die Frage aufwirft: Kann die Stadt in solchen Programmen überhaupt erfolgreich agieren? Oder ist all das Schaulaufen mit Orden, Urkunden und Awards nichts als schöner Schein?

Darauf deuten zumindest alle Unterlagen hin, die dem Stadtrat im März zur Verfügung gestellt wurden. 2011 hatte Leipzig zum ersten Mal den “European Energy Award (EEA) bekommen – in Silber. Die damals erreichten Ergebnisse mussten 2014 noch einmal bestätigt werden, damit die Stadt noch einmal drei Jahre den Titel tragen darf. Das hat die Stadt geschafft, das war nicht das Problem. Im Mai 2014 hatte der Stadtrat auch großmütig beschlossen, dass Leipzig sich 2015 um den EEA in Gold bewerben soll.

65 Prozent sind nur Silber

Den entsprechenden Auditbericht erstellte im Oktober die Firma seecon Ingenieure. Aber das berichterstattende Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport musste im März dann ziemlich kleinlaut zugeben, dass an eine Bewerbung um den EEA in Gold nicht zu denken war. 65 Prozent sind eben nur Silber. Für Gold braucht es 75 Prozent aller erreichbaren Punkte. Also wurde eben nicht – wie ursprünglich geplant – beschlossen, die Bewerbung für Gold schon 2015 abzugeben. Sondern: “Die Ratsversammlung nimmt zur Kenntnis, dass abweichend vom Beschluss Nr. RBV-2072/14, die Auszeichnung mit dem European Energy Award in Gold im Jahr 2016 erreicht werden soll.”

Und wenn die Stadträte die Vorlage gelesen haben sollten (was wohl nur die allerwenigsten getan haben), dann dürften sie auch gemerkt haben, wo es hängt. “Die angestrebte Auszeichnung mit dem EEA in Gold würde Leipzig in einen exklusiven Kreis von bislang einem runden Dutzend deutscher Großstädte führen, zu denen aus den neuen Bundesländern nur Jena zählt, und somit eine Art Alleinstellungsmerkmal begründen”, hieß es in der Vorlage noch. Das Ziel ist eigentlich auch für 2016 illusorisch. Es sei denn, es geht jetzt tatsächlich mal ein Ruck durch die Verwaltung.

Denn das Problem des Projektes ist seine Zersplitterung: Neben der einen Projektstelle im Amt für Gebäudemanagement war noch eine zweite im Amt für Umweltschutz platziert. Neben den beiden Dezernaten für Bau und Umweltschutz sind auch noch die Dezernate Finanzen und Wirtschaft und Arbeit involviert, außerdem der Dienstbereich des OBM – wenn damit nicht nur der Bereich Komunikation gemeint sein sollte.

Aber warum wird so ein Projekt nicht direkt in einer Steuereinheit beim OBM angesiedelt?

Denn der Auditbericht spricht Bände. Und in einer extra aufgearbeiteten “Potenzialanalyse” hat die Stadt selbst herausgearbeitet, wo eigentlich die Schwächen in der bisherigen Arbeit lagen, wo also – wenn man es wirklich anpackt – über 100 Punkte geholt werden könnten.

Für viele Maßnahmen fehlt es an Geld

Nur zum Vergleich: Insgesamt wären 487 Punkte möglich. Geschafft hat Leipzig 2014 aber nur 320,7 – und da gab es auch schon ein paar Anstriche, weil die Stadt Ergebnisse gemeldet hatte, die bislang erst mit einer Absichtserklärung untersetzt waren.

Einer dieser Punkte war zum Beispiel das versprochene “Controlling, Betriebsoptimierung”. Denn wenn die Verwaltung sich schon mit Titeln schmücken will, dann muss sie mit ihren eigenen Immobilien vormachen, wie es geht. Mit bunten Appellen an die Bevölkerung ist das nicht getan. Selber tun – und dann auch jedes Jahr die Ergebnisse vorlegen.

In der “Potenzialanalyse” wird dann noch ganz hoffnungsfroh festgestellt, dass man doch nur noch 50 Punkte bräuchte, um für Gold in Frage zu kommen: “Bei Umsetzung von Maßnahmen, die zur Reduzierung bzw. Beseitigung der o. g. Schwachstellen beitragen, würde ein Potenzial von bis zu 102,7 Punkten erschlossen.

Bei einer Verbesserung der im externen Audit 2014 erreichten 320,7 Punkte um nur 50 Punkte kann bereits ein Ergebnis von > 75%-Punkten und damit EEA Gold erreicht werden, bei Verbesserung um 100 Punkte ist das Erreichen des Goldstandards gesichert. Hierbei ist nicht eingerechnet, dass auch noch Möglichkeiten der Verbesserung des Punktepotenzials in Handlungsfeldern möglich sind, die bisher als gut bewertet worden sind.”

Ganz schwierige Kiste: das städtische Gebäudemanagement

Was für ein Bruch es ist, wenn jetzt gerade die EEA-Betreuung im Amt für Gebäudemanagement abbricht, wird deutlich, wenn man diese Passage aus der März-Vorlage liest: “Federführend für die Umsetzung der Maßnahme ist das Amt für Gebäudemanagement. Zur Umsetzung bedarf es der Einrichtung eines PSP-Elementes im Laufe des Jahres 2015, in das ab dem Jahr 2016 jährliche Finanzmittel in Höhe von 50 % der nachgewiesenen Einsparungen, die durch Intractingmaßnahmen erzielt wurden, eingestellt werden. Aus diesem PSP-Element werden ausschließlich energiesparende Maßnahmen mit günstigem Kosten-Nutzen-Verhältnis finanziert.”

Intracting – das ist das Erschließen von energetischen Einsparpotenzialen direkt im Gebäudemanagement der Stadt. Und in der “Potenzialanalyse” wird recht deutlich benannt, dass es da klemmt. Was eigentlich zu erwarten war, wenn man so ein zentrales Programm auf Ämterebene ansiedelt. Eine Stadt, die im Klimaschutz wirklich Vorbild sein möchte, die siedelt so etwas ganz oben an, direkt in der Spitze. Und setzt es vor allem mit klar abrechenbaren Zielen um.

Klar abrechenbare Ziele fehlen

Im März-Antrag aber war wieder dieser seltsame Ton von “Ach, wir wissen’s doch auch nicht” zu lesen: “Im I. Quartal 2015 wird im Rahmen einer Bestandsaufnahme ermittelt, welche Maßnahmen des EKSP, die für das Jahr 2014 vorgesehen waren, bereits umgesetzt sind, im Besonderen, ob die vorgesehenen Finanzmittel im Haushaltsplanentwurf 2015/2016 eingestellt sind. Im Ergebnis dieser Bestandsaufnahme wird spätestens im III. Quartal 2015 über eine Anmeldung zum Gold-Auditierungsverfahren entschieden werden. Am Ende des Auditierungsverfahrens würde dann die Auszeichnung im IV. Quartal 2016 stehen.”

EKSP – das  ist das Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt Leipzig. Und man kann den Satz auch zwei Mal lesen und sieht: Die Verwaltung hat sich einen dicken Vorbehalt in den Beschluss vom März geschrieben: Wenn sich nämlich herausstellt, dass die notwendigen Maßnahmen nicht mit entsprechenden Finanzmitteln untersetzt sind, dann wird im “III. Quartal 2015” eben nicht über eine Bewerbung für den EEA in Gold für 2016 entschieden, dann verschiebt sich diese Bewerbung so lange, bis Leipzig wirklich ein mit Geld untersetztes und abrechenbares Umsetzungsprogramm hat.

Selbst das steht – hübsch verklausuliert – in der Vorlage vom März: “Das letzte Audit weist nach, dass die bislang avisierten Maßnahmen des EKSP bei vollumfänglicher Umsetzung einen Zuwachs auf 75 Prozentpunkte bedeuten würden. Da zu erwarten ist, dass nicht alle Maßnahmen des EKSP umgesetzt werden, ist es notwendig im Rahmen des eea-Prozesses weitere Maßnahmen zu entwickeln und einer Umsetzung zuzuführen, um die Auszeichnung mit dem eea-Gold zu erreichen.”

Oder mal etwas klarer ausgedrückt: Die bis jetzt vorgesehenen Maßnahmen reichen schlicht nicht aus, um 75 Prozent der geforderten Punkte zu bekommen.

Natürlich haben wir uns die hübsche “Potenzialanalyse” angesehen, die im Grunde eine Bündelung der Nicht-Handlungsfelder in der Stadtverwaltung ist.

Damit beschäftigen wir uns gleich an dieser Stelle etwas ausführlicher.

Auditbericht der Stadt Leipzig.

eea-Bericht Externes ReAudit Stadt Leipzig 2014.

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