Wie soll man diese Truppe eigentlich bezeichnen? Partei der Kulturbanausen? Immer wieder zeigt die Fraktion der "Alternative für Deutschland" im Leipziger Stadtrat, wes Geistes Kind sie ist - und dass sie von Kunst, Theater und Literatur keine Ahnung hat. Diesmal ist ein Transparent am Schauspiel Leipzig Ziel einer seltsamen Anfrage.

“Das Schauspielhaus Leipzig plakatiert derzeit an seinem Gebäude mit einem Goethezitat ‘Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter’. Aus Sicht unserer Fraktion wird damit die politische Neutralität eines öffentlichen Unternehmens verletzt. Die Zeiten derartiger öffentlicher Vorgaben für ‘richtige Politik’ sollten eigentlich längst der Vergangenheit angehören”, behaupten die grauen Herren aus der rechtslastigen Fraktion in aller Unbekümmertheit und schieben dann Fragen nach, als dürften Leipzigs Theatermacher keine künstlerischen Statements mehr abgeben.

Das riecht schon sehr nach Zensur aus einer ganz, ganz morschen Schublade.

Die Fragen der AfDler:

“Ist politische Werbung seitens eines Unternehmens vom Status des Schauspielhauses rechtens und damit zulässig?

Wenn NEIN, welche Verpflichtungen ergeben sich für den Oberbürgermeister gegenüber städtischen Unternehmen und Einrichtungen zur Wahrung politischer Neutralität?”

Unter dem Transparent an der Fassade des Schauspielhauses am Dittrichring steht natürlich, von wem der Spruch stammt. Ein bisschen mehr erfährt man aber, wenn man die Website des Schauspielhauses besucht  und bekommt dort erklärt: “Mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe an der Bosestraße/Ecke Dittrichring positionieren wir uns für ein weltoffenes, friedliches und tolerantes Zusammenleben aller Menschen in Leipzig!”

Das Schauspiel zum Goethe-Spruch an der Hausfassade. Screenshot: L-IZ
Das Schauspiel zum Goethe-Spruch an der Hausfassade. Screenshot: L-IZ

Etwas anderes würde man von einem Haus, in dem “Die Schutzflehenden / Die Schutzbefohlenen” (Premiere war am 2. Oktober) gespielt wird, auch nicht erwarten. Oder “Maria Stuart” von Schiller (wieder am 22. Oktober), der die Bühne eben nicht nur als “moralische Anstalt” betrachtete, sondern als Ort des gesellschaftlichen Diskurses.

Goethe steht dieser Tage nicht auf dem Programm. Aber vielleicht wäre es eine gute Empfehlung ans Haus, seinen “West-östlichen Diwan” aus dem Jahr 1819 als szenische Lesung einfach mit ins Programm zu nehmen. Denn da steht der Satz. Ãœbrigens übernommen von einem anderen Autor: Abolhassan Khan Ilchi, Zeitgenosse von Goethe und Botschafter und Außenminister des persischen Schahs.

Das war Goethes Art, den Dialog zwischen West und Ost zu gestalten. Das kann man als politische Äußerung verstehen. Aber es zeigt nur, dass die Leute, die derzeit so gern Abendland und Leitkultur beschwören, von der eigentlichen Kultur dieses Landes nichts wissen. Oder nichts wissen wollen, denn man kann die Fragestellung auch als deutliche Ablehnung Goethes lesen, was in dieser Form in Leipziger Stadtparlamenten wohl ein echtes Novum sein dürfte.

Oder tun die Alternativlosen nur so? Etwa wenn sie ihre Anfrage betiteln mit: “Klärung der Zulässigkeit politischer Werbung seitens städtischer Unternehmen in der Öffentlichkeit”.

Oder wollen sie einfach, dass das Schauspiel nicht mehr öffentlich ist? Da hätten sie dann nicht nur Goethe nicht gekannt, sondern auch Schiller nicht begriffen.

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Die haben nicht nur keine Ahnung von Kultur, sondern auch keine von Politik. Ein Bekenntnis zu Menschlichkeit und Menschenrechten ist keine “politische Werbung”. Dass die AfD ein derartiges Bekenntnis offenbar als gegen sich gerichtet (weil für ihre politischen Gegner “werbend”) empfindet, wirft ein schlechtes Licht auf sie, nicht auf das Leipziger Schauspiel…

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