Was noch 2015 fast Routine war, sorgte am 26. Oktober für lange Nachfragen im Leipziger Stadtrat und Zwist. Im vergangenen Jahr hatten die Räte neben vielen anderen Projekten auch 4,2 Millionen Euro bewilligt, damit eine Asyl-Unterkunft für 306 Personen in Systembauweise auf dem Barnet-Licht-Platz (Prager Straße) errichtet werden kann. Nun wollte die Stadtverwaltung einen Nachschlag für die Baumaßnahme in Höhe von nochmals 1,428 Millionen Euro haben. Von Thomas Fabian über Dorothee Dubrau bis hin zu OB Burkhard Jung nahm die Verwaltungsspitze Stellung zu den Fragen der Stadträte. Auch zu den aktuellen Planungen bei Geflüchteten in Leipzig.

Vornweg die CDU, welche mit Karsten Albrecht einen aus ihrer Fraktion als ersten ans Rednerpult entsandte. „Schon wieder Kostensteigerungen, heute am Barnet-Licht-Platz“, führte Albrecht ein und fragte, wie nun offenbar LVB-Kabel den Tiefbau verteuerten. Dass man nicht gewusst hatte, dass diese da liegen, glaubte der Stadtrat nicht. Hinzu käme, so Albrecht weiter, dass die Stadt nun 2.000 Plätze vorhalten würde, die nicht gebraucht würden. „6,2 Millionen für ein Interim, welches man nicht braucht – dafür könnte man eine Schule bauen“.

Auch für Sven Morlok (FDP) war der Preisauftrieb seltsam. Schließlich habe man hier in der „Systembauweise“ angeblich und von der SPD gern betont eine kalkulationssichere Bauweise und nun steigen die Kosten doch erheblich an. „Überraschenderweise kommen die Kosten nun auch noch aus dem Tiefbau“, was doch eigentlich kaum möglich sei. In der Weißdornstraße (eine weitere Unterkunft im Bau) hätte es bereits Mehrkosten im Brandschutzbereich gegeben. Für Morlok blieb da nur die Frage: Warum?

Die Frage für die Baudezernentin, die für die Kostensteigerungen Rede und Antwort stehen musste. Dorothee Dubrau wies auf den nach wie vor hohen Druck im Segment Systembauten hin – in ganz Deutschland habe man verstanden, dass dies schneller ginge. Also habe es zum Beispiel keine „Container mit TÜV-Prüfung mehr gegeben.“ Was den Preis für Brandschutz nach oben getrieben haben dürfte, eine Extraanlage musste her. Ordentliche Prüfungen im Vorfeld bräuchten eben mehr Zeit, die man nicht gehabt hätte, leitetet die Dezernentin zum Thema Tiefbau über.

Thomas Fabian zu den stark schwankenden Prognosen bei Flüchtlingszahlen im Stadtrat. Foto: L-IZ.de
Thomas Fabian zu den stark schwankenden Prognosen bei Flüchtlingszahlen im Stadtrat. Foto: L-IZ.de

Die Kabel der LVB-Trasse waren in der genauen Lage nicht bekannt. Nun musste die Leitung verlegt werden, da ein drumherumbauen nicht möglich war. Zudem habe man beim Aushub des Fundamentes festgestellt, dass Teile der Erden auf dem Barnet-Licht-Platz besser auf eine Deponie gemusst hätten. Ein weiterer Kostentreiber, der zudem dafür spricht, dass es kein normales Erdreich gewesen sein kann.

So kommen nun eben Zusatzkosten auf die Stadt zu, wenn solche Unwägbarkeiten auftauchen würden.

Derzeit ist man auf „eigene Kaffeesatzleserei angewiesen“

Zu den aktuellen Zuweisungszahlen und den Leipziger Platzreserven trat Sozialdezernent Thomas Fabian ans Mikrofon. Langfristige Planungshorizonte scheint es ihm zufolge noch immer nicht geben zu können. „Der Freistaat Sachsen macht nur noch 3-4-Wochen-Prognosen“ über die Zahlen der hinzukommenden Flüchtlinge, der Bund mache derzeit gar keine Prognosen mehr. „Noch bis zum Sommer hat uns der Freistaat eine Vorgabe von mehreren 1.000 Plätzen gemacht“, nun seien die Zahlen deutlich gesunken.

So hätte man noch bis vor kurzem mit weit mehr Zulauf gerechnet, derzeit sei er geringer. So sei man derzeit auf eigene „Kafeesatzleserei angewiesen“. Doch man sei „angesichts der Nachrichtenlage gut beraten“ Plätze vorzuhalten und was in zwei oder drei Jahren sei, könne niemand sagen. Und in eine solche Situation wie 2015 möchte man nicht noch einmal kommen, so Fabian in Erinnerung an die vielen Sonderfälle bis hin zum Kauf zweier Container von RB Leipzig, um der Lage Herr zu werden.

Achim Haas wollte am Ende die Schärfe aus der Debatte nehmen. Was (davor sitzend) Sven Morlok und René Hobusch (FDP) zum Lachen brachte. Foto: L-IZ.de
Achim Haas wollte am Ende die Schärfe aus der Debatte nehmen. Was (davor sitzend) Sven Morlok und René Hobusch (FDP) zum Lachen brachte. Karsten Albrecht (Bildmitte) lauschte. Foto: L-IZ.de

Hinzu komme das Problem, dass sich die Auszüge aus den größeren Unterkünften bei der zunehmenden Wohnungsknappheit in Leipzig verzögern. Die Asylbewerber verbleiben demnach länger in den größeren Unterkünften und könnten nicht in normale Wohnungen umziehen. Das erhöht dann die Platzkapazität ebenfalls.

Falsche Zahlen?

Blieb der CDU in Person von Achim Haas nur noch, die Verwunderung darüber auszudrücken, wieso man dennoch am Barnet-Licht-Platz nicht in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Abfragen zu Kanalleitungen und eben den LVB-Kabeln im Vorfeld zu machen. Und nochmals in Frage zu stellen, ob die Kapazität von 2.000 Plätzen in der Vorhaltung wirklich gebraucht wird.

Eine Zahl der CDU welche dann so einfach nicht zu stimmen scheint. Wenn sie die Verwaltungsvorlage richtig gelesen hätte, so Katharina Krefft (Grüne), dann wäre die Reserve in den aktiven Unterkünften in der Planung von 2016 bis 2019 knapp „100 über den Durst“, was Jung anschließend bestätigte. So wird in der Fluktuation mit 2.959 Auszügen im Jahr und mit 3.059 Zuzügen gerechnet.

Denn die Messehalle 13 und 17 sind eine Reserve ohne Personal, also inaktive Plätze, die Zelte an den Tierkliniken ebenfalls. Wie viel diese personalfreie Vorhaltung kostet, kam nicht zur Sprache. Am Ende stimmte der Stadtrat mehrheitlich den Mehrkosten und damit der Verwaltungsvorlage zu.

Die Sachstandsdarstellung der Stadt zum Thema Asyl in Leipzig

Die Debatte zum Nachhören

 

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