Mit nur einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen hat der Stadtrat am Mittwoch, den 18. Dezember, die zweite Fortschreibung des Nahverkehrsplans beschlossen. Aus den Fraktionen hatte es fast 40 Änderungsanträge gegeben, von denen einige übernommen wurden beziehungsweise Zustimmung erhielten: darunter mehr barrierefreie Erneuerungen von Bushaltestellen und mehr Busse auf der „Grünolino“-Linie.

Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit der Stadtrat am 20. Juni 2007 die erste Fortschreibung des Nahverkehrsplans für Leipzig beschlossen hat. Etwas mehr als acht Jahre später beschloss der Stadtrat, dass eine Fortschreibung nötig sein würde, unter anderem wegen des damals rasanten Bevölkerungswachstums und veränderter Bedingungen.

Mittlerweile wurden zahlreiche andere Pläne und Konzepte beschlossen, die ebenfalls zu berücksichtigen sind, darunter die Entscheidung für das sogenannte Nachhaltigkeitsszenario für den ÖPNV, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept und der Luftreinhalteplan. Der Nahverkehrsplan soll auf mehr als 100 Seiten unter anderem Taktfrequenzen, Barrierefreiheit sowie zahlreiche andere Maßnahmen festlegen.

Ziele sind unter anderem, das Straßenbahnnetz auszubauen und den Anteil des ÖPNV in Leipzig bis 2024 auf etwa 20 Prozent zu erhöhen.

Ein bisschen OBM-Wahlkampf

„Die Stadt wächst und die Flächen werden knapp – für alles, auch für den Verkehr“, sagte Stadtentwicklungsbürgermeisterin Dorothee Dubrau (patreilos) zu Beginn der mehr als einstündigen Debatte in der Ratsversammlung am Mittwoch, den 18. Dezember. „Die Klimaproteste machen den Handlungsbedarf deutlich“, so Dubrau weiter. Eines der ambitioniertesten Ziele: die Fahrgastzahlen innerhalb der nächsten fünf Jahre von jährlich 156 auf 185 Millionen zu steigern.

Nach Dubrau äußerten sich Vertreter/-innen der Fraktionen. Linke-Stadträtin Franziska Riekewald griff zu Beginn ihrer Rede Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) an. Diesem sei das Thema in den vergangenen Jahren offenbar nicht wichtig gewesen. Eine Fortschreibung sollte normalerweise nicht zwölf, sondern nur rund fünf Jahre auf sich warten lassen. Riekewald wiederum habe viele Anfragen zu dem Thema eingereicht. Beide treten am 2. Februar 2020 zur OBM-Wahl an.

„Der Plan erfüllt unsere Erwartungen nicht“, fügte Riekewald hinzu und äußerte sich damit ähnlich wie Vertreter/-innen anderer Fraktionen. „Es fehlen Visionen für einen Paradigmenwechsel“, hieß es etwa aus der CDU. Für AfD und SPD war die Fortschreibung „kein großer Wurf“.

Diskussion über das 365-Euro-Ticket

Mehrere Redner/-innen gingen auf das 365-Euro-Ticket ein, das Linksfraktion und SPD mit dem Nahverkehrsplan weiter vorantreiben wollen. „Es wäre richtig, die Vielfahrer zu belohnen“, sagte Siegrun Seidel aus der CDU-Fraktion. „Aber wir haben Zweifel, dass das der richtige Weg ist.“ Zuerst müsse es Investitionen geben. Dann könne man über eine Einführung reden.

Sven Morlok (FDP) aus der Freibeuter-Fraktion verwies auf einen Expertenvortrag, den es kürzlich in Leipzig zum „Wiener Modell“ gab, worauf sich Befürworter eines 365-Euro-Tickets gerne berufen. Dieser habe gezeigt, dass nicht sinkende Preise, sondern ein gutes Angebot in Wien zum Erfolg geführt hätten. Wenn Riekewald diesen „Fakt“ ignoriere, sei sie eventuell nicht für das Amt der Oberbürgermeisterin geeignet, so Morlok.

Aus den Fraktionen gab es fast 40 Änderungsanträge. Einige davon hatte die Verwaltung freiwillig übernommen. Diese betreffen unter anderem einen kürzeren Takt auf bestimmten Strecken, das 365-Euro-Ticket als Priorität und die Prüfung, ob der Nachtverkehr ausgebaut werden kann.

Erfolg für Grünolino

Andere Änderungsanträge lehnte die Verwaltung ab. Über diese musste deshalb zunächst die Ratsversammlung entscheiden. Eine Mehrheit gab es unter anderem für einen erhöhten Mindeststandard von zwei Fahrzeugen auf der „Grünolino“-Buslinie. Auch ein Antrag, mindestens 40 Bushaltestellen pro Jahr barrierefrei umzubauen – und nicht nur die von der Verwaltung geplanten 20 – fand eine knappe Mehrheit.

Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans als Ganzes erhielt 52 Ja-Stimmen, eine Nein-Stimme und acht Enthaltungen – letztere vor allem aus der Freibeuter-Fraktion.

Oberbürgermeister Jung hielt abschließend fest: „Das alles kostet unglaublich viel Geld und ist unglaublich ambitioniert.“ Leipzig werde die in dem Plan festgehaltenen Ziele nur erreichen, wenn Bund und Land „zu den Fördermitteln stehen“.

Viele Vorschläge aus den Änderungsanträgen der Fraktionen haben gute Chancen, übernommen zu werden

Viele Vorschläge aus den Änderungsanträgen der Fraktionen haben gute Chancen, übernommen zu werden

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