Seit Donnerstag, 14. Mai, ist zumindest in Umrissen klar, wie sehr der Leipziger Haushalt unter den Belastungen der Coronakrise zu leiden hat. Mancher war zutiefst erschrocken. Aber dazu geben zumindest die vorläufigen Zahlen überhaupt keinen Anlass. Wie stark sich die Folgen des Shutdowns tatsächlich finanziell niederschlagen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen, in denen der größte Teil der Wirtschaft wieder hochfährt. Und es sieht ganz so aus, dass Leipzig schon wieder an der falschen Stelle spart.

Dass Oberbürgermeister Burkhard Jung ankündigt, auf keinen Fall bei den Investitionen sparen zu wollen, begrüßt vor allem die SPD-Fraktion.

„Diese Programme sind notwendig und sind auch gut angelegtes Geld, denn es geht darum, die Menschen in dieser Situation über eine Durststrecke zu bringen“, erklärt SPD-Fraktionschef Christopher Zenker.

„Wir stehen allerdings auch vor einer finanziell extrem schwierigen Situation. Den höheren Ausgaben zur Abfederung der Pandemiefolgen stehen geringere Einnahmen, beispielsweise aus Steuern, gegenüber. Was wir als Reaktion auf diese Situation jedoch nicht wollen, sind planlose Kürzungen, um gewachsene Strukturen nicht zusätzlich zu beschädigen. Hier bedarf es intensiver Prüfungen.“

SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker (SPD) . Foto: L-IZ.de
SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker (SPD) . Foto: L-IZ.de

Die Prognosen der Stadtverwaltung gehen davon aus, dass die Gewerbesteuereinnahmen in den nächsten Jahren um bis zu 50 Prozent zurückgehen werden. Rund 140 Millionen Euro sind im Gespräch.

Aber Investitionen finden nicht im luftleeren Raum statt. Über 400 Millionen Euro an Ausgaberesten aus den Vorjahren erzählen auch davon, dass gerade in den Planungsabteilungen des Rathauses über Jahre die Planer fehlten. Der Investitionsstau gründet eben auch in einem Planungsstau.

„Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gut entwickelt. Die steigenden Einnahmen und auch die Arbeitslosenzahlen, die vor Beginn der Pandemie deutlich gesunken waren, haben da eine deutliche Sprache gesprochen. Diese an sich gute Ausgangslage hat sich seit Mitte März nun deutlich verschlechtert“, kommentiert SPD-Stadtrat Christian Schulze, der seine Fraktion seit nunmehr 30 Jahren im Finanzausschuss vertritt, die neue Lage.

„Wir gehen aktuell wegen hoher Sonderaufwendungen, die für das Abdämpfen der Pandemiefolgen notwendig wurden, von einem Haushaltsdefizit von 91 Millionen Euro aus. Und das sogar trotz zugesagter Unterstützungen des Freistaats mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro.“

SPD-Stadtrat Christian Schulze. Foto: SPD Leipzig
SPD-Stadtrat Christian Schulze. Foto: SPD Leipzig

Stadtverwaltung und Stadtrat hätten sich deshalb darauf verständigt, insbesondere im Investitionsbereich keinerlei Beschränkungen zu veranlassen, um damit wichtige Impulse für die Wirtschaft zu geben, sagt Schulze: „Wir müssen uns allerdings damit befassen, die kommunalen Aufgaben neu zu priorisieren, denn die finanzielle Lage der Stadt wird zumindest die nächsten zwei bis drei Jahre schwierig bleiben.“

Die Kommunen seien aber allein nicht in der Lage, die aktuelle Situation zu bewältigen. Hier bedürfe es verschiedener Hilfsmaßnahmen, die ineinandergreifen müssen.

„Neben Rettungsschirmen, zum Beispiel für die Kommunen selbst und auch den ÖPNV, die es ermöglichen, dass Aufgaben weiter erfüllt werden können, benötigen wir ein Konjunktur- und Modernisierungsprogramm“, meint Christopher Zenker.

„Dadurch sollen zusätzliche Investitionen beispielsweise in Schulen, Kitas, moderne Verkehrsinfrastruktur, Umweltschutz oder in schnelle Netze möglich werden, wodurch einerseits die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen soll und gleichzeitig auch die Kommunen und das gesamte Land einen Modernisierungsschub erfahren. Die kommunale Verwaltung ist aufgefordert jetzt vorbereitende Planungen auf den Weg zu bringen, damit, wenn ein Konjunkturpaket von Bund oder Land kommt, sofort mit der Umsetzung begonnen werden kann.“

Aber wen fordert er da eigentlich auf?

Die Grünen jedenfalls wundern sich. Denn gleichzeitig hat ja OBM Jung eine „Stellenbesetzungsbremse“ verhängt. Und das, nachdem schon 2019 über 100 Stellen nicht besetzt werden konnten.

In der Pressekonferenz von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und des Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) vom Donnerstag, 14. Mai, zur Haushaltssituation der Stadt Leipzig betonten beide, dass bei Investitionen Leipzig auf gar keinen Fall sparen wolle. Statt einer Haushaltssperre werde stattdessen eine „Stellenbesetzungsbremse“ eingeführt,

Aber Investitionspläne ohne das benötigte Personal sind Unfug, stellt Tim Elschner, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, fest: „Neue Stadtquartiere sind im Entstehen. Es braucht Bürgerbeteiligung. Ebenso braucht Leipzig den Kita- und Schulbau, der neben dem Wohnungsbau große Wichtigkeit in unserer Stadt hat. Es ist für mich unerträglich, wenn laufende Besetzungsverfahren im Dezernat der Baubürgermeisterin einfach gestoppt und längst fällige Stellenbesetzungen auf die lange Bank geschoben werden müssen und dies mit einer verharmlosenden Wortschöpfung wie der ,Stellenbesetzungsbremse‘ in seiner Auswirkung verharmlost wird.“

Grünen-Stadtrat Tim Elschner. Foto: L-IZ.de
Grünen-Stadtrat Tim Elschner. Foto: L-IZ.de

Und erinnert sei auch daran, dass eine 2019 eigentlich geplante Schuldenaufnahme von 160 Millionen Euro schlicht unterlassen wurde, weil einfach nicht genug Investitionen umgesetzt werden konnten.

Jetzt wieder auf Investitionen zu setzen, ohne genug Personal für Planung und Organisation zu haben, ist geradezu leichtsinnig.

Der Personalaufbau gerade im Dezernat Stadtentwicklung und Bau müsse weitergehen, fordert Elschner, aber auch der laufende Betrieb müsse abgesichert werden.

„Investitionen, die wir brauchen, dürfen nicht ausgebremst werden“, betont er noch. Aber auch: „Laufende Krankheits- und Schwangerschaftsvertretungen dürfen nicht einfach mal so weggespart werden. Laufende Besetzungsverfahren im Dezernat Stadtentwicklung und Bau zu stoppen und qualifizierten Bewerbern erst einmal bis zum Jahresende unverbindlich abzusagen zeugt nicht nur von schlechtem Stil. Es ist auch außerdem das falsche politische Zeichen, welches die Stadt Leipzig sendet, um investitionsfreundlich und Anziehungspunkt für dringend gesuchte Fachkräfte sein zu wollen. – Investitionen brauchen jetzt erst recht eine handlungsfähige Verwaltung und keine ,Stellenbesetzungsbremse!‘“

Und auch FDP-Stadtrat Sven Morlok sieht das Thema Planungspersonal: „Wir brauchen gerade jetzt Investitionen. Für Investitionen braucht es Personal, um die Investitionen zu planen. Und um zu planen, braucht es wiederum Geld, um die Planungen zu steuern. Angesichts von Hauhaltsausgabenresten über 400 Millionen Euro aus dem Vorjahr und aktuell zu erwartenden Konjunkturprogrammen des Freistaates und Bundes brauchen wir umso mehr personelle und finanzielle Planungskapazitäten. Die Devise, gerade in der Krise, lautet daher investieren statt sparen!“

Leipzig schließt das Jahr 2019 wohl mit über 90 Millionen Euro im Plus ab

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