Was war das für ein K(r)ampf, bis der Leipziger Stadtrat im Herbst 2019 endlich den Klimanotstand ausrief. Und wie groß war die Enttäuschung, als Oberbürgermeister Burkhard Jung im Sommer 2020 sein Sofortmaßnahmenprogramm vorstellte, das zwar deutlich zeigte, dass auch Leipzigs Verwaltung kann, wenn sie will. Aber die Dimension der Herausforderung hat die Stadtverwaltung noch nicht wirklich begriffen. Denn sie erreicht nicht einmal die eigenen Klimaschutzziele für 2026.

Ihr geht es dabei genauso wie der Bundesregierung, von der sächsischen Regierung ganz zu schweigen. Jahrelang hat man sich daran gewöhnt, dass ein paar schöne Papiere reichen und ein paar Maßnahmen, die irgendwie positiv zum Klima beitragen. Aber vor den wirklich notwendigen Weichenstellungen hat auch OBM Burkhard Jung immer zurückgescheut.Das hat er lieber dem Stadtrat überlassen, der 2018 ja bekanntlich auch endlich die nötigen Beschlüsse zur Verkehrswende fasste. Zwar hat Leipzig jetzt ein nachhaltiges Mobilitätskonzept. Aber die Umsetzung zieht sich genauso wie die Umsetzung der Energiewende oder die Wende im Radverkehr.

Dabei läuft die Zeit ab. Denn das sogenannte „CO2-Budget“, das die Weltgemeinschaft noch „aufbrauchen“ darf, damit das Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung eingehalten wird, ist 2026 eigentlich verzehrt. Über 30 wertvolle Jahre, endlich umzusteuern, wurden letztlich tatenlos vertan. Auch in Leipzig, das in seinem Selbstlob als „Klimaschutzkommune“ inzwischen sehr still geworden ist. Denn inzwischen ist klar, dass man eben nicht das getan hat, was zur Reduktion der eigenen Treibhausgaslast notwendig gewesen wäre.

Daran erinnern die Grünen jetzt mit einem Fragepaket an die Stadtverwaltung.

Entwicklung der CO2-Aufkommen pro Kopf in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Umsetzungsbericht „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ 2018
Grafik: Stadt Leipzig, Umsetzungsbericht „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ 2018

Rückenwind bekommen sie durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April. Der betrifft zwar nur das völlig unzureichende Klimaschutzgesetz der Bundesregierung. Aber Leipzig hat sich in diesem Feilschen um die Ernsthaftigkeit der Klimaschutzbemühungen nicht viel anders verhalten.

Und so empfindet es auch die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat: „Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat es letzte Woche deutlich gemacht: Die bisherigen Maßnahmen und Ziele zum Klimaschutz reichen nicht aus, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Das verbleibende CO2-Budget muss fair zwischen den Generationen verteilt werden und Emissionen müssen deutlich schneller als bisher geplant gesenkt werden.“

Auch auf Druck der Grünen-Fraktion konnten im Leipziger Stadtrat einige wichtige Erfolge wie der Ausstieg aus der Fernwärme des Kohlekraftwerks Lippendorf erreicht werden. 2019 wurde der Klimanotstand ausgerufen und 2020 das Sofortmaßnahmenprogramm zum Leipziger Klimaschutz auf den Weg gebracht.

Bis 2035 soll die Stadtverwaltung, bis möglichst 2040 die Energieversorgung und bis spätestens 2050 ganz Leipzig klimaneutral sein.

Klimaschutzprogramm nur ungenügend abgearbeitet

„Wenn diesen Zielsetzungen jedoch keine Taten folgen, bleibt alles nur schöne Theorie“, stellt die Grünen-Fraktion jetzt fest. „Fakt ist, das angekündigte neue Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, das die Umsetzung der Klimaschutz-Maßnahmen koordinieren und gewährleisten soll, ist noch immer nicht vollständig personell ausgestattet und hat noch nicht richtig an Fahrt aufgenommen. Außerdem galt das letzte Leipziger Energie- und Klimaschutzprogramm von 2014 bis 2020 und ist damit abgelaufen.“

„Laut letztem Umsetzungsbericht zur Europäischen Energie- und Klimaschutzkommune von 2018 wurden nur 26 der 105 Maßnahmen vollständig umgesetzt. Das Ziel, die Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 4,47 Tonnen pro Jahr zu begrenzen, konnte nicht erreicht werden. Nun fehlt die Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzprogramms bis 2030, welches zentral für die Gewährleistung der Leipziger Klimaschutz-Meilensteine 2035, 2040 und 2050 ist. Alles in allem ist das leider eine enttäuschende Zwischenbilanz für den Leipziger Klimaschutz angesichts der brisanten Lage der globalen Erwärmung.“

Man kann es auch so formulieren: Leipzigs Verwaltung hat sich lange Zeit auf schönen Zielplänen ausgeruht, aber es war niemand da, der die Umsetzung der 2014 beschlossenen Maßnahmen ernsthaft durchgesetzt hätte. Ganz zu schweigen davon, dass selbst die 100-prozentige Umsetzung der Maßnahmen nicht genügt hätte, die Treibhausgasemissionen wirklich spürbar zu senken.

Sophia Kraft, Stadträtin und energiepolitische Sprecherin der Fraktion, fordert daher ein konsequentes Umsetzen von Klimaschutzmaßnahmen: „Mit dem Klimaurteil wird ganz klar herausgestellt, dass der Staat eine Vorsorgefunktion hat, künftige Generationen vor dem Klimawandel ausreichend zu schützen. Wir stehen an einem Wendepunkt. Das muss auch die Leipziger Stadtverwaltung endlich verstehen und jetzt handeln. Ein Herauszögern von Klimaschutzmaßnahmen ist nicht mehr tragbar!“

Deshalb hat die Stadtratsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen jetzt ihre Stadtratsanfrage eingereicht, in der sie kritisch nach der bereits ausstehenden Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 nachfragt: „Wann wird das Leipziger Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 vorliegen?“

Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, freut sich bei der Gelegenheit über die Unterstützung der immer weiter wachsenden Klimabewegung in Leipzig: „Ohne die zahlreichen Initiativen und die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht der Klimabewegung wären wir noch lange nicht so weit beim Klimaschutz. Auch die Forderungen der Leipziger Klimagruppen nach mehr Zielgenauigkeit, mehr Transparenz und mehr Beteiligung beim Leipziger Klimaschutz sind vollkommen berechtigt und müssen endlich von der Stadt gehört und umgesetzt werden!“

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