Ja, wo bleibt es denn nun? Das Leipziger Energie- und Klimaschutzprogramm ist überfällig. Schon 2020 hätte die Fortschreibung kommen müssen. Denn da lief das alte, 2014 beschlossene Programm aus. Oder erlosch an Kraftlosigkeit, könnte man auch sagen. Denn nur ein Viertel der versprochenen Maßnahmen wurde umgesetzt. Und weder 2020 noch 2026 erfüllt Leipzig seine eigenen Klimaschutzziele. Das Umweltdezernat antwortet jetzt auf eine Grünen-Anfrage.

Dass da zwischendurch noch mehr passiert war, was das 2014 so optimistisch verkündete Klimaschutzprogramm obsolet machte, hatten schon die Grünen in ihrer Anfrage festgestellt: „Leipzig hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und 2020 das Sofortmaßnahmenprogramm zum Leipziger Klimaschutz auf den Weg gebracht. Das sind zwei essenzielle Startpunkte für mehr Klimaschutz in der Kommune. Das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, das die Umsetzung der im Sofortmaßnahmenprogramm aufgeführten Maßnahmen koordinieren und gewährleisten soll, ist zwar juristisch eingesetzt, aber personell noch immer nicht komplett ausgestattet“, stellten sie fest.„Das letzte Leipziger Energie- und Klimaschutzprogramm galt von 2014 bis 2020. Das Ziel, die Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 4,47 Tonnen pro Jahr zu begrenzen, konnte nicht erreicht werden. Laut letztem Umsetzungsbericht zur Europäischen Energie- und Klimaschutzkommune von 2018 wurden nur 26 der 105 Maßnahmen vollständig umgesetzt. Momentan gibt es noch keine Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzprogramms bis 2030, obwohl das alte Energie- und Klimaschutzprogramm bereits abgelaufen ist. Das Energie- und Klimaschutzprogramm ist aber zentral für die Konkretisierung der Maßnahmen, die wir brauchen, um die gesetzten Ziele – Klimaneutralität 2035 in der Stadtverwaltung, möglichst bis 2040 in der Leipziger Strom- und Wärmeversorgung und spätestens 2050 in ganz Leipzig – zu erreichen.“

Dass die Sache – mal wieder – ein echtes Personalproblem war, hatte die Grünen-Fraktion schon zu Recht vermutet. Freilich war das vorher auch schon mehrfach im Umweltausschuss des Stadtrates Thema gewesen. So wie in den Planungsämtern der Stadt über Jahre die nötigen Planer und Ingenieure fehlten, so fehlte in der Verwaltung bis 2020 das nötige Personal, um überhaupt in irgendeiner Weise zielführenden Klimaschutz zu organisieren. Das war eigentlich schon 2014 so, als Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal CO2-Einsparziele verkündete, die nicht mal mit den im Klimaschutzprogramm verzeichneten Aufgaben hätten erreicht werden können.

Die Weichen hat wirklich erst der Stadtrat gestellt, und zwar nicht nur mit dem „Klimanotstand“ von 2019, sondern schon 2018 mit dem Beschluss zur neuen Mobilitätsstrategie und 2019 auch noch mit dem Kohleausstieg der Stadtwerke. Es war die ganze Zeit der Stadtrat, der schob und der dann auch noch 2020 die Einrichtung und personelle Besetzung des Klimareferats beschloss. Wohl wissend, dass die Verwaltung bislang kühne Pläne verfolgte ohne Leute, die sie hätten umsetzen können.

Jetzt bestätigt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport das langjährige (und noch nicht ganz bewältigte) Personalproblem: „Durch den Beschluss zum Klimanotstand sind verschiedene Aufgaben, wie beispielsweise die Erarbeitung eines Sofortmaßnahmenprogramms, das gestiegene öffentliche Interesse nach transparenter Information und Beteiligung sowie die Anpassung der Dienstreiseregelung zur bisherigen Klimaschutzarbeit hinzugekommen“, bestätigt das Dezernat.

„Parallel zum Aufgabenzuwachs war und ist der schrittweise Aufbau zusätzlicher Personalressourcen zu bewältigen. Zusätzlich sind im Ref. NEK 3 Stellen geschaffen worden. In den weiteren Fachämtern wurden 6 Stellen geschaffen. Der Prozess der Referatsneubildung, der Aufgabendefinition, der Ausschreibung und Stellenbesetzung ist noch immer nicht abgeschlossen.

Durch den Beschluss zum Sofortmaßnahmenprogramm 2020 wird der Handlungsspielraum im Doppelhaushalt 2021/2022 bereits umfänglich genutzt und die vorhandenen Kapazitäten werden entsprechend der Maßnahmenumsetzung priorisiert. Gleichzeitig haben sich durch den Beschluss zum Klimanotstand die Rahmenbedingungen für das Energie- und Klimaschutzprogramm maßgeblich geändert, was eine Neujustierung des Programms und seines Erarbeitungsprozesses erforderte.“

Wann kommt das neue Energie- und Klimaschutzprogramm?

Da darf man sich durchaus die Augen reiben, denn all das hätte schon 2014 passieren müssen. Mit der Erklärung des Klimanotstands kamen ja keine neuen Erkenntnisse auf den Tisch. Selbst das damals geschriebene Energie- und Klimaschutzprogramm zeichnet glasklar auf, was Leipzig hätte anpacken müssen, um selbst die mageren Einsparziele zu erreichen.

Im Grunde zeichnet das Drama auch für das kleine Leipzig sehr deutlich auf, was im großen Deutschland genauso verdaddelt wurde. (Und die Bundesregierung jetzt zwingt, ihr Klimaschutzprogramm ebenfalls nachzubessern.) Und das auch nicht erst seit 2014. Oder seit Paris 2015, als im Leipziger Rathaus sämtliche Alarmglocken hätten schrillen müssen.

Aber augenscheinlich müssen nicht nur erst wütende Schüler/-innen auf die Straßen gehen, um den Alten in Verantwortung klarzumachen, dass sie endlich den Hintern hochkriegen müssen, um etwas gegen die Klimaerhitzung zu tun, sondern nüchtern urteilende Richter den Politikern klarmachen, dass sie gerade mit alter Ignoranz gegen das Grundgesetz und die Rechte der jüngeren Generationen verstoßen.

Vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April wurde das Leipziger Umweltdezernat nämlich auch wieder kalt erwischt, wie es in seiner Antwort auf die Grünen-Anfrage indirekt zugesteht: „Das Programm sieht bereits jetzt vor, Zwischenziele bis 2030 zu definieren, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen und den aktualisierten Zielen der Bundesregierung ableiten lassen. Die Stadt Leipzig wird aufgrund des Beschlusses des BVerfG auch Zielfestlegungen über 2030 hinaus vorsehen, die der Einhaltung des Pariser Abkommens dienen. Hierbei werden auch die noch zu definierenden Ziele im angepassten Klimaschutzgesetz des Bundes berücksichtigt.“

Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts sind aber die „Zwischenschritte bis 2030“ viel wichtiger. Denn das sind die letzten zehn Jahre, in denen die Welt überhaupt noch etwas tun kann, um noch eine Chance zu erhalten, dass das 2-Grad-Ziel erreicht werden könnte. Das heißt im Klartext: Die großen CO2-Einsparungen müssen vor 2030 erfolgen.

Etwas seltsam liest sich dann, wenn das Umweltdezernat mit Verweis auf das Bundesverfassungsgericht wieder auf den Gesetzgeber Bund verweist, der erst einmal die Rahmenbedingungen schaffen müsste. Wie schlecht das bisher geklappt hat, haben die zurückliegenden Regierungsjahre von Angela Merkel gezeigt.

Nutzt Leipzig überhaupt seine Spielräume zum Gestalten schon aus? Natürlich nicht. Das zeigt schon der Blick auf die Verkehrspolitik, in der immer noch das Primat des Automobils herrscht und jede Verbesserung hin zum Umweltverbund jahrelang ausgebremst wird.

Wird es da wenigstens in diesem Jahr ein beschlussfähiges Klimaschutzprogramm geben?

„Die aktuelle Zeitplanung sieht vor, das Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (EKSP) dem Stadtrat im IV. Quartal 2021 zum Beschluss vorzulegen“, verspricht das Umweltdezernat.

„Die aktuelle Erarbeitung war wesentlich durch das Coronageschehen mitgeprägt. Geplante Beteiligungsformate in Präsenz konnten nicht stattfinden. Vor Beschlussfassung des EKSP werden als Beteiligungsformate noch Beratungen des Klimabeirates und eine weitere Klimakonferenz geplant. Außerdem ist aktuell eine erneute klimapolitische Stunde im Stadtrat in Vorbereitung. Als Ausgleich für die fehlenden Präsenzmöglichkeiten werden aktuell Workshops des Klimabeirates und einer erweiterten interessierten Öffentlichkeit angeboten. Zu den Themen Energie- und Wärmewende, ÖPNV/Mobilität und Klimagerechte Quartiersentwicklung fanden bislang intensive fachliche Austausche statt, die auch Eingang in die Fortschreibung des EKSP finden werden.“

Aus der Ratsversammlung vom 19. Mai 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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