In der Ratsversammlung am 24. Juni wurde es tatsächlich noch einmal kurz Winter. So schnell vergisst man ja bei sommerlichen Temperaturen, dass Leipzig im Februar ja tatsächlich mal eine richtige Winterwoche mit einer Masse Schnee erlebt hatte, die nicht nur die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an ihre Grenzen brachte. Dafür müsste Leipzig jetzt vorsorgen, lautete ein Antrag der Grünen-Fraktion.

Der sich natürlich nicht nur mit diesem Wintereinbruch beschäftigte, der sehr viel mit der Klimaerwärmung zu tun hat. Das hatte Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, im Antrag sogar extra ausführlich erklärt:

„Bedingt durch einen instabilen Polarwirbel über dem Nordpol konnte im Februar 2021 polare Kaltluft nach Mitteleuropa vordringen und hat auch Leipzig vor enorme Herausforderungen gestellt. Inwieweit perspektivisch solche Situationen in Zukunft häufiger auftreten können, bedingt durch den Prozess des Klimawandels, ist derzeit nicht mit Sicherheit feststellbar. Allerdings ist mit einer Zunahme von Extremwettereignissen zu rechnen, zu denen auch Starkregen oder Einbruch polarer Luftmassen gehört. Unabhängig von der auftretenden Häufigkeit kann Leipzig jedoch Lehren aus den Ereignissen 2021 ziehen.“Denn die erste Erfahrung in der Februar-Schneewoche war ja nicht nur, dass auf den Straßen fast nichts mehr ging – Straßenbahnen und Busse fuhren nicht mehr, die Straßenreinigung bekam die Schneemassen nicht von den Straßen, die Müllentsorgung fiel aus und viele Geschäfte konnten nicht mehr beliefert werden.

Das Frappierendste war die ausbleibende Kommunikation. Da bewunderte Jürgen Kasek zwar geradezu die LVB, die fleißig twitterten. Aber selbst dieses Twittern erzeugte oft genug Chaos, weil die angekündigten Bahnen dann doch nicht kamen.

Aber das war, so Kasek, wenigstens ein gutes Beispiel dafür, dass bei so einem Ereignis die Kommunikation nicht zusammenbrechen muss. Die Stadtreinigung informierte überhaupt nicht über den Stand ihrer Räumarbeiten. Das müsse sich ändern, und zwar nicht nur für einen extremen Schneefall, so die Grünen.

Der Eigenbetrieb Stadtreinigung, der im Wesentlichen hinter dem Verwaltungsstandpunkt steht, zeigte sich einsichtig und übernahm den Punkt, wenn auch etwas abgewandelt: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, jeweils eine Karte des kommunalen Straßenwinterdienstes sowie des Anliegerwinterdienstes an kommunalen Liegenschaften im Stadtplan plus online zu stellen.“

Ob das reicht, wird der nächste Schneefall zeigen. Immerhin wies SPD-Stadtrat Andreas Geisler noch darauf hin, dass es in der Stadt eigentlich an Schneelagerplätzen fehlt, auf die bei solchen Schneemassen auch der Schnee aus den Straßen gebracht werden kann, denn im Februar schippten insbesondere die Autobesitzer ja den Schnee im Grunde immer nur von einer Stelle auf die andere, ohne dass sich an der Situation in der Straße grundlegend etwas änderte.

Im zweiten Antragspunkt griffen die Grünen die Freiwilligen-Engagements auf, die es ja im Februar sofort gegeben hatte. Viele Bürger suchten geradezu nach Scheeschippaktionen, an denen sie sich beteiligen konnten, um die Stadt schnellstmöglich wieder in Gang zu bekommen. Nur stadtübergreifende Informationen gab es dazu keine.

„Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Erstellung sowie Umsetzbarkeit eines Konzeptes für das Freiwilligenmanagement sowie damit einhergehende rechtliche Gesichtspunkte zu prüfen. Mit dem Freiwilligenmanagement sollen in außergewöhnlichen Situationen die Bereitschaft zum Engagement gefördert und Einsätze von Freiwilligen zielgerichtet koordiniert werden können“,  lautet nun die Formulierung der Stadtvorlage dazu.

„Die grundsätzliche Idee eines Freiwilligenmanagements ist seitens der Stadtverwaltung begrüßenswert, da auf diesem Weg ungenutzte Ressourcen und bürgerschaftliches Engagement gebündelt und nach fachlichen Kriterien zielgerichtet eingesetzt werden können. Insoweit prüft die Stadtverwaltung die sachlichen und rechtlichen Bedingungen“, lautet die Erläuterung, der man ansieht, dass im Rathaus niemand einfach fröhlich die Ärmel hochkrempeln mochte, um einfach eine stadtweite Seite einzurichten, auf der im Wetterfall einfach alle Freiwilligendienste koordiniert werden.

Wer sich an das Hochwasser von 2013 erinnert, als es um die Deichverteidigung bei Großzschocher ging, der weiß noch, dass es die Stadtverwaltung auch damals nicht auf die Reihe bekommen hat. Da musste dann auch wieder eine Initiative der Leipziger – „Leipzig hilft“ – in die Bresche springen.

Da erstaunt es schon, dass die Stadt bis heute keine solche Koordinierungsseite auf die Beine gestellt hat.

Der Eigenbetrieb Stadtreinigung will dabei nun beratend tätig werden: „Sofern eine Realisierung danach möglich ist, erfolgt nach konzeptioneller Erarbeitung das Management der Freiwilligen (Privatpersonen) durch die Stadtverwaltung.“

Eigentlich eine seltsame Haltung, denn dass es in Zukunft immer häufiger zu Extremwetterereignissen kommen wird, bei denen auch öfter echtes Freiwilligenengagement gebraucht wird, hat nicht erst der Schneefall im Februar deutlich gemacht. Irgendwie nimmt Leipzigs Stadtverwaltung die Klimaentwicklung immer noch nicht ernst, sonst hätte es diese Seite längst gegeben. Und zwar gekoppelt mit den Informationen aus LVB und Stadtreinigung.

Da war Jürgen Kasek vielleicht noch nicht lebhaft genug, darauf hinzuweisen, dass Leipzig schon längst mittendrin ist und Wetterextreme nicht mehr die Ausnahme sind, sondern die Regel. Auch die zurückliegenden Dürresommer und die aktuellen Waldbrandstufen gehören hierher. Nichts ist dringender, als den Leipzigern auf einer aktuell betreuten Seite zu zeigen, dass die Extreme jetzt schon da sind. Und wie jeder sich dabei verhalten muss.

Am Ende war die Sache eigentlich klar genug, sodass OBM Burkhard Jung per Handzeichen abstimmen lassen konnte. Und dennoch gab aus auf den Rechtsaußen-Stühlen wieder Handzeichen gegen die Vorlage. Da außen rechts ist die Dringlichkeit des Klimawandels sichtlich noch immer nicht verstanden worden.

Die Debatte vom 24. Juni 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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