Seit Mittwoch, 1. Dezember, können Leipzigerinnen und Leipziger bis einschließlich 31. Dezember 2021 an der nunmehr zweiten Online-Umfrage zum Masterplan Grün Leipzig 2030 unter www.leipzig.de/masterplan-gruen teilnehmen. Der Konzeptentwurf sieht vor, das Leipziger Stadtgrün und die Gewässer langfristig zu sichern und zu entwickeln. Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, ihre Ideen und Vorschläge dafür einzubringen. Denn natürlich sehen auch städtische Planer nicht alles.

Wie es sich tatsächlich lebt in einer Stadt, die zunehmend auch die Folgen der Klimaerhitzung zu spüren bekommt, das wissen die Stadtbewohner in ihren Ortsteilen am besten. Sie wissen, wo es an Grün fehlt, an Schatten, Erholungsmöglichkeiten und Naturerlebnis.Für den Masterplan Grün wurde das Stadtgebiet hinsichtlich der fünf Leitthemen analysiert und beurteilt: Anpassung an den Klimawandel, Biodiversität, Gesundheit, Umweltgerechtigkeit und umweltgerechte Mobilität. Die Vorschläge von Fachplanern für die Verbesserung der Biodiversität, des Klimakomforts und der Versorgung mit Grünflächen in der Nachbarschaft können Bürgerinnen und Bürger bewerten und ergänzen, betont das Amt für Stadtgrün und Gewässer.

Der Masterplan definiert zwar schon all die schon existierenden grünen und blauen Räume im Stadtgebiet, die geschützt und erhalten werden sollen – vom Auwald über die großen und kleinen Parks bis hin zu Friedhöfen und Kleingartenanlagen. Auch die diversen Flussgebiete in der Stadt, die für Kühlung und Grünraum genauso wichtig sind wie für die Hochwasservorsorge, sind definiert.

Grüne Schneisen und Hitzeinseln

Doch ein wesentliches Problem, das gerade mit den Messungen des Deutschen Wetterdienstes im Jahr 2014 deutlich wurde, ist das an vielen Stellen – gerade in dichter Wohnbebauung – Spürbarwerden von fehlenden Kaltluftschneisen. Was nicht nur daran liegt, dass es an durchgehenden unbebauten Zonen fehlt, denn selbst da, wo es sie gibt, heizt sich die Luft auf, weil riesige Flächen – Straßen, Plätze, Kreuzungen, Parkplätze – versiegelt sind.

Natürlich ist das ein Thema auch für die Blau-Grüne Infrastruktur, denn der aktuelle Entwurf zum Masterplan betont die wichtige Rolle von Vernetzungen für die schon existierenden grünen und blauen Inseln. Ein Thema, welches das Amt für Stadtgrün und Gewässer ja schon im Grünen Bogen Paunsdorf für alle sichtbar umsetzt. Da werden alte Parks und Grüninseln restauriert und gleichzeitig neue Erholungsflächen und möglichst grüne Wegeverbindungen geschaffen.

Weshalb selbst das Thema Mobilität im Masterplan auftaucht. Überraschenderweise, darf man sagen, weil sich ein Teil der Verwaltung immer noch taub stellt, wenn es um eine natur- und klimaverträgliche Mobilität in Leipzig geht. Aber die gibt es nur, wenn dem fossilen Verkehr spürbar Fläche entzogen wird und die umweltgerechte Mobilität endlich ein verlässliches Wegenetz bekommt.

Ergebnisse aus der Online-Umfrage 2019: Was wünschen sich die Leipziger/-innen in ihrem direkten Wohnumfeld? Grafik: Stadt Leipzig
Ergebnisse aus der Online-Umfrage 2019: Was wünschen sich die Leipziger/-innen in ihrem direkten Wohnumfeld? Grafik: Stadt Leipzig

So heißt ein Arbeitspunkt im Masterplan denn auch: „Alternative bewegungsförderliche Mobilitätsformen ausbauen“. Mit einer Erkenntnis, die durchaus verblüfft, wenn man auf die gleichzeitig schleppende Verkehrswende in Leipzig schaut.

Da fließt ganz unübersehbar einiges nicht zusammen und arbeiten Ämter abgeschottet nebeneinander her:

„Städte sind durch Bewegungen geprägt. Die negativen Auswirkungen von hohem Flächenverbrauch, damit einhergehender Versiegelung und zunehmender Schadstoffbelastung sind besonders dem motorisierten Individualverkehr zuzuschreiben. Um Gesundheit und Umwelt zu entlasten, ist vorrangig der unmotorisierte Verkehr, also der Rad- und Fußverkehr, zu fördern und dieser mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu koppeln.“

„Aktive Mobilität per Rad und Fuß wird durch den qualifizierten Ausbau eines Netzes für Rad- und Fußverkehr gesichert. Gezielt eingesetzte Straßenvegetation, attraktiv gestaltete Fußgängerwege, Radstreifen und -parkplätze und ein Wegenetz entlang von Freiraumstrukturen und Gewässern erhöhen den Komfort, die Attraktivität und die Sicherheit der aktiven Bewegungen durch die Stadt. Dazu gehört auch die Verknüpfung von Bus und Bahn.“

Da kann man gespannt sein, ob dieser Ansatz nun endlich auch im neuen Radverkehrsentwicklungsplan auftaucht, der längst überfällig ist. Denn natürlich müssen die großen Pläne der Stadt alle ineinandergreifen. Aber das tun sie in der Regel nicht. Der Hauptgrund dafür ist das Ressort- und Ämterdenken. Und die Ämter sind alle noch nach klassischem Muster aus Zeiten gestrickt, in denen Städte überhaupt noch nicht als Akteur im Klimaschutz begriffen wurden.

Die Stadt muss sich anpassen lernen

Weshalb dann auch Leipzigs Klimaanpassungsstrategie von 2016 irgendwie als UFO nebenher fliegt und wieder auf andere Weise Maßnahmen aufzeigt, die nun wieder die Klimafolgenbelastung für die Stadt mindern sollen. Obwohl das nur mit einem allumfassenden Gesamtprogramm zu machen ist. Dazu muss man die Stadt als Gesamtorganismus denken und auch echte No-Gos definieren.

Deswegen ist dieser Satz aus der Kurzfassung auch sehr bedenklich: „Umweltgerechtigkeit beschreibt den Zusammenhang zwischen sozialer Lage, Umwelt, Gesundheit und Chancengleichheit. Mit diesem ist auch eine gerechte Verteilung von Umweltbelastungen und Umweltressourcen gemeint.“

Schön, aber falsch. Eine Stadt, die wirklich Umweltgerechtigkeit schaffen will, mindert im ganzen Stadtgebiet die Umweltbelastungen und schafft für alle Stadtbewohner besseren Zugang zu den Umweltressourcen.

Hier geht es nicht um eine andere Lastenverteilung, sondern um eine gezielte und massive Lastenminderung – natürlich zuvörderst in den hochbelasteten Stadtgebieten – an den Hauptstraßen zum Beispiel, aber auch in den Gewerbegebieten (zu denen der Masterplan ganz explizit die hohe Versiegelung thematisiert), in eng bebauten Quartieren ohne Straßengrün, aber hohem Parkdruck, usw.

Da taucht dann nämlich am Horizont langsam eine Stadt als Zukunftsbild auf, in der die Versiegelung deutlich zurückgebaut wird, in der umweltgerechte Verkehrsarten prinzipiell Vorfahrt haben und so selbstverständlich und barrierefrei sind, dass ein Abschied von der  privaten Auto-Mobilität kein Problem mehr darstellt. Das es jetzt noch immer ist. Die Fehlstellen des Leipziger ÖPNV sind noch nicht mal im letzten Nahverkehrsplan wirklich definiert worden. Ob sie im neuen auftauchen, darf man bezweifeln.

Es geht immer um Grün

Und da wird natürlich auch ein Ergebnis aus der letzten Online-Umfrage zum Masterplan Grün-Blau wichtig. Da durften die Leipziger/-innen nämlich sagen, was sie sich in ihrem Wohnumfeld besonders wünschen. Und es überrascht nicht, dass es die meisten Nennungen für begrünte Straßen, grüne Wegeverbindungen und grüne Stadtplätze gab. Was ja eigentlich auch bedeutet, dass Leipzig – auch aus Sicht seiner Bewohner/-innen – in vielen Bereichen viel zu wenig Grün hat.

Die soziale Frage dabei wird ja zumindest angetippt. Denn die höchsten Mieten werden genau dort verlangt, wo die Wege zu den wertvollsten und größten Grün-Inseln am kürzesten sind. Da kann man gespannt sein, ob es den Leipziger/-innen jetzt in der zweiten Beteiligungsrunde gelingt, noch mehr wichtige und gute Ideen in den Masterplan hineinzubekommen.

Voraussichtlich im Frühjahr 2022 sollen die Ergebnisse der Online-Umfrage in einem öffentlichen Bürgerforum präsentiert werden. Die Informationen zum Thema gibt es im Internet auf der Seite www.leipzig.de/masterplan-gruen.

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Keine Kommentare bisher

Das ist ja vielleicht eine bescheuerte Umfrage 🙂 – gibt es das auch in “leichter Sprache” für Doofe wie mich, die nur Architektur studiert haben?

Im Ernst.
Wozu werden diese Fragen an eine Allgemeinheit gestellt, wenn diese sich sowieso nur an an spezialisiertes Fachpublikum richten, welches eh schon in den üblichen Bedenken- und Anregungsträgern (sprich Lobby) organisiert ist?

Fragen die die Antwort vorgeben, Pläne, die abgenickt werden wollen…gibt es keine Möglichkeit, das einfach ganz anders zu denken?

Es ist ja schön für alle, die Quakfrösche lieben und den begrünten Hinterhof ihres selbstverwalteten Mehrgenerationenhauses im Szeneviertel mit frischer Luft aus dem Umland aufgewertet haben wollen…?
Ich erkenne da einige Konzepte wieder, die bereits während meines Studiums in den früheren 80er nicht mehr relevant als eine Pflichtsudienarbeit waren.

Ich kenne mich schon ganz gut aus in allen genannten Gebieten/Achsen… nur mit rosaroter Grünbrille sind einige dieser Ideen und Konzepte zu verstehen, ich sage nur Paunsdorf, Mockau-Neuschönefeld usw. – ich frage mich ob die Autoren jemals dort zu Fuß unterwegs waren.

Just sayin..

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