Stilecht ging Martin Meißner am 19. Januar ans Rednerpult, um für einen Grünen-Antrag zu werben, von dem er vorher schon wusste, dass er keine Chance auf eine Mehrheit hatte. Zu viel Widerspruch war schon vorher aus den anderen Fraktionen gekommen. Und das Amt für Stadtgrün und Gewässer hatte gleich eine ganze Liste von Ablehnungsgründen geliefert, die das Aufstellen von Kronkorken-Sammelbehältern letztlich für überflüssig erklärten.

Was sie ganz bestimmt nicht sind. Aber vielleicht wollten die Grünen einfach zu viel auf einmal. Wer zu viele gute Gründe liefert für einen Vorschlag, der macht sich angreifbar. Denn am Ende findet sich immer jemand, der ein Argument dagegen findet. Egal, ob es nur aus dem Bauch kommt oder aus einer ganz amtlichen Überlegung zum Aufwand und zum Kosten-Nutzen-Verhältnis.Aber wahrscheinlich war der Antrag auch nur eine Ecke zu allgemein gefasst. Denn den Park, in dem das Phänomen der auf die Wiese entsorgten Kronkorken besonders prekär ist, nannte Martin Meißner erst in seiner Stadtratsrede: den Lene-Voigt Park.

Wo es an Abfallkübeln gewiss nicht mangelt, wie er feststellte. Aber dennoch bestünde die Wiese dort häufiger eher aus Kronkorken als aus Gräsern. Und die Frage ist nur zu berechtigt: Wie bekommt man Leute dazu, dann trotzdem die kleine Mühe auf sich zu nehmen, die Kronkorken bis zu einer großen Plexiglasröhre am Parkausgang mitzunehmen, in der Kronkorken für einen guten Zweck – in diesem Fall für das Pflanzen von Obstbäumen – gesammelt werden.

Die grünen Argumente für das Kronkorkensammeln

„Häufig achtlos entsorgte Kronkorken sind nicht nur aus Umwelt- und Sauberkeits-Gesichtspunkten ein Ärgernis, sondern auch aus Gründen der Ressourcenverschwendung. Kronkorken bestehen aus Kunststoff und Weißblech und lassen sich gut recyceln und im Ressourcenkreislauf nutzen“, stellten die Grünen in ihrem Antrag fest.

„Ein Kronkorken wiegt etwa 2,2 Gramm, ein Kilogramm besteht demnach aus etwa 500 Kronkorken, was wiederum einem Erlös von etwa 12 Cent entspricht. Der Recyclingerlös bewegt sich demnach zwischen 100 und 150 € pro Tonne. Die Sammlung der Kronkorken für einen guten Zweck ist eine Möglichkeit, einerseits stärker auf das Thema des Ressourcenverbrauches aufmerksam zu machen und andererseits zu helfen, die Materialien dem Kreislauf zurückzugeben und von den Erlösen einen Mehrwert zu schaffen. Hier schlagen wir vor, dass die Erlöse dazu dienen, an geeigneten Stellen im Sinne der ‘Essbaren Stadt’ Obstbäume zu pflanzen und für die nächsten Generationen nutzbar zu machen.“

Und während das Amt für Stadtgrün und Gewässer auf den hohen Sortieraufwands und die geringen Erlöse der Sammlung verwies, nannte Meißner ein schon existierendes Projekt, wo es funktioniert: „Dieses Modell praktiziert mittlerweile seit Ende 2019 sehr erfolgreich der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit seiner Stadtreinigung und einem Kooperationspartner, der Surfrider Foundation – einerseits mit Behältern für Kronkorken, andererseits mit Behältern für ansonsten achtlos in die Natur entsorgte und voller Giftstoffe und Mikroplastik steckende Zigarettenkippen“, heißt es im Antrag.

Keine Lust zum Spielen …

Aber Meißner nannte noch einen Aspekt, der im Grünen-Antrag nicht vorkommt, der aber deutlich macht, warum so ein Projekt wie in Kreuzberg funktionieren kann: Die Verwandlung eines simplen Sauberkeits-Verhaltens (das bei einigen Zeitgenossen augenscheinlich nicht aktivierbar ist) in ein Spiel.

Meißner nennt es „Gamification“. Aus dem Sammeln der Kronkorken wird ein kleiner Wettbewerb, der aus Meißners Sicht auch von Ortsteil zu Ortsteil ausgetragen werden könnte – zwischen dem Lene-Voigt-Park in Reudnitz etwa und einer beliebigen Wiese in Connewitz. Wer schafft es am schnellsten, die Plexiglasröhre mit Kronkorken zu füllen?

Aber der Widerspruch aus dem Rest des Stadtrates war so groß, dass nicht mal eine Gegenrede zustande kam. Und so war dieser Grünen-Antrag schon nach anderthalb Minuten vom Tisch und bekam nur 14 Stimmen aus der Grünen-Fraktion und 37 Gegenstimmen.

Ist nur zu hoffen, dass die Kronkorken dann tatsächlich in den Abfallsammelbehältern landen. Denn da gehen sie dann nicht verloren, wie das Amt für Stadtgrün und Gewässer erklärt: „Unter Berücksichtigung der Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist zu erwähnen, dass der Rohstoff durch die aktuell praktizierte Sammlung nicht verloren geht. In den von uns beauftragten Verwertungsanlagen werden bereits zum aktuellen Zeitpunkt eisenhaltige und nicht eisenhaltige Metalle (somit auch Kronkorken) in einem speziellen Verfahren ausgeschleust und dem Wertstoffkreislauf zugeführt.“

Die Debatte vom 19.01.2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar