Auch das ist so eine Diskussion, die derzeit durch Sachsen wabert: Wie hoch ist eigentlich die Impfquote im öffentlichen Dienst und insbesondere beim Pflegepersonal? Immerhin gingen ja zahlreiche Meldungen durch die Presse, dass tausende Pflegekräfte jetzt auf einmal mit Stellengesuchen angeblich nach einer neuen Arbeitsstelle suchen, weil sie sich nicht impfen lassen wollen. Die meisten wohl getürkt. Wie sieht es da aber in Leipzig aus, wollte die Linksfraktion wissen.

Denn dass in Sachsen nur knapp 66 Prozent der Pflegekräfte geimpft sind, ist mittlerweile bekannt. Und das sind deutlich weniger als in westlichen Bundesländern. Augenscheinlich können sich viele Menschen, die in der Pflege arbeiten, der Stimmungsmache in ihren Heimatkreisen nicht entziehen und lassen sich auch wider besseres Wissen davon abhalten, sich impfen zu lassen.Gerade einmal 50 Prozent des Pflegepersonals in der Sächsischen Schweiz sind nach einer Umfrage der „Tagesschau“ geimpft.

Dass das wenig mit ihrer Profession als Pflegekraft zu tun hat, aber sehr viel mit dem meinungsbildenden Umfeld, das machen die Zahlen aus Leipzig deutlich, über die selbst Linke-Stadtrat Volker Külow staunte, der am 9. Februar in der Ratsversammlung noch ein paar Nachfragen hatte. Denn sie unterscheiden sich gravierend von den Zahlen im sonstigen Sachsen.

„In der Stadtverwaltung sind 90 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entweder vollständig geimpft (87,2 %) oder vor weniger als 3 Monaten genesen (2,9 %). Daten dazu, wie viele Beschäftigte teilweise geimpft sind oder die Boosterimpfung erhalten haben, liegen nicht vor“, teilte das Sozialdezernat auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion mit.

Auch im Pflegebereich: hohe Impfquoten

Schon das im Sachsen-Vergleich recht hohe Zahlen. Aber da, wo es in städtischen Einrichtungen um Pflege geht, sind die Zahlen ganz ähnlich: „Im Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe Leipzig (SEB) sind 89,4 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft, (62,1 % geboostert), 0,8 % teilweise geimpft, 1,5 % vor weniger als 3 Monaten genesen und 8,3 % ungeimpft.

Im Städtischen Klinikum St. Georg (Eigenbetrieb der Stadt Leipzig) sind 81 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft (62,8 % geboostert), 1,5 % teilweise geimpft, 0,3 % vor weniger als 3 Monaten genesen und 17,2 % ungeimpft.

In der Klinikum St. Georg gGmbH sind 77 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft (59,4 % geboostert), 4,7 % teilweise geimpft, 2 % vor weniger als 3 Monaten genesen und 16,3 % ungeimpft.

In der Städtische Altenpflegeheime Leipzig gGmbH sind 86 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft (58,8 % geboostert), 3,7 % teilweise geimpft, 2,7 % vor weniger als 3 Monaten genesen und 7,6 % ungeimpft.“

Hohe Zahlen in ganz Leipzig

Was Volker Külow dabei fehlte, waren noch Angaben zu den anderen Eigenbetrieben der Stadt. Aber die habe man – so Sozialbürgermeister Thomas Fabian – so schnell nicht ermitteln können. Die werde man also noch nachreichen.

Dafür hatte er auch noch Zahlen vom Freistaat für den gesamten Pflegebereich in Leipzig, zu dem ja nicht nur städtische Einrichtungen gehören: „Nach einer Information des Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zu Impfquoten von Beschäftigten in vollstationären Pflegeeinrichtungen (Alten- und Pflegeheime, Wohnpflegeheime, Kurzzeitpflege, Wachkomaversorgung, Intensiv-Pflege, Hospize) sind in diesen Bereichen in Leipzig 4.860 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Der Anteil an vollständig grundimmunisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beträgt 83,6 Prozent, davon sind 58,9 Prozent geboostert (Stand 14.01.2022).“

Das heißt, die Gruppe derjenigen Pflegekräfte, die sich bisher noch nicht gegen Corona haben impfen lassen, ist deutlich kleiner als im Sachsendurchschnitt. Was – wie diese Zahlen zeigen – eben nicht nur an der Atmosphäre in der Stadtverwaltung und ihren Eigenbetrieben liegt, sondern an der Gesamtstimmung der Stadt, in der die sogenannten „Impfskeptiker“ wesentlich weniger Widerhall bekommen als in den sächsischen Landkreisen, wo auch die „Spaziergänge“ wesentlich größeren Zulauf bekommen.

Menschen reagieren nun einmal immer auf ihr persönliches Umfeld. Und wenn da der Druck hoch ist, sich ja nicht impfen zu lassen, fügen sich dem auch Menschen, die eher schwanken oder sogar wissen, dass die Impfung besser wäre für sie selbst und die Gemeinschaft.

Keine Massenkündigungen

Die Linksfraktion wollte freilich nun auch wissen, ob denn nun Leipziger Pflegekräfte reihenweise kündigen und sich andere Arbeitsstellen suchen, weil sie sich nicht impfen lassen wollen.

Aber da kann auch das Sozialdezernat nur auf die Angaben der Arbeitsagentur zurückgreifen: „Informationen oder Schätzungen, ob und ggf. wie viele Beschäftigte in Einrichtungen nach § 20a IfSG mit dem Inkrafttreten der Impfpflicht aus dem Beruf ausscheiden wollen oder werden, liegen der Stadtverwaltung nicht vor.

Von Dezember 2021 zu Januar 2022 gab es nach Information der Agentur für Arbeit 437 neue Arbeitsuchendmeldungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe (Dezember 2019 zu Januar 2020: 264, Dezember 2020 zu Januar 2021: 310). Darunter gab es 194 neue Arbeitsuchendmeldungen von Pflegerinnen und Pflegern (Dezember 2019 zu Januar 2020: 69, Dezember 2020 zu Januar 2021: 94). Es ist anzunehmen, dass für diese Meldungen als arbeitssuchend unterschiedliche Gründe vorliegen, diese werden nicht statistisch erhoben.“

Denn ein Effekt der Corona-Pandemie wird ja oft ausgeblendet: Dass viele Pflegekräfte auch deshalb die Arbeitsstelle wechseln möchten, weil Stress und Arbeitsbelastung deutlich zugenommen haben. Es kann durchaus sein, dass in den Zahlen auch Personen stecken, die nun eine Arbeitsstelle suchen, wo sie nicht geimpft sein müssen. Aber es ist in Leipzig auf jeden Fall eine ziemlich überschaubare Gruppe und ganz bestimmt keine Massenbewegung.

Trotzdem bekommen die betroffenen Einrichtungen dann Probleme, wie das Sozialdezernat feststellt: „Personalreserven gibt es in den betreffenden Einrichtungen in der Regel nicht, deshalb müssten die Träger ggf. Neueinstellungen vornehmen und vorübergehend andere Lösungen finden.“

Aber in der Regel führen solche Abgänge zur Mehrbelastung der verbliebenen Mitarbeiter/-innen.

Es ist also auch hier ganz offensichtlich eine Frage der Solidarität, ob sich die Mitarbeiter/-innen der Pflegeeinrichtungen nun impfen lassen oder lieber kündigen, wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt.

Die Debatte vom 9. Februar 2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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