Es ist schon verblüffend, wie lange Anträge aus dem Stadtrat zuweilen brauchen, bis es dazu eine belastbare Stellungnahme der Stadt gibt. So wie bei einem Antrag der Grünen-Fraktion, den diese im Juni 2021 gestellt hat. Anlass war die Nicht-Verwandlung der Gottschedstraße in eine Freisitz-Straße. Eine Baustelle verhinderte das. Also beantragten die Grünen Schanigärten nach Wiener und Münchner Vorbild. Und die soll es 2022 auch geben. Gastwirte müssen sie nur beantragen.

Die Sperrung eines Stücks der Gottschedstraße für Freisitze stand ursprünglich im Sofortprogramm des OBM zum Klimanotstand. Das Pilotprojekt sollte ja nicht nur Platz schaffen für so dringend benötigte Sitze unter freiem Himmel, damit sich die Leipziger/-innen in der Corona-Zeit nicht in den Innenräumen der Gasthäuser drängen müssen. Es sollte auch zeigen, wie sich innerstädtische Straßen verwandeln können, wenn man sie einmal grundsätzlich dem Autoverkehr entzieht.Aber so mutig war Leipzig dann doch noch nicht.

Aber der Idee der Schanigärten stehen das Ordnungs- und das Baudezernat aufgeschlossen gegenüber. Und ausprobiert habe man es ja auch schon. Dazu müssten die Wirte nur einen entsprechenden Antrag stellen, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme der beiden Dezernate, die der saisonalen Umwandlung von Stellplätzen zugunsten von Freisitzen von Mai bis September grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Und das an bis zu sieben Wochentagen für Gastronomie (Freischankflächen), Handel sowie für nachbarschaftliche und kulturelle Nutzungen.

Wobei die Schanigärten natürlich zuerst auf gastronomische Nutzung zielen.

„Ein sogenannter Schanigarten ist dabei nur eine in Teilen Österreichs und Bayerns gebräuchliche Bezeichnung für die bei uns als Freisitz bezeichnete Außengastronomie.  Insoweit ist der Schanigarten als eine einem Gastronomiebetrieb zugeordnete Freisitzfläche zunächst keine eigenständig neue Sondernutzungsform. Neu ist dagegen, dass dieser grundsätzlich auch auf öffentlichen Parkstellflächen zugelassen werden soll“, formulieren die beiden Dezernate, stellen aber auch fest, dass man das sogar schon ausprobiert hat:

„Als Pilotprojekt erfolgt in Leipzig die Möglichkeit der Verlagerung von Freisitzen in Park-buchten der Gottschedstraße bis zu deren endgültiger Neugestaltung (als Maßnahme 22 des Klimaschutzsofortprogramms). Weitere Nutzungsarten in Parkbuchten sind in der Gottschedstraße nicht vorgesehen. Dort geht es auch darum, die Gehwege zugunsten des Flanierens der Fußgänger in einer angenehmen Breite zu erhalten. Hier sind bereits Freisitze in Parkbuchten verlagert worden.“

Aber auch anderen Nutzungen steht man nicht ganz abgeneigt gegenüber:

„Sogenannte Parklets, gestaltete Sitzgelegenheiten, die der Allgemeinheit durch bürgerschaftliches Engagement unbeschränkt zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden, sollen als neue Sondernutzungsart in Leipzig ebenfalls zum Teil in Parkflächen, d.h. auf der öffentlichen Fahrbahn aufgestellt werden können. Der Antrag ist entsprechend der gesetzlichen Vorgaben auszulegen.

Eine pauschale Erlaubnis von Sondernutzungsarten auf öffentlichen Parkstellflächen ist nicht zulässig, da Sondernutzungserlaubnisse gemäß § 18 SächsStrG der Einzelfallprüfung bedürfen. Deshalb soll dem Antragsbegehren durch eine Änderung der Verwaltungspraxis entsprochen, aus rechtlichen Gründen aber die Einzelfallprüfung beibehalten werden.“

Aber jede Stadt fängt mal klein an. Ob sie einen Schanigarten auch entsprechend bewirtschaften können, müssen ja die Gastwirte selbst entscheiden. Die Bewilligung – so kann man es aus der Stellungnahme herauslesen – soll es dann recht unbürokratisch geben.

14 Tage Bearbeitungszeit

„Das Erlaubnisverfahren ist in der gültigen Sondernutzungssatzung bereits transparent geregelt“, kann man da lesen. „Die Bearbeitungszeit der Anträge ist mit 14 Tagen bereits auf ein noch vertretbares Minimum reduziert. Das geregelte Verfahren hat sich in dieser Form bewährt und ist bei den Antragstellern, insbesondere den Gastronomen und Händlern eingespielt. Vereinfachungen, soweit dies für eine rechtliche Prüfung möglich ist, wie z.B. bei wiederholenden Anträgen, sind bereits in der Satzung verankert. Dem Beschlussvorschlag wird daher bereits entsprochen.“

Was auch heißt: Zeitlicher Druck ist nicht da, auch wenn die Stellungnahme jetzt erst einmal zur Beratung in die Ausschüsse des Stadtrates geht. Und Sinn ergibt ein Antrag ja auch nicht in jeder Straße. Eine gewisse Ungestörtheit wollen ja die Freisitzbesucher trotzdem haben und nicht unbedingt direkt neben rauschendem Verkehr sitzen.

In Wien und München tragen die Schanigärten auf ihre Weise so auch zur zusätzlichen Verkehrsberuhigung im Wohnviertel bei. Denn auch Autobesitzer wollen ja nicht unbedingt mit Freunden draußen sitzen, während ständig Kraftfahrzeuge vorbeibrummen. Da, wo die Sache angenommen wird, könnte dann der Schanigarten-Sommer zu einer jährlichen Einrichtung werden. Und vielleicht erfährt die Stadt auf diese Weise sogar, welche Straßen man für den Durchfahrtverkehr tatsächlich dauerhaft schließen kann.

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