Im November 2022 haben wir bei der Stadtreinigung Leipzig angefragt, ob ein Interview mit Thomas Kretzschmar, Betriebsleiter der Stadtreinigung, im Dezember möglich wäre. Leider kamen der Winter und der hohe Krankenstand dazwischen, das Interview wird 2023 stattfinden. Aber die wichtigsten Fragen, die nicht nur Radfahrer in Leipzig umtreiben, hat er trotzdem schon schriftlich beantwortet.
Der Winter ist ja nun pünktlich zu seinem meteorologischen Beginn zu uns gekommen. Wie sehen Sie die Stadtreinigung vorbereitet und wie sind die ersten Erfahrungen?
Die Stadtreinigung Leipzig ist gut aufgestellt für den kommunalen Winterdienst. Alle Mitarbeiter/-innen sind entsprechend geschult, alle Fahrzeuge umgerüstet und wir haben genügend Streugut vorrätig. Bei Glatteisgefahr kommt Auftausalz und Salzlösung zum Einsatz. Andernfalls verwenden wir abstumpfende Streumittel, wie Ulopor und testweise Lavagranulat.
Insgesamt 458 Arbeitskräfte sind für die Winterdienstaufgaben im Bedarfsfall eingebunden. Neben der Winterdienstpflicht auf den verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Straßen (598 km des insgesamt 1.720 km langen Leipziger Straßennetzes) betreuen wir unter anderem 402 Straßenkreuzungen, Fußgängerüberwege und -lichtsignalanlagen, 262 separaten Querungshilfen (also nicht in Kreuzungsbereichen) sowie 141 Brücken.
Außerdem erfüllen unsere Gärtnerinnen und Gärtner die Anliegerpflichten auf den Gehwegen entlang der städtischen Grünanlagen.
Die ersten Winterdiensttage liegen hinter uns und die Stadtreinigung Leipzig ist zufrieden mit dem Einsatz. Die Befahrbarkeit und Durchlässigkeit des Straßennetzes auf den Hauptverkehrsrouten konnte hergestellt werden. Insbesondere der vorbeugende Einsatz von auftauenden Streumitteln im Straßenwinterdienst hat sich dabei bewährt.
Wie ist aktuell die Personalsituation bei der Stadtreinigung, ich denke besonders an den Krankenstand?
Auch die Stadtreinigung Leipzig bleibt von der aktuellen Krankheitswelle nicht verschont. Um unsere prioritären Aufgaben wie z. B. Abfallentsorgung und Winterdienst dennoch erfüllen zu können, erfolgt bei erhöhtem Krankenstand eine Umverteilung der Arbeitskräfte aus anderen Bereichen. Eine Garantie für die Erbringung aller Leistungen gibt es allerdings bei einem weiteren Anstieg der Krankenstände nicht.
Die Stadtreinigung hat die Bauhöfe in den Ortsteilen übernommen, wie läuft die Integration und was bedeutet das für die Ortschaften?
Die Bauhöfe gehören ab 1. Januar 2023 zur Stadtreinigung Leipzig. Bereits seit April 2022 gibt es eine Projektgruppe sowie verschiedene Arbeitsgruppen, um die Eingliederung vorzubereiten. Die Bauhöfe behalten ihre Aufgaben bei, sodass es für die Ortschaften keine Änderungen geben wird.
Winterdienst auf Radwegen
Es werden, nicht nur beim Winterdienst, immer mehr Aufgaben, ich denke hier an das Beräumen der Radwege, wie ist der aktuelle Stand?
Radwege, die direkt auf der Straße aufgezeichnet sind, sogenannte Radfahrstreifen, werden im Rahmen der Möglichkeiten durch unsere Großtechnik mit betreut und so gut es geht von Schnee frei gehalten. Beim Einsatz von Schnee-Räumtechnik auf Fahrbahnen ist es allerdings notwendig, den Schnee am äußersten Fahrbahnrand abzulagern.
So werden letztendlich auch die auf der Fahrbahn eingerichteten Fahrradstreifen ganz oder teilweise genutzt, um den Schnee abzulagern. Sind benutzungspflichtige Radwege nicht geräumt bzw. gestreut, dürfen Radfahrer auch auf die Fahrbahn ausweichen.
Mittelfristig wird angestrebt, Winterdienst auf allen verkehrswichtigen Radverkehrsverbindungen der Stadt zu erbringen, d. h. mit Räumung und dem Ausbringen von Salzlösung. Hierfür muss eine Analyse und Bestandsaufnahme der entsprechenden Verbindungen erfolgen, um das Winterdienstnetz für den Radverkehr zu fixieren, ggf. auch auf parallelen Wegen.
Die Wege müssen für den erforderlichen Einsatz von Salzlösung geeignet sein. Darüber hinaus müssen die Flächen durchgängig maschinell befahrbar sein (Breite und Tragfähigkeit sind zu beachten) und durchgängig bedient werden.
Bei separaten Radwegen (einschließlich getrennter Rad- und Gehwege) ist jeweils zu überprüfen, ob die Breiten und Tragfähigkeiten den maschinellen Winterdienst zulassen, ansonsten wären Alternativen zu suchen. Zudem muss überprüft werden, ob Hindernisse die Einfahrt oder Durchfahrt durch die Radwege behindern oder sogar verhindern, auch dann wäre Abhilfe zu schaffen.
Der Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig leistet hierfür erforderliche Zuarbeiten. Zur Erzielung entsprechender operativer Erfahrungen hat der Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig eigenständig in einem ersten Schritt eine durchgängige Ost-West- (von Engelsdorf in Richtung Markranstädt) und Nord-Süd-Verbindung (von Lützschena in Richtung Markkleeberg) ausgewählt, um diese im Rahmen der personellen und technischen Möglichkeiten winterdienstlich zu betreuen.
Grundsätzlich wird auch nochmal auf die bestehende Winterdienstpflicht für Anlieger hingewiesen. Anlieger müssen auch gemeinsame Geh-/Radwege mindestens in einer Breite von 1,20 Meter räumen und streuen. Radfahrer dürfen diesen geräumten Bereich ebenfalls benutzen, allerdings haben die Fußgänger Vorrang. Gegebenenfalls müssen die Radfahrer dann absteigen und das Fahrrad schieben.
Zeit für Umweltdetektive
Stadtsauberkeit ist immer ein großes Thema, ich habe das auch schon thematisiert, wie geht es weiter und vor allem wo sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt gefragt?
Das Thema Stadtsauberkeit spielt auch weiterhin für uns eine Hauptrolle. Neben den illegalen Ablagerungen im öffentlichen Raum, die leider auch von Jahr zu Jahr zunehmen, gehören dazu auch die ToGo-Verpackungen und der Flugmüll auf Gehwegen, öffentlichen Plätzen und in Grünanlagen.
Hier ist tatsächlich die Eigenverantwortung der Bürger/-innen gefragt. Alle wollen in einer attraktiven, sauberen Stadt leben. Das funktioniert allerdings nur, wenn sich dann auch jede/-r verantwortungsbewusst um seine Abfälle kümmert. Denn diese Mammutaufgabe, die Stadt sauber zu halten, können die Beschäftigten der Stadtreinigung Leipzig nicht alleine bewältigen. Es müssen alle an einem Strang ziehen.
Um illegalen Ablagerungen von Abfällen noch stärker entgegenzutreten, beginnen im Frühjahr 2023 drei Umweltdetektive ihre Arbeit. Wir erhoffen uns, dass durch ihre Arbeit mehr Verursacher/-innen von illegalen Ablagerungen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu suchen sie im abgelagerten Abfall nach Hinweisen zu den Verursacherinnen und Verursachern, verfolgen Bürgerhinweise und beobachten auch selbst Örtlichkeiten mit regelmäßigen illegalen Ablagerungen.
Die Umweltdetektive sollen aber auch helfen, versteckte Ablagerungen zeitnah zu beräumen. Im Idealfall dient das nicht nur zur Kostendeckung der Beräumung und Entsorgung von Ablagerungen, sondern hat gleichzeitig abschreckende Wirkung auf andere potenzielle Verschmutzer/-innen.
Das gesamte Konzept umfasst neben den Umweltdetektiven auch Sauberkeitsbotschafter in Parkanlagen sowie zusätzliches Personal und Technik zum Beseitigen der Ablagerungen. Wie notwendig diese Maßnahmen sind, zeigt sich aktuell mit der Einführung des Mängelmelders sehr eindrücklich: Innerhalb von einer Woche gingen 888 Mängelmeldungen ein – davon betrafen 80 % illegale Müllablagerungen.
Müllabfuhr, in der letzten Woche wurden, z. B. in einigen Gebieten Grünaus, die Tonnen nicht geleert. Liegt es an der Personalsituation, oder schon am Winter?
Das ist auf die angespannte Personalsituation zurückzuführen. Aktuell herrscht ein sehr hoher Krankenstand, besonders bei der Abfall Logistik Leipzig (ALL). Daher kam es zu Verzögerungen bei der Abholung der Blauen Tonnen sowie der Gelben Tonne Plus, speziell bei den Touren in Grünau. Sie arbeiten aktuell daran, die Entsorgungen nachzuholen, sodass die Tonnen bis spätestens 24. Dezember geleert werden.
Es gibt ja immer wieder Beschwerden, dass die Müllabfuhr einige Straßen nicht anfährt, weil diese zu schmal sind. Liegt das an den Straßen, oder doch an parkenden Fahrzeugen?
Unsere Abfallsammelfahrzeuge benötigen eine Durchfahrtsbreite von 3,55 Meter. Leipzig ist eine wachsende Stadt, in der sich eine Verschärfung der Parksituation nicht vermeiden lässt. Zudem werden häufig größere/breitere Pkws angeschafft und benötigen damit mehr Parkfläche. In manchen Straßen ist dadurch die Durchfahrtsbreite von 3,55 Meter nicht mehr gegeben. Insbesondere in Straßeneinmündungen geparkte Pkws verhindern in ohnehin schon engen Straßen die Einfahrt.
Oft wird dann die Anschaffung von kleineren Abfallsammelfahrzeugen seitens der Bevölkerung gefordert. Kleinere Fahrzeuge stellen aus Sicht der Stadtreinigung Leipzig keine alleinige Alternative für eine Großstadt wie Leipzig dar, weil die Ladekapazität deutlich reduziert ist.
So können kleinere Abfallsammelfahrzeuge im Vergleich zu großen Fahrzeugen lediglich ein Drittel der Abfallmenge laden – bei vergleichbaren Anschaffungskosten. Da die Fahrzeuge weniger laden können, müssen die Fahrzeuge häufiger zu den Entsorgungsanlagen fahren. Die Folge sind höhere Investitions-, Kraftstoff- und Mautkosten, steigende Kosten für zusätzliches Personal sowie eine erhebliche Zunahme des Fahrverkehrs.
Dies ist nicht mit den Zielen der Stadt Leipzig zur Minimierung der CO₂-Bilanz sowie des Luftreinhalteplans zu vereinbaren. Unabhängig davon ist die Erweiterung des Fuhrparks sowie des Mitarbeiterbestandes auf alle Gebührenzahler umzulegen. Dies bedeutet eine spürbare Gebührenanpassung für alle Leipzigerinnen und Leipziger.
Es gab ja schon mehrfach Bestrebungen, für die Tage der Müllabfuhr zeitbegrenzte Halteverbote einzurichten. Die Straßenverkehrsbehörde betrachtet das als nicht rechtskonform. Viele Städte haben das aber, z. B. mit Zusatzschild 1042 „Zeitangabe mit Beschränkung auf Wochentage“ gem. § 39 III StVO. Aus § 45 StVO lässt sich ggf. ein Anspruch auf Aufstellen eines gewünschten Verkehrszeichens herleiten. Wäre es hilfreich, für diese Straßen ein Halteverbot z. B. Mittwoch 08:00 bis 14:00 Uhr zu beschildern?
Zu diesem Sachverhalt befinden wir uns im permanenten Austausch mit der Straßenverkehrsbehörde. Zu berücksichtigen ist, dass auch für Rettungsfahrzeuge eine Mindestdurchfahrtsbreite einzuhalten ist. Zeitbegrenzte Halteverbote signalisieren dem Fahrzeugführer, in den anderen Zeiträumen das Fahrzeug ordnungsgemäß abstellen zu dürfen. In vielen Fällen ist dies jedoch auf Basis der StVO jedoch nicht statthaft.
Mein Leipzig schon ich mir
Zero waste – heißt jetzt „Mein Leipzig schon ich mir“, ein schöner Titel. Abfallvermeidung ist ja nun eine Sache aller Einwohner und Einwohnerinnen, die Stadtreinigung kann dabei mEn eher unterstützen. Was sind die nächsten Schritte Ihrerseits?
Es stimmt, dass alle Bürgerinnen und Bürger gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, damit unser Ziel erreicht werden kann. Aber auch die Wirtschaft und öffentliche Verwaltung müssen sich beteiligen. Daher wurden in den vergangenen Monaten Handlungsfelder festgelegt, an denen wir ansetzen möchten. Darunter fallen zum Beispiel „öffentliche Verwaltung“, „Handel und Gewerbe“, „Baugewerbe“ sowie „Kultur und Veranstaltungen“.
Für das erste Halbjahr 2023 sind Workshops zur Entwicklung von konkreten Maßnahmen gemeinsam mit den Institutionen und Akteur/-innen in den Handlungsfeldern geplant. In einem zweiten Schritt sollen die dort entwickelten Maßnahmen dann evaluiert und festgeschrieben werden.
Sie werden anschließend als ein Teil in die gesamtstädtische Zero Waste Strategie einfließen. Diese wird bis Mitte 2024 dem Stadtrat vorgelegt, sodass dort darüber abgestimmt werden kann.
Parallel dazu arbeiten wir bereits an konkreten Projekten. Eins ist die Unterstützung der Gastronomie- und Lebensmittelbetriebe bei der Einführung von Mehrwegsystemen. Diese sind ab 1. Januar 2023 verpflichtet, Mehrwegalternativen bei der Ausgabe von Lebensmittel anzubieten.
Um die Betriebe bei der Einführung zu unterstützen, haben wir gemeinsam mit der Regionalgruppe des BUND Leipzig eine Beratungsstelle eingerichtet, die über Möglichkeiten informiert und bei der in Zukunft auch finanzielle Unterstützung beantragt werden kann.
Des Weiteren planen wir die Eröffnung eines Kaufhauses, in dem Gebrauchtwaren sowie verschiedene Möglichkeiten angeboten werden, Kreislaufwirtschaft zu leben. Der Erfolg des temporären Tauschmarktes im Stadtbüro hat uns erneut gezeigt, dass der Bedarf nach einer solchen Einrichtung vorhanden ist.
Und indem die Bürger/-innen Dinge weitergeben, statt sie zu entsorgen, können auch Abfälle vermieden werden. Derzeit prüfen wir noch Nutzungskonzepte und suchen nach einer geeigneten Immobilie.
Es passieren viele neue Dinge bei der Stadtreinigung. Der „Laden fürs Beraten“ läuft schon, Tauschladen, solidarische Recyclingstation, Beteiligung am Projekt Reparaturbonus und anderes, wie schaffen Sie das neben den originären Aufgaben?
Ein kurzer Hinweis vorweg: Die solidarische Recyclingstation ist eine Aktion von der inab. Hier ist die Stadtreinigung Leipzig nicht involviert. Aber die anderen angesprochenen Aktionen liegen tatsächlich in unserer Hand. Die Aufgaben für uns steigen stetig und dies schaffen wir nur, weil alle Beschäftigten mitziehen. Um alle Aufgaben erledigen zu können, ist aber auch eine Erhöhung der Personaldecke notwendig.
Für das Zero-Waste-Projekt konnten wir glücklicherweise auch Fördermittel zur Deckung notwendiger Personalkosten akquirieren. So konnten neue Stellen für das Zero-Waste-Projekt geschaffen werden. Obendrein blicken wir aber auch auf ein starkes Netzwerk in der Stadt. Wir profitieren von der Zusammenarbeit mit den Vereinen, Institutionen und Partnern und das hilft uns ebenfalls, immer wieder neue Aufgaben und Maßnahmen anzugehen.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption‘ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
Keine Kommentare bisher