Seit 2020 geht das Spielchen nun schon. Mit lauter Ausreden versuchte Leipzigs Verwaltung, die unterlassenen Kontrollen des Leipziger Ordnungsamtes im ruhenden Verkehr zu verharmlosen und so zu tun, als sei das alles nur dem Ermessensspielraum der Ordnungsamtsmitarbeiter/-innen zu verdanken, wenn überall im Stadtgebiet StVO-widrig geparkt wird. Selbst die Dienstanweisung für die Kontrolleure wurde zur Geheimsache erklärt. Und auch auf eine Linke-Anfrage eiert die Stadt weiter herum.

Inzwischen ist auch öffentlich geworden, dass das Leipziger Ordnungsamt in ganzen Straßenzügen nicht kontrolliert, das Fehlverhalten der Autobesitzer also schlichtweg geduldet hat. Auch wenn diese Duldungen dann wieder abgestritten wurden.

Schon längst antwortet auch nicht mehr das Ordnungsamt oder das zuständige Ordnungsdezernat auf die Anfragen im Stadtrat, die dieses Thema betreffen. Das tut inzwischen das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), dem die Straßenverkehrsbehörde zugeordnet ist. Die wird nämlich tätig, wenn sich in Leipziger Straßen massive Parkplatzprobleme ergeben und entsprechende Parkanordnungen getroffen werden müssen.

Wenn das Ordnungsamt solche Probleme aber nicht anzeigt, passiert auch nichts. Dann entsteht genau die Situation, die inzwischen in über 100 Straßen vorgefunden wird und wo die Autohalter natürlich empört reagieren, wenn das Ordnungsamt doch endlich mal auftaucht und das Falschparken sanktioniert.

Warum reagierte die Stadt so lange nicht?

Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat wollte nun gern wissen, in wie vielen Straßen der Stadt solche Zustände herrschen. „Für welche Straßen ist der Stadtverwaltung seit 2020 bis heute bekannt, dass aufgrund von fehlerhaften Anordnungen, Markierungen, baulichen Mängeln etc. keine Maßnahmen gegen Falschparker ergriffen werden können bzw. konnten? Welche konkreten Mängel führten bei den unter 1. genannten Straßen dazu, dass bestehende Verstöße nicht geahndet werden konnten?“, fragte die Fraktion.

Die Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion.

Und das VTA antwortete: „Eine straßenkonkrete Auflistung ist mit vertretbarem Aufwand und in Anbetracht der dynamischen Entwicklungen im Stadtgebiet nicht zu leisten. Es gibt unterschiedliche Problemkomplexe, denen unterschiedlich begegnet werden muss und kann. Diese Problemkomplexe sind vorrangig: unkenntliche Verkehrszeichen, fehlende/abgenutzte Markierungen, fehlende/nicht funktionsfähige Poller, grundsätzliche Probleme bei der Ahndung von Verstößen gegen das Zusatzzeichen ‚Anlieger frei‘ und bei Parken auf unbefestigtem Seitenstreifen sowie bei der Parkordnung in schmalen Straßen (bei zulässigem einseitigen Parken).“

Was natürlich auch nur die halbe Wahrheit ist. Denn wenn das Ordnungsamt in den vergangenen Jahren systematisch kontrolliert hätte – was ja seine ureigenste Aufgabe ist – hätte man einen kompletten Überblick über alle Problemstraßen.

Logisch dann die nächste Frage der Linksfraktion: „Inwieweit wurden die bekannten Mängel der unter 1. gemeldeten Straßen durch das Verkehrs- und Tiefbauamt geprüft? Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich ergriffen und umgesetzt? Wann erfolgte dies (bitte jeweils Prüfergebnis, Maßnahme und Behebungszeitpunkt einzeln auflisten)?“

Logisch dann auch die Antwort: „Eine Antwort in der gewünschten Form ist nicht mit vertretbarem Aufwand möglich, daher wird nach Problemkomplexen statt Straßenzügen geantwortet.

Bei unkenntlichen Verkehrszeichen sorgt die Verwaltung unter Einsatz der verfügbaren Ressourcen für Ersatz bzw. schwerpunktmäßig für die Anschaffung von speziellen Verkehrszeichen, die ein Verschmutzen, Bekleben oder Übersprühen erschweren.

Fehlende/abgenutzte Markierungen wie auch fehlende/nicht funktionsfähige Poller werden nach Problemmeldung geprüft und in die Prioritäten der Straßenunterhaltung eingeordnet.

Bei Verstößen gegen das Zusatzzeichen ‚Anlieger frei‘ erschwert die weite gesetzliche Auslegung des Anliegerbegriffs die Durchsetzung durch die kommunale Verkehrsüberwachung.

Beim Parken auf unbefestigten Seitenstreifen können die örtlichen Gegebenheiten einen Seitenstreifen implizieren, obwohl das Parken dort nicht erwünscht ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber keinen Tatbestand bei nicht ausreichend befestigtem Seitenstreifen formuliert hat.

Die Fahrbahnbreiten in engen Wohngebietsstraßen erlauben nur das einseitige Parken am rechten Fahrbahnrand. Der Verordnungsgeber schreibt allerdings keine Parkordnung für diese Fälle vor, das heißt, es dürfte auch auf beiden Seiten alternierend so geparkt werden, dass dennoch eine Restfahrbahnbreite von 3,05 Metern verbleibt. Diese dann zulässige Parkweise würde aller Erfahrung nach das Befahren mit Entsorgungs- und Rettungsfahrzeugen erschweren, wobei die kommunale Verkehrsüberwachung in der Praxis keine Sanktionsmöglichkeiten hätte.

Zur Vollzugssicherung und Klarstellung vor Ort werden entsprechend dem Modellversuch (VI-A-06568) einseitige Parkstreifen, die die Parkordnung vorgeben, angeordnet. Die Parkstreifen sind u. a. bereits in der Bothestraße und der Wustmannstraße vorhanden. Angeordnet sind sie u. a. in der Heinrichstraße, im Schillerweg, der Leisniger Straße, der Pohlentzstraße, der Röthischen Straße, der Zehmischstraße, der Teichgräberstraße, der Weinbergstraße, der Kindstraße usw. Die Umsetzung der Markierung ist im II. Quartal 2023 vorgesehen. Weitere Straßen sind in enger Abstimmung mit dem Ordnungsamt und dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig geplant.“

Wenn Bürger die Arbeit des Ordnungsamtes machen müssen

Die Straßenverkehrsbehörde reagiert also, wenn sie Informationen über Missstände bekommt. Genau das, was jahrelang nicht geschehen zu sein scheint. Und der Druck kommt natürlich auch von der Straße – von einer kleinen Gruppe von Aktiven, die systematisch alle Problemstraßen bei der Stadt anzeigen, wo das Falschparken ganz offensichtlich seit Jahren geduldet wurde. Also das getan haben, was nach Aussage des VTA „mit vertretbarem Aufwand und in Anbetracht der dynamischen Entwicklungen im Stadtgebiet nicht zu leisten“ sein soll.

Was eben nicht stimmt. Denn genau das hätten die Mitarbeiter/-innen des Ordnungsamtes längst leisten können und müssen. Das ist ihre Aufgabe. Oder wäre es gewesen. So ganz grundlos hat Leipzigs Verwaltung den Eiertanz um die Dienstanweisung für die Außendienstmitarbeiter/-innen des Ordnungsamtes nämlich nicht veranstaltet. Denn in so einer Dienstanweisung steht normalerweise auch ein Satz wie: „Alle ordnungswidrig abgestellten Fahrzeuge werden erfasst.“

Und da steht ganz bestimmt auch nicht, dass „im pflichtgemäßen Ermessen“ beide Augen zugedrückt werden sollen. Sondern, dass alle Ordnungswidrigkeiten erfasst werden. Lediglich im Nachhinein gibt es den Ermessensspielraum, dass Verwarnungen zurückgenommen werden können.

Wenn Duldungen stillschweigend aufgehoben werden

Was inzwischen beim Ordnungsamt angezeigt wurde und – siehe oben – auch Reaktionen im VTA nach sich zog, sind seit 2020 immerhin 107 Fälle mit etwa 130 Straßen. Geduldet wurde zum Zeitpunkt der Meldung das Falschparken in 96 Fällen. In 21 Fällen ist die Duldung inzwischen aufgehoben worden – auch das Ordnungsamt hat also reagiert.

Gemeldete Straßen mit Parkverstößen seit 2020. Grafik: privat
Gemeldete Straßen mit Parkverstößen seit 2020. Grafik: privat

In elf Fällen ist laut Ordnungsamt eine Regelung durch die Straßenverkehrsbehörde notwendig, in acht Fällen könnte es sein, dass eine Regelung notwendig sein könnte. Hier müssen also Parkanordnungen getroffen und beschildert werden.

In 60 Prozent der gemeldeten Fälle ist das aber gar nicht nötig. Da hat sich das regelwidrige Parken einfach über die Jahre eingeschlichen und das Ordnungsamt hat einfach nicht kontrolliert. Entsprechend aufgeregt reagieren nun die Autobesitzer, die sich an diesen Zustand der Duldung gewöhnt haben.

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Es gibt 10 Kommentare

@fra
Wer arm ist, hat auch heute schon kein Auto.
Wer arm ist, wohnt auch nicht im Eigenheim in der Lüderstraße, im Schillerweg, in Marienbrunn oder in der Sternsiedlung.
Es geht doch vor allem um ein Problem, dass weitestgehend keines sein müsste. Insbesondere in der Sternsiedlung könnte man unproblematisch auf dem eigenen Grundstück in der Nachbarstraße oder im extra erbauten Garagenkomplex parken. Man macht das nur nicht, weil man ungestraft auf dem Gehweg vor dem eigenen Haus parken kann.

Die Nachricht (Die Linke wollte mit ihren Fragen dem grünen Bürgermeister eins auswischen) wird hier journalistisch eingeordnet (das linke Ordnungsamt ist kacke und #heikoluegt). Dazu brauchts nicht zwingend eine Überschrift: “Kommentar”.

Wie so oft frag ich mich, ob das hier ein noch ein Artikel, oder nicht eigentlich viel mehr ein Kommentar ist!?
Den geneigten Lesenden wird ja quasi (mal wieder) die eigene Interpretation als unumstößliche Realität aufgetischt.

Auf jeden Fall muss in diesen Fällen die StVO durchgesetzt werden, da bin ich mal auf die Reaktionen der Parteien gespannt. Denn wenn man es Konsequent durchsetzt, auch mit abschleppen lassen, wird die soziale Selektion beginnen. Das heißt wer sich die damit entstehenden zusätzlichen Kosten nicht mehr leisten kann wird sein Auto abmelden oder in Stadtteile mit besserer Parkplatzsituation umziehen müssen. Bei den steigenden Mieten im Neuvermietungssegment wohl ersteres. Interessant für die nächste Wahl.

Mit würde da noch die umgebaute Gießerstrasse einfallen (auch wenn die momentan ja in eine Richtung temporär gesperrt ist). Da kann auch nur ein Auto lang und Radfahrer überholen rechtlich nicht möglich.

@ Philipp Torsten und Uwe:
Das Schlimme ist, dass auf beiden Straßen (theoretisch) Tempo 50 erlaubt ist…

Dito die Erich-Köhn-Straße in Lindenau zwischen Zipperer- und Angerstraße. Seit zwei Jahren wird dort so geparkt, dass da nur noch ein Auto durchpasst. RadlerÏnnen werden dort durch AutofahrerÏnnen, die ohne Abstand überholen, regelmäßig gefährdet. Juckt keinen.
Dank der zunehmenden Autobreiten breitet sich das Problem auf der Köhn-Straße jetzt auch weiter in Richtung Merseburger aus.

Zum Thema “Restfahrbahnbreite”: Es gibt auch Straßen, die so breit sind, dass sogar auf beiden Seiten geparkt werden darf und dennoch eine Restfahrbahnbreite verbleibt. Da das jedoch keine Einbahnstraßen sind und über mehrere 100 Meter keine Kreuzung/Einmündung vorhanden ist, bedeutet dass, das sie jeweils nur in 1 Richtung befahren werden kann und der Verkehr in der Gegenrichtung regelmäßig minutenlang warten muss, bis er evtl. mal dran kommt. Besonders “lustig” wird das, wenn Radfahrer die Fahrbahn benutzen (kein Radweg vorhanden, falls das jemand denkt) und eilige Autofahrer auf Ideen kommen… Ich rede hier z. B. von der Angerstraße in Altlindenau. Entweder macht man da eine Einbahnstraße draus oder ordnet ein Halteverbot auf einer Fahrbahnseite an…

“Die Fahrbahnbreiten in engen Wohngebietsstraßen erlauben nur das einseitige Parken am rechten Fahrbahnrand. Der Verordnungsgeber schreibt allerdings keine Parkordnung für diese Fälle vor, das heißt, es dürfte auch auf beiden Seiten alternierend so geparkt werden, dass dennoch eine Restfahrbahnbreite von 3,05 Metern verbleibt.”
Mir fallen spontan in Marienbrunn und Lößnig einige Straßen ein, die einseitig beparkt werden (teilweise regelwidrig auch halb auf dem Gehweg). Diese Straßen sind so schmal, dass an eine Restfahrbahnbreite von 3,05 Metern bei einseitiger Beparkung nicht zu denken ist.

Wenn ordnungsgemäß kontrolliert und verwarnt bzw. umgesetzt würde, würde sich sehr schnell sehr deutlich zeigen, dass es einfach viel zu viele Privat-Kfz gibt. Jedenfalls viel mehr, als man legal im öffentlichen Raum abstellen kann. Was gedenkt – wer auch immer – dagegen zu unternehmen? Oder will man etwa versuchen, für all diese Kfz – und alle, die da evtl. noch dazu kommen mögen – Abstellmöglichkeiten zu schaffen!? Das dürfte in einer Stadt wie Leipzig nicht möglich sein, wenn einem Gesundheit, Natur, Umwelt und Klima nicht völlig gleichgültig sind.

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