Wenn AfD-Kandidaten zur Neubesetzung von Ausschüssen in der Leipziger Ratsversammlung krachend durchfallen, dann ist nicht nur das Lamento in der blauen Fraktion im Stadtrat groß. Dann wird auch geklagt, weil man sich in dieser Fraktion sicher ist, dass man demokratische Mehrheitsentscheidungen mit Gerichtsurteilen kippen kann. Und man sowieso immer im Recht ist und die anderen im Unrecht. Doch das sieht auch das Verwaltungsgericht Leipzig nicht so.

Mit Beschlüssen vom 15. August 2023 hat das Verwaltungsgericht Leipzig nämlich die Anträge der Leipziger Stadtratsfraktion wie auch des Kreisverbandes der AfD auf Neubildung mehrerer Stadtbezirksbeiräte abgelehnt (Az. 6 L 156/23, 6 L 161/23, 6 L 162/23). Das teilte das Verwaltungsgericht am 23. August mit.

Das Problem für die AfD: Für die aktuellen Leipziger Stadtbezirksbeiräte gilt das zu den Kommunalwahlen 2019 gültige Recht, niedergeschrieben in der Sächsischen Gemeindeordnung. Die wurde erst 2022 geändert und schuf damit eine neue Rechtsgrundlage, die dann für die Wahlen zu den Leipziger Stadtbezirksbeiräten 2024 gilt.

Die Begründung des Verwaltungsgerichts

Warum die AfD mit ihrem Antrag falsch lag, begründet das Verwaltungsgericht so: „Entsprechend den Ergebnissen der Kommunalwahlen vom 26.5.2019 hatten sich in den Stadtbezirken der Stadt Leipzig die Stadtbezirksbeiräte gebildet, deren jeweils elf Mitglieder vom Stadtrat für die Dauer von fünf Jahren bestellt werden.

Die in den Städten Leipzig, Chemnitz und Dresden zu bildenden Stadtbezirksbeiräte wirken in wichtigen Angelegenheiten mit, die den Stadtbezirk betreffen, und beraten außerdem die Stadtverwaltung (§ 71 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung). In Leipzig entscheiden sie etwa über die Reihenfolge der Arbeiten zum Um- und Ausbau, zur Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen oder die Vergabe von Fördermitteln an lokale Vereine.

Dem Stadtbezirksbeirat Nordwest gehörten zunächst drei, dem Stadtbezirksbeirat Ost zwei von der AfD vorgeschlagene Mitglieder an, während für den Stadtbezirksbeirat Süd erstmals am 9. Januar 2023 ein Vorschlag für das von der AfD zu benennende Mitglied gemacht wurde, der Beirat dort also bis dahin lediglich zehn Mitglieder hatte.

Nachdem im November 2021 bzw. Oktober 2022 jeweils ein von der AfD vorgeschlagenes Mitglied aus den Stadtbezirksbeiräten Nordwest bzw. Ost ausgeschieden waren, begehrte diese die Nachbestellung neuer Mitglieder und im Falle des Stadtbezirksbeirates Süd im Januar 2023 erstmals die Bestellung eines von hier benanntes Mitglieds. In allen drei Fällen lehnte dies der Stadtrat mit Beschluss vom 8. Februar 2023 ab.

Hiergegen haben sowohl die Stadtratsfraktion wie auch der Kreisverband der AfD beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschlüssen vom 15. August 2023 wurden die Anträge nunmehr abgelehnt.

Zur Begründung der Beschlüsse heißt es, zwar seien sowohl der Kreisverband der Partei wie auch die Stadtratsfraktion befugt, sich gegen die ablehnenden Entscheidungen des Stadtrates zu wenden, da ihnen in der Sächsischen Gemeindeordnung und der Hauptsatzung der Stadt Leipzig Mitwirkungsrechte eingeräumt seien, die durch die Verweigerung einer Nachbestellung von Mitgliedern verletzt sein könnten.

Allerdings bestehe kein Anspruch auf Nachbesetzung der vakanten Plätze. Nach der zum Zeitpunkt der Bildung der Stadtbezirksbeiräte im Jahr 2019 geltenden Rechtslage habe es keine Grundlage zur Nachbestellung von Mitgliedern für die Stadtbezirksbeiräte gegeben.“

Warum AfD-Kandidaten immer wieder durchfielen

Geübte Praxis im Leipziger Stadtrat war es trotzdem, Vorschläge der entsendenden Parteien auf mögliche Nachrücker in der Regel positiv zu votieren. Das ist das demokratische Recht des Stadtrates.

Genauso, wie es sein Recht ist, neu vorgeschlagene Kandidaten abzulehnen. Zum Beispiel, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat und beobachtet.

Mit der Änderung der Sächischen Gemeindeordnung hat sich die Rechtslage jetzt verändert.

„Zwar sei insoweit zwischenzeitlich der Gesetzgeber aktiv geworden“, betont das Verwaltungsgericht. „Auf die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des neuen Rechts im Jahr 2022 bereits bestellten Mitglieder von Stadtbezirksbeiräten finde es aber keine Anwendung.

Dass es in der Zeit seit 2019 in Leipzig verschiedentlich Nachbestellungen von Mitgliedern der Stadtbezirksbeiräte gegeben habe, begründe keine Ansprüche der Antragsteller, da hierfür jedenfalls eine Rechtsgrundlage fehle. Zudem lasse sich dem Gesetz kein Anspruch der Parteien entnehmen, dass jeder von ihnen benannte Kandidat zwingend zu bestellen sei. Das vom Stadtrat ausgestaltete Verfahren der Bestellung und Abberufung der Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte begegne keinen Bedenken. Insoweit komme ihm ein weites Ermessen zu.“

Was im Klartext heißt: Vorgeschlagene Kandidaten für die Stadtbezirksbeiräte können von der Stadtratsmehrheit abgelehnt werden. Und zwar auch immer wieder, wie auch zuletzt bei der Wahl der Kandidaten für den Wahlausschuss der Schöffenwahl am Amtsgericht Leipzig erlebt.

Entscheidend ist das Bundesverfassungsgericht

Aber ob die AfD dann ab 2024 ebenso den Klageweg versuchen kann, ist völlig offen. Denn in der aktuellen Gemeindeordnung steht auch ein Passus, der verfassungsfeindliche Parteien aus demokratisch gewählten Gremien fern halten soll: „Wird eine Partei oder die Teilorganisation einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 21 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklärt, verlieren die Gemeinderäte ihr Mandat, sofern sie dieser Partei oder Teilorganisation zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen der Antragstellung (§ 43 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 [BGBl. I S. 1473], das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 [BGBl. I S. 1724] geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) und der Verkündung der Entscheidung (§ 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes) angehört haben.“

Aktuell mehren sich die Stimmen, welche die Prüfung eines AfD-Verbots fordern.

„Gegen die Beschlüsse steht den Beteiligten die Möglichkeit einer Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht zur Verfügung, die innerhalb von zwei Wochen erhoben werden muss“, teilt das Verwaltungsgericht Leipzig noch mit.

Eine Beeinträchtigung der Arbeit in den Stadtbezirksbeiräten tritt durch die Nichtbesetzung einzelner Mandate auch erst einmal nicht ein, auch wenn dann nicht mehr alle elf Sitze besetzt sind. Diese Sitze bleiben dann einfach frei, bis tatsächlich ein Kandidat vom Stadtrat oder eine Kandidatin bestätigt wird und nachrücken kann. Oder eine Ergänzungswahl angesetzt werden muss, weil weniger als zwei Drittel der Sitze besetzt sind.

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