Nicht nur beim Bauen und Sanieren von Schulen hat Leipzig seit dem 19. März eine vom Stadtrat beschlossene Strategie. Auch für die Kindertagesstätten gibt es jetzt so eine Strategie. Ebenfalls eine neue Weichenstellung, nachdem Leipzig in den letzten Jahren vor allem Geld in den Neubau von Kitas investiert hat, weil die Geburtenzahlen tausende neue Betreuungsplätze notwendig machten. Doch der Geburtenknick nach 2018 hat bei den benötigten Betreuungsplätzen sofort Folgen. Und in einigen Ortsteilen geht natürlich die Angst bei Eltern um, ihre Kita vor der Haustür könnte schließen.
So wie im Leipziger Norden, wo eine unglückliche Formulierung in der Vorlage aus dem Amt für Schule Befürchtungen wachrief, die beliebte und nachgefragte Kita „Naseweis“ in Gohlis stünde 2027 zur Schließung an. Was auch im Stadtbezirksbeirat Nord für erhebliche Unruhe sorgte, der, um das Schlimmste zu verhindern, gleich einen Änderungsantrag schrieb, diese mutmaßliche Schließung zu verhindern.
Und Alexander Burgkart aus dem SBB Nord hielt dann am 19. März auch eine zu Herzen gehende Rede mit dem Appell an die Ratsversammlung, diesem Wunsch zu genügen. Übrigens – weil das viel zu wenig erwähnt wird und es augenscheinlich derzeit ein Volkssport geworden zu sein scheint, über fehlende Bürgerbeteiligung und die Bürgerferne der Politik zu schwadronieren: Burgkart zeigte hier, was Demokratie ist. Man setzt sich als gewähltes Mitglied eines Stadtbezirksbeirats ein für seinen Kiez und die Menschen, die darin wohnen. Und man bekommt Gehör.
Auch wenn das Anliegen in diesem Fall nur eine Fehlinterpretation war, wie Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus erklärte. Die Kitabaustrategie ist keine Netzplanung. Hier werden keine Kita-Schließungen verankert und auch die mögliche Schließung der Kitas „Naseweis“ war nur eine missglückte Formulierung, die in der Vorlage dann ausgetauscht wurde.
Aber Alexander Burgkart war auch selbst in die Ratsversammlung gekommen, weil er eine Versicherung mitnehmen wollte, dass die Kita nicht geschlossen wird. Immerhin hat die Stadt die Kindertagesstätte schon teilsaniert. Eltern haben über 60.000 Euro für die Kita gesammelt, 22.000 Euro für ein neues Spielgerät beschafft. Die Kita ist tatsächlich ein lebendiger Punkt für bürgerschaftliches Engagement im Norden.
Und also beharrte Burgkart auch darauf, eine klare Zusage zu bekommen. Die er auch mehrt oder weniger bekam.
Rund 18 Millionen Euro pro Jahr für die Kitas
Obwohl es in der Vorlage natürlich um etwas anderes ging. Nämlich um eine Planung für die inzwischen möglichen und dringend notwendigen Sanierungen der Bestandskitas, nachdem das Geld nicht mehr für Neubau ausgegeben werden muss.
Mit den Worten aus der Vorlage: „Allein im kommunalen Bestand sind 30 Gebäude unsaniert und 54 Gebäude lediglich teilweise saniert. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation in der freien Trägerschaft nicht grundsätzlich verschieden darstellt.
Durch den baulich-konstruktiven Zustand von Bestandsobjekten im Kitabereich besteht das Risiko, dass derzeit verfügbare Kapazitäten wegen gravierender baulicher Mängel, aufgrund von behördlichen Anordnungen, Havarien oder ähnlicher Ereignisse wegfallen könnten. Ein Großteil der Bestandseinrichtungen im Stadtgebiet wurde vor 1990 errichtet. Zum Gebäudebestand zählen neben gründerzeitlichen Gebäuden auch die zumeist in Plattenbauweise errichteten DDR-Typenbauten.
Sofern gravierende bauliche Mängel oder gesundheitsschädliche Schadstoffe an einem Bestandsgebäude eines bestimmten Typenbaus auftreten, können davon unter Umständen auch alle anderen Bestandseinrichtungen betroffen sein, die dem gleichen Typenbau zuzuordnen sind. Insofern besteht ein weiteres Risiko darin, dass nicht nur die Kapazität der jeweils betroffenen Einrichtung vakant wird, sondern die Betreuungs- bzw. Schulplätze in allen Bestandseinrichtungen des gleichen Bautyps in ihrer Gesamtheit.“
Der Sanierungsdruck ist also gewaltig. In der Vorlage steht zwar, es „werden keine finanziellen Auswirkungen beschlossen“. Denn das ist späteren Einzelvorlagen zu jedem Sanierungsobjekt vorbehalten. Aber Zahlen, was Leipzig für die Kita-Sanierungen zur Verfügung steht, findet man trotzdem in der Vorlage.
Und auf den ersten Blick ist es sogar ein Rückgang, denn standen 2023 noch 28 und 2024 sogar über 30 Millionen Euro für Kita-Bau zur Verfügung, sinkt die verfügbare Summe schon im Doppelhaushalt 2025/2026 auf 18 bis 19 Millionen Euro ab und steigt auch in den Folgejahren kaum.
Das heißt: Die Kitabaustrategie muss eben – wie die Schulbaustrategie – priorisieren, welche Kita wann saniert werden kann. Das wird geplant und eingetaktet. Und die betroffenen Einrichtungen erfahren, wann die große Sanierung auch in ihre Einrichtung kommt.
Und was wird mit den OFTs?
Dass einige ältere Kitas in den nächsten Jahre dann trotzdem vom Netz gehen, also geschlossen werden, bleibt trotzdem Fakt. Aber das regelt nicht die Kitabaustrategie, sondern die Netzplanung, über die der Stadtrat gesondert befinden muss. Das war am 19. März nicht dran.
Dafür versuchte Linke-Stadträtin Juliane Nagel stellvertretend für den Jugendhilfeausschuss ein Thema zu platzieren, das eigentlich direkt mit der Kita-Bauplanung verknüpft ist: nämlich die Sanierungsplanung für die Offenen Freizeittreffs (OFT) der Stadt, acht Stück an der Zahl, deren Gebäude natürlich ebenso in die Jahre kommen und sanierungsfällig werden.
Der Jugendhilfeausschuss wollte die Stadt dazu bringen, auch schon im Doppelhaushalt 2025/2026 mit dem ersten OFT zu beginnen und ihn zu sanieren. Und dann systematisch einen nach dem anderen in den Folgejahren. Denn die Kitabaustrategie hat die Sanierung der OFTs aus simplen Geldgründen in die Jahre nach 2030 verschoben. Das ist viel zu lange hin. Doch mit diesem Anliegen scheiterte der Jugendhilfeausschuss am 19. März in der Ratsversammlung. Sein Änderungsantrag wurde mit 29:34 Stimmen knapp abgelehnt.
Genauso wie der Antrag aus dem Ortschaftsrat Engelsdorf, den dortigen Kitaneubau nicht um zwei Jahre zu verschieben, sondern mit den Planungen schon 2025 zu beginnen. Er wurde mit 12:32 Stimmen abgelehnt. Die Linksfraktion hatte ihren Antrag, die Gelder für die Kita-Sanierung aufzustocken, schon vorher zurückgezogen. Das Geld steht einfach nicht zur Verfügung.
Vielleicht – das äußerte zumindest SPD-Stadtrat Frank Franke als Hoffnung – kommt ja mit dem jetzt vom Bundestag beschlossenen 500-Milliarden-Investitionspaket auch dringend benötigtes Geld für Leipziger Kitas in die Messestadt. Eine Hoffnung, die so auch in hunderten anderen sächsischen Kommunen umgeht.
Aber Leipzig hat jetzt zumindest einen Plan, wie jetzt in die Sanierung der älteren Kindertagesstätten eingestiegen werden kann. Die Vorlage zur Kitabaustrategie bekam am 19. März eine deutliche Zustimmung mit 43 Ja-Stimmen und 23 Enthaltungen.
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