Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen, Vertraulichkeit wurde zugesichert, hieß es am Montag, dem 30. Juni, dass die Stadtverwaltung Leipzig die bestehenden Vereinbarungen zum Betrieb der Kitas und Kindertagespflege mit den freien Trägern (Grundsatzvereinbarung), zum 31. Dezember 2025 gekündigt hat.
Genauere Angaben dazu lagen uns zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Da diese Information aber von mehreren Personen und Institutionen an uns herangetragen wurde, haben wir diese als mögliche Tatsache betrachtet und recherchiert. Am Nachmittag fand dann eine kurzfristig einberufene Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses (JHA) statt, wodurch die Information endgültig bestätigt wurde.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt Leipzig so vorgeht. Bereits vor 10 Jahren, im Juli 2015, passierte das schon einmal. Damals ging es darum, mit den freien Trägern eine einheitliche vertragliche Vereinbarung auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage abzuschließen.
Dieses Mal ist es anders, es gibt keine neue Gesetzeslage. Der Grund liegt in der erforderlichen Haushaltskonsolidierung. Kurz gesagt: Es muss gespart werden, die Landesdirektion verlangt weitere Sparmaßnahmen von der Stadt Leipzig, damit der Doppelhaushalt 2025/26 genehmigt wird.
Die kurzfristige Kündigung war erforderlich, da die Frist zu einer Kündigung mit Wirkung zum 31.12.25 am 30. Juni auslief. Das macht die Sache nicht besser, es erklärt nur den rechtlichen Aspekt der Fristwahrung. Das heißt, die Stadt wird mit den freien Trägern, unter einem Spardiktat, neue Vereinbarungen aushandeln. Man kann das durchaus kritisch sehen.
Ein Schreiben der AGW
So sieht es auch die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände in der Stadt Leipzig (AGW). Diese führt in ihrer Stellungnahme vom 30. Juni aus, dass es bereits seit 1,5 Jahren eine Verhandlungsgruppe des Jugendamtes und der freien Träger zur Überarbeitung der Kita-Grundsatzvereinbarungen gibt. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Weiter heißt es:
„Das Agreement der Verhandlungsgruppe bestand darin, dass es keine Kündigung der jetzigen Kita-GV geben wird, bis eine neue tragfähige Version geeint ist.“
Von Seiten der Stadt wurde also auch das bestehende Agreement aufgekündigt, was wohl auch einiges an Vertrauen zwischen den Verhandlungspartnern zerstört.
Im Schreiben wird zugleich klar, dass es um finanzielle Mittel geht. Es wird ausgeführt:
„Bisherige Forderungen der Kommune eine kostenneutrale Überarbeitung der Kita-GV zu erarbeiten, ist nun gewechselt zu kostenreduzierter Kita-GV. Annahme der Kommune ist, durch Spitzkostenabrechnung des Personals eine Kostenreduzierung um 1,5 Mio. €/Jahr zu erreichen.“
Die Verträge sollen von Pauschalkostenabrechnung auf Spitzkostenabrechnung umgestellt werden, was bedeutet: Es werden die tatsächlichen Betreuungsstunden, nicht die vereinbarten, abgerechnet. Inwieweit dadurch der bürokratische Aufwand in den Kitas steigt und Personal dafür gebunden wird, können wir nicht einschätzen.
Was geschah in letzter Zeit beim Thema Kita?
Es gibt, laut Amt für Jugend und Familie, etwa 4.000 nicht belegte Kita-Plätze, von denen rechnerisch 2.000 überflüssig sind. Allerdings verteilen sich diese nicht gleichmäßig im Stadtgebiet. 18 Kitas wurden bereits geschlossen und für Sanierungen der Bestandskitas fehlt oft das Geld.
Das ist aber nur ein Aspekt.
Erst am 19. Juni fand in Leipzig eine Demonstration der Kita-Erzieherinnen und Erzieher statt, auf der gefordert wurde, dass das Kita-Moratorium endlich durchgesetzt wird. Es geht dabei um einen besseren Betreuungsschlüssel, also mehr Personal für eine qualitativ bessere Betreuung.
Die Finanzierung dafür erfolgt zum größten Teil aus Landesmitteln und wurde im Sächsischen Doppelhaushalt 2025/26, zumindest in Teilen, aufgenommen. Allerdings gibt es auch einen kommunalen Anteil an den Kosten, dieser soll jetzt reduziert werden.
Für die seit Anfang 1023 geschlossene Leipzig-Kita Paul-Küstner-Straße wurde, auf der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 16. Juni, die Trägerschaft an die Volkssolidarität übertragen. Da, lt. Schreiben des AGW, die Information über die Kündigung der Kita-Grundsatzvereinbarungen erst am 25. Juni angekündigt wurde, hat der neue Träge sein Konzept anhand der bisherigen Vereinbarungen erstellt. Dieses muss der Träger vermutlich erneut überarbeiten.
Wir haben bei beteiligten Akteuren nachgefragt und auch zwei Antworten bekommen.
Statement der Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke)
„Für uns als Linke ist die wichtigste Prämisse, dass die Betreuung aller Kinder in den Kindertageseinrichtungen gesichert bleibt, Kindern, Familien und Erzieher*innen sollen keine Nachteile aus der Neuverhandlung entstehen. Es wird sich zeigen, ob die Spitzenkostenabrechnung zu einer realen Einsparung von Kosten führt.
Fakt ist, dass die Kita-Finanzierung an und für sich neu aufgestellt werden muss. Das hat auf unsere maßgebliche Initiative auch der Sächsische Landtag beschlossen. Das bedeutet, dass der Freistaat erheblich mehr finanzielle Verantwortung für die frühkindliche Bildung übernehmen muss, die Kommunen müssen ent- und Eltern nicht weiter belastet werden. Leipzig trägt derzeit mit ca. 60 % einen Löwenanteil. Das darf nicht so bleiben!“
Antwort Amt für Jugend und Familie
Nach intensiven verwaltungsinternen Abwägungen und unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen wurde durch die Verwaltungsspitze der Stadt Leipzig die Entscheidung getroffen, die Kündigung der bestehenden Grundsatzvereinbarung zur Kita-Finanzierung mit den freien Trägern zum 30. Juni 2025 auszusprechen, damit die Kündigungen zum Jahresende wirksam werden.
Diese Entscheidung ist nicht leicht gefallen. Sie basiert jedoch auf der Tatsache, dass trotz vielfältiger Bemühungen keine tragfähige Einigung mit den Trägern erzielt werden konnte, die den aktuellen Herausforderungen und Anforderungen gerecht wird. Zudem haben neue Auflagen der Landesdirektion im Rahmen der Haushaltsgenehmigung den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt Leipzig abermals deutlich eingeschränkt.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Kündigung ist das Ziel, eine bessere Vergleichbarkeit bei den Verwaltungs- und Sachkosten zwischen den kommunalen und freien Trägern zu erreichen. Diese Vergleichbarkeit ist entscheidend, um eine gerechte und effiziente Mittelverwendung zu gewährleisten und Transparenz in der Kostenstruktur zu schaffen.
Ein Prüfungsbericht des Rechnungsprüfungsamtes hat zudem Optimierungsbedarfe aufgezeigt, die in den kommenden Monaten adressiert werden müssen. Die Verhandlungen mit der Verhandlungsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (AGW) laufen seit 1,5 Jahren und in vielen Bereichen konnten bereits gute Lösungen gefunden werden, jedoch blieben insbesondere die Finanzierungsfragen weiterhin ungelöst.
Die Kündigung der Vereinbarung stellt keineswegs das Ende der Zusammenarbeit dar. Vielmehr verstehen wir diesen Schritt als eine notwendige Maßnahme, um neue Wege für eine zukunftsfähige Finanzierung und Qualitätssicherung der frühkindlichen Bildung in Leipzig zu eröffnen. Wir setzen weiterhin auf den Dialog mit allen beteiligten Partnern und streben eine Neuausrichtung an, die den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und Träger gleichermaßen gerecht wird.
Die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände sowie die Stadträte wurden bereits im Vorfeld der Kündigung informiert. Der Jugendhilfeausschuss wurde ebenfalls unterrichtet und soll zudem über die Verhandlungen regelmäßig in Kenntnis gesetzt werden.
Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir nicht beabsichtigen, bestehende, ausgelastete Kitas vom Netz zu nehmen oder durch diese Maßnahme Betreuungsplätze zu kürzen. Unsere Intention ist es, durch eine Neuausrichtung weiterhin eine umfassende und bedarfsgerechte Betreuung der Kinder sicherzustellen.
Herr Kamphausen, amtierender Amtsleiter, ergänzt: „Das politische Lippenbekenntnis, der Freistaat Sachsen werde die Finanzierung grundhaft prüfen, ist zu wenig. Es verkennt die Realität in den Kommunen und dass wir den Hauptteil der Kosten tragen. Wir stehen als Stadt Leipzig in voller Verantwortung für einen genehmigungsfähigen Haushalt – und das bedeutet, dass alle Budgets – nicht nur Kita – erneut durch Verwaltungsspitze und Stadtrat auf den Prüfstand kommen.
Die Kündigung der Kita-Grundsatzvereinbarung war – durch die engen Fristen – unter diesen Bedingungen unausweichlich und nur der erste Schritt. Dass die Träger von der Kurzfristigkeit überrascht waren, lässt sich nicht beschönigen – und das gehört auch anerkannt. Aber es ist kein Ausdruck mangelnden Dialogs, sondern Ausdruck haushaltspolitischer Gesamtverantwortung. Gleichzeitig fordern wir den Freistaat mit Nachdruck auf, sich endlich angemessen an den kommunalen Mehraufwendungen zu beteiligen.
Die versprochene Dynamisierung der Kosten und eine echte angekündigte demografische Rendite durch Übernahme der Kosten steht aus, während punktuelle, kaum spürbare Verbesserungen beim Personalschlüssel – letzte Woche im Landtag beschlossen – die Kommunen zusätzlich belasten. Gegenüber dem beschlossenen Haushalt Kita fehlen bereits jetzt bis 2027 weitere 20 Mio. €, ein Ende ist nicht in Sicht. Die Lage für die Stadt Leipzig ist ernst – nicht nur ein Schreckgespenst.
Dass jetzt ausgerechnet im Bereich Kita der Aufschlag gemacht wird, könnte nach Schließungen, Überbedarfen und fehlenden Mitteln für Investitionen ein falsches Signal senden. Wir haben dennoch weiterhin feste Einigungsabsicht und Vertrauen auf die Innovationsbereitschaft der Verhandlungsgruppe. Die AGW selbst hat bereits erste vielversprechende Impulse gesetzt.“
Fazit: Die Stadt Leipzig muss sparen, so zumindest die Forderung der Landesdirektion. Ob diese Maßnahme, die letztendlich insbesondere Kinder und Eltern trifft, wirklich hilfreich ist, das ist mehr als fraglich. Wie hoch die tatsächliche Kosteneinsparung ist, steht ebenfalls nicht fest. Es bleibt zu hoffen, dass die Verhandlungen zwischen der Stadtverwaltung und den Trägern zu einem guten Ergebnis führen.
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Es gibt 2 Kommentare
Die Freien Träger müssen mindestens kostendeckend arbeiten, bei offensichtlich geringeren Zuwendungen. Ohne die Freien Träger könnte die Kommune einpacken bei den Kitas, und nicht nur dort. Aber die Träger können eigentlich nur an den Mietkosten und den Löhnen sparen. Aber wer arbeitet denn dann noch bei den Trägern, wenn die die Löhne nicht mehr zahlen können? Werden dann über Trägerfördervereine Eltern unentgeltlich Kinder in den Kitas betreuen? Urlaubstage opfern, reihum ist jeder mal dran?
Bildung ist Landessache! Und der Herr Finanzminister sollte, trotz aller bundesregierungsseitig aufgezwungener Sparpläne, die Jugend nicht vergessen. Denn die zahlt in 15 Jahren seine Pension. Wenn die Pensionsfonds bis dahin nicht in Raketenrauch aufgegangen sind
“Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir nicht beabsichtigen, bestehende, ausgelastete Kitas vom Netz zu nehmen oder durch diese Maßnahme Betreuungsplätze zu kürzen. Unsere Intention ist es, durch eine Neuausrichtung weiterhin eine umfassende und bedarfsgerechte Betreuung der Kinder sicherzustellen.”
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Bestehende, ausgelastete Kitas sollen für weniger Geld (in inflationären Zeiten) Kinder betreuen.
Aber die Betreuungsqualität soll natürlich genauso gut sein.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Kündigung ist das Ziel, eine bessere Vergleichbarkeit bei den Verwaltungs- und Sachkosten zwischen den kommunalen und freien Trägern zu erreichen. Diese Vergleichbarkeit ist entscheidend, um eine gerechte und effiziente Mittelverwendung zu gewährleisten und Transparenz in der Kostenstruktur zu schaffen.
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Das ist mehr als lächerlich. Dafür muss man nicht die Vertragsgrundlage kündigen, auf der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit basiert.
Man will hier Geld bei den freien Trägern einsparen / erpressen, was man in den kommunalen Einrichtungen verpulvert, bzw. im Haushalt plötzlich nicht mehr hat.
Mich würde ja bspw. interessieren, ob die Kosten der Immobilien bei den Sachkosten der kommunalen Kitas adäquat berücksichtigt werden.