Manche Stadträte tun zwar gern so, als wenn sie schon vor Jahren gewusst hätten, dass die Geburtenzahlen in Leipzig einbrechen und damit tausend Kita-Plätze unbesetzt bleiben würden, Leipzig also viel zu viele neue Kindertagesstätten gebaut hätte. Dabei wurde der Einbruch bei den Geburtenzahlen erst in den letzten zwei Jahren sichtbar. Und das Jugenddezernat steht jetzt unter gewaltigem Handlungsdruck. Auch weil es eigentlich per Auftrag des Stadtrates noch viele weitere Kitas hätte bauen sollen.

Denn auch der Stadtrat konnte noch vor Kurzem davon ausgehen, dass Leipzig mehr Betreuungsplätze brauchen würde. Erst im März wurde eine Kita-Baustrategie beschlossen, die jetzt auf die gefallenen Geburtenzahlen Rücksicht nimmt und nun auch die Schließung älterer Einrichtungen ins Visier nimmt.

Die CDU-Fraktion wollte jetzt – nachdem einige Kita-Schließungen für heftige Diskussionen und große Verunsicherung bei den betroffenen Eltern gesorgt haben – genauer wissen, was da jetzt auf die Leipziger Kita-Landschaft zukommt und wie viele Kindertagesstätten von der Schließung betroffen sein werden.

Und natürlich haben die gesunkenen Geburtenzahlen sofort drastische Folgen, wie das Amt für Jugend und Familie in seiner Antwort mitteilt, zu der CDU-Stadträtin Sabine Heymann in der Ratsversammlung am 25. Juni noch einen Berg neuer Nachfragen hatte. So detailliert, dass Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus diese gar nicht gleich beantworten konnte. Die neu abgefragten Zahlen werden nachgereicht.

Über 4.000 Plätze nicht belegt

Aber schon das Lagebild, das das Amt für Jugend und Familie gab, war deutlich genug: „Im Mai 2025 (Stichtag 16.5.) standen in den Leipziger Kindertageseinrichtungen insgesamt 32.731 Plätze für Kinder bis zum Schuleintritt zur Verfügung, von denen 28.435 belegt waren. Damit ergibt sich eine Differenz von 4.296 nicht belegten Plätzen und einer Auslastung von 86,8 Prozent.

Im Einzelnen waren von 9.383 verfügbaren Krippenplätzen 6.856 belegt, was einer Differenz von 2.527 Plätzen und einer Auslastung von 73,1 Prozent entspricht (Auslastung freie Träger: 75,2 Prozent; Auslastung kommunaler Träger: 65,9 Prozent). Im Kindergartenbereich standen 23.348 Plätze zur Verfügung, von denen 21.579 belegt waren (Differenz: 1.769 Plätze, Auslastung: 92,4 Prozent; Auslastung freie Träger: 94 Prozent; Auslastung kommunaler Träger: 87,1 Prozent).“

Über 4.000 nicht belegte Plätze? Vor zehn Jahren hätten sich viele Leipziger Eltern darüber riesig gefreut. Dann hätten sie nicht so viel Ärger mit der Suche nach einem Kita-Platz gehabt und ihr Kind wohl sogar „gleich um die Ecke“ in der nächsten Einrichtung unterbekommen.

Doch die Situation ist inzwischen völlig ins Gegenteil gekippt. Auf einmal hat Leipzig zu viele Kita-Plätze und muss Einrichtungen schließen.

Rechnerisch noch 2.000 Plätze zu viel

„Für die Kapazitätsplanung legt die Stadt Leipzig regelmäßig die durchschnittliche Belegung des Vorjahres zugrunde und ergänzt diese um einen Puffer von 10 Prozent, um dem Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung sowie dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern Rechnung zu tragen und eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen“, erläutert das Amt für Jugend und Familie die Grundlage der Kapazitätsplanungen.

„Die durchschnittliche Belegung im Jahr 2024 lag bei 27.783 Plätzen. Unter Berücksichtigung des genannten Puffers ergibt sich daraus ein bedarfsgerechtes Ziel von 30.561 Plätzen. Im Mai 2025 waren 28.435 Plätze belegt – der rechnerische Abstand zur angestrebten Zielmarke beträgt somit 2.126 Plätze.“

Die Kindertagesstätten, die nun nicht mehr gebaut werden sollen. Grafik: Stadt Leipzig
Die Kindertagesstätten, die nun nicht mehr gebaut werden sollen. Grafik: Stadt Leipzig

Diese Überversorgung betrifft nicht alle Stadtteile gleichermaßen.

„Die Stadtbezirke Mitte, Südost, Alt-West und West wurden vor einem Jahr als jene Stadtbereiche identifiziert, in denen eine besonders deutliche Überversorgung mit Betreuungsplätzen besteht. Im aktuellen Betrachtungszeitraum und unter Verwendung oben beschriebener Methode (durchschnittliche Belegung plus 10 Prozent) zählt der Stadtbezirk Südost weiterhin zu den am stärksten überversorgten Gebieten in Leipzig. In Südost beträgt die Differenz zwischen Bedarf und Bestand 675 Plätze.

Im Stadtbezirk West hat sich die Versorgungssituation entspannt, die Differenz zwischen Bedarf und Bestand beträgt aktuell ‚nur‘ noch 151 Plätze. Für die Stadtbezirke Mitte und Alt-West ergibt sich eine Differenz von 79 und 128 Plätzen, diese beiden Stadtbezirke sind folglich hinsichtlich der Überversorgung nicht mehr als kritisch zu betrachten“, so das Amt für Jugend und Familie.

„Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass perspektivisch auch die Stadtbezirke Nordost (Differenz: 248), Ost (Differenz: 381) und Süd (Differenz 252) von einer strukturellen Überversorgung betroffen sein werden. Diese Entwicklung basiert auf aktuellen Trends der Geburtenentwicklung, der demografischen Verschiebungen innerhalb der Stadt sowie dem Rückgang der Nachfrage, insbesondere im Krippenbereich.“

Und das heißt dann in der Folge, dass Einrichtungen vom Netz genommen werden müssen. Möglichst ältere mit hohem Sanierungsbedarf.

Wenn da Geld für Sanierungen fehlt

Was freilich ein weiteres Problem nach sich zieht: Leipzig hat zwar reihenweise neue Bauprojekte gestrichen. Aber eigentlich wollte das Jugenddezernat nun die Gelegenheit nutzen, das verfügbare Geld in die Sanierung jener Einrichtungen zu lenken, die weiterhin gebraucht werden, aber noch nicht saniert sind.

Das Amt für Jugend und Familie ging 2025 von einem Finanzbedarf von 36 Millionen Euro dafür aus, 2026 sogar von 50 Millionen Euro, wie Linke-Stadtrat Sören Pellmann feststellte, den das auch von Sabine Heymann angesprochene Sanierungsthema auch interessierte.

Kindertagesstätten, die Leipzig schon geschlossen hat. Grafik: Stadt Leipzig
Die Kindertagesstätten, die Leipzig schon geschlossen hat. Grafik: Stadt Leipzig

Aber Leipzig ist auch bei den Kindertagesstätten auf Förderung aus Dresden angewiesen. Doch am 25. Juni war der Stand – wie Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus feststellte – der, dass es für Kitas vom Freistaat gar keine Fördermittel mehr gibt. Dresden spart auf Teufel komm raus. Also kann Leipzig nicht mit 36 Millionen Euro für Kita-Sanierungen rechnen, sondern ging noch zu Jahresbeginn von 16 Millionen Euro aus.

Aber auch Leipzig musste seinen Haushalt zusammenstreichen, sodass tatsächlich nur noch 10,4 Millionen Euro dafür zur Verfügung stehen. Das heißt: reihenweise wurden Sanierungsprojekte, die der Stadtrat schon beschlossen hat, gestrichen. Die Kinder, Erzieher/-innen und Eltern müssen also noch länger darauf warten, dass ihre Einrichtung saniert wird.

Lauter gestrichene Kita-Bauvorhaben

Auf die Anfrage der CDU-Fraktion reichte das Amt für Jugend und Schule auch die Liste jener Kindertagesstätten aus, die Leipzig in den nächsten Jahren eigentlich noch bauen wollte. Es sind insgesamt 15 Einrichtungen, darunter auch solche, die lange Zeit als dringend notwendig erachtet wurden wie die Kita am Volkshaus oder die Kita an der Alten Brauerei in Lützschena, ganz zu schweigen von den Kindertagesstätten in den künftigen Quartieren am Bayerischen Bahnhof und am Eutritzscher Freiladebahnhof. Insgesamt 2.000 Kita-Plätze, die nun gar nicht erst gebaut werden.

Während gleichzeitig rund 2.000 Plätze abgebaut werden müssen, weil schlicht der Bedarf nicht mehr da ist.

Das wirft auch alle städtischen Planungen über den Haufen. Und so fragte Sabine Heymann natürlich nach einem Langfristkonzept für die Leipziger Kita-Landschaft. Das soll es jetzt im 3. Quartal geben, kündigte Vicki Felthaus an.

Bis jetzt hat Leipzig sogar schon 18 – vor allem kleinere – Einrichtungen geschlossen, um den starken Anmelderückgang einzufangen, was schon einmal 1.355 Plätze betrifft. Darunter auch die Kita in der Nordstraße, die jüngst erst für Schlagzeilen sorgte. Hier wollte die Stadt eigentlich eine völlig neue Kita bauen, weshalb die alte Kita noch nicht saniert war.

Deshalb war dort auch die Elektrik völlig veraltet und die Stadt schloss die Einrichtung in Absprache mit der DEKRA indessen vorsichtshalber aus Sicherheitsgründen. Kalte Dusche für Kinder, Eltern und Betreuer/-innen. Aber so wird das wohl mit etlichen anderen Einrichtungen in nächster Zeit weitergehen.

Denn wenn das verfügbare Geld nicht für die geplanten Sanierungen reicht, droht vielen älteren Kitas die Schließung wegen baulicher Mängel und Sicherheitsbedenken. Und kaum ein Elternteil wird dabei an die Sächsische Staatsregierung denken, deren rigider Sparkurs die Misere gerade verschärft hat.

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Keine Kommentare bisher

Die Stadt Leipzig hat allen KiTas der freien Träger die Finanzierungsvereinbarung gekündigt!
Kündigungszugang bis 30.06.25.
Hier sollen wohl die freien Träger ausgetrocknet und geknebelt werden, um den kommunalen KiTas mehr Daseinsberechtigung zu verleihen.

Man beachte, dass die stadteigenen KiTas mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit teurer im Betrieb sind als die der freien Träger. Weiterhin ist eine Stadt eigentlich angehalten, KiTas an freie Träger zu vergeben, und den “Rest aufzufüllen”.

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