Was wir gerade erleben, ist letztlich die finanzielle Entmachtung der Kommunen. Ihre Haushalte brechen unter den insbesondere vom Bund zugewiesenen Sozialausgaben zusammen. Haushalte werden nur noch mit strengen Kürzungsauflagen genehmigt. Und das bedeutet: Die gewählten Stadträte haben praktisch kaum noch Einfluss auf ihr eigentliches Hoheitsrecht – den Haushalt.
Nicht einmal auf die Frage, welche vom Stadtrat beschlossenen Projekte tatsächlich umgesetzt werden und welche nicht. Am 29. Oktober scheiterte dazu ein Antrag der Grünen-Fraktion.
Den stellte Grünen-Stadträtin Sylvia Herbst-Weckel vor – eigentlich fest überzeugt, dass der Antrag eine Mehrheit finden würde. Denn das tangiert ja nun alle Fraktionen. Doch schon im Finanzausschuss muss kontrovers diskutiert worden sein, fanden einige Punkte Zustimmung, andere nicht. Das Austeritätsdenken bestimmt inzwischen längst auch das Handeln ganzer Fraktionen.
Motto: Geldverschwender sind immer die Anderen. Die Fraktionen sollten sich eher bemühen, kein Geld auszugeben und den Haushalt auf die noch verfügbaren Mittel zu schrumpfen.
Aber wer bestimmt dann eigentlich, welche vom Stadtrat beschlossenen Projekte noch umgesetzt werden?
Nicht grundlos nahm die Stadtkämmerei Stellung zum Grünen-Antrag. Denn die Entscheidungshoheit ist letztlich ins Finanzdezernat abgewandert. Entsprechend besorgt zeigten sich die Grünen in ihrem Antrag.
„Mit dem jüngsten Haushaltsgenehmigungsbescheid der Landesdirektion und den daraus folgenden Auflagen steht die Stadt Leipzig vor erheblichen Herausforderungen. Der Oberbürgermeister und insbesondere der Kämmerer nutzen derzeit das Mittel einer pauschalen und fachlich weitgehend undifferenzierten Sperre der Investitionshaushaltsmittel.
Dies führt faktisch zu einem Stillstand nahezu sämtlicher Investitionsvorhaben, unabhängig von deren Priorität oder Fördermittelbindung, und entzieht dem Stadtrat seine zentrale Steuerungsfunktion“, formulierte die Grünen-Fraktion das Problem in ihrem Antrag: „Diese Situation gefährdet die Handlungsfähigkeit der Stadt in mehrfacher Hinsicht:
Verlust von Fördermitteln: Zahlreiche Investitionen, darunter Infrastrukturvorhaben, sind an externe Förderungen gebunden, bei denen eine zeitnahe Mittelverwendung zwingend erforderlich ist. Der derzeitige Kurs des Kämmerers, nur Förderungen mit ≥75 % Förderquote freizugeben, führt zum drohenden Verfall vieler Mittel – insbesondere bei den gängigen 50%-Förderprogrammen wie etwa im Bereich des Basismoduls Hauptachsen zur Stärkung des ÖPNV.
Gefährdung strategischer Ziele: Klimaanpassung, Wärmewende, soziale Infrastruktur und kulturelle Einrichtungen sind für Leipzigs Entwicklung bis 2030 unverzichtbar. Diese Themen können nicht unter pauschale Sperrentscheidungen fallen.
Demokratische Steuerung: Es ist Aufgabe und Recht des Stadtrates, die politischen Schwerpunkte bei Investitionen zu setzen und die Finanzmittel nach strategischen und transparenten Kriterien zu priorisieren. Eine Konzentration der Entscheidungshoheit beim Kämmerer widerspricht diesem Prinzip.
Mit diesem Antrag wird daher eine faktische Rückführung der Entscheidungsmacht zum Stadtrat sowie eine klare, dynamische Investitionsstrategie bis 2030 eingefordert. Zugleich wird durch transparente Kriterien für Freigaben und Investitionsmoratorien eine verlässliche Planungsgrundlage geschaffen. Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Stadt wiederherzustellen, strategische Entwicklungen abzusichern und externe Fördermittel in vollem Umfang für Leipzig zu nutzen.“
Wenn Auflagen die Stadtpolitik bestimmen
Das Finanzdezernat hat dann in seiner Stellungnahme recht deutlich gemacht, wer eigentlich dafür sorgt, dass der Stadtrat bei Haushaltsentscheidungen quasi kalt gestellt ist: „Eine Fortführung der aktuellen investiven Dezernatsbudgets ist vor dem Hintergrund der Auflagen des Genehmigungsbescheides der Landesdirektion zum Doppelhaushalt 2025/2026 ff. nicht möglich.
Die Fachbeigeordneten sind daher aufgefordert bis Mitte Oktober 2025 die durch Kredite bzw. im Sinne wirtschaftlicher Investitionen haushaltsneutral gegenzufinanzierenden Zuschussbedarfe der einzelnen Fachbereiche für 2027/2028 ff. darzulegen und unter Berücksichtigung anzunehmender Einzahlungen aus Fördermitteln und Ermächtigungsübertragungen (Haushaltsausgabereste) entsprechende Auszahlungsansätze zu ermitteln.
Anhand der Priorisierungskriterien, Bewertung der anzunehmenden Fördermittelquoten sowie zwischenzeitlich ggf. neuerer Erkenntnisse in Zusammenhang der durch Bund und Land aufgestellten Investitionsprogramme erfolgt dann in der nächsten Tagung am 10.11.2025 eine Bewertung und Abwägung der vorgelegten Ansätze.“
In seiner Stellungnahme listet das Finanzdezernat dann die Kriterien auf, nach denen die Verwaltung die überhaupt noch umsetzbaren Investitionen sortiert.
Aber das erfüllt noch nicht den von den Grünen gewünschten Punkt, „dem Stadtrat unverzüglich eine Liste der bis 31.10.2025 durch die Kämmerei freigegebenen Investitionen und Förderungen sowie eine Liste der bis 31.12.2025 freizugebenden Investitionen vorzulegen“. Eigentlich ein nur zu berechtigtes Anliegen. Aber ganz offensichtlich wollen das die meisten Fraktionen im Stadtrat gar nicht wissen.
Keine Prioritätenliste
Punkt für Punkt wurde dann auch der Antrag der Grünen von der Ratsmehrheit abgelehnt. Knapp wurde es nur bei einem Punkt, bei dem auch die Linke das Anliegen der Grünen unterstützte. Darin ging es darum, „die Fördermittelakquise und -nutzung konsequent zu sichern. Dabei gilt, dass künftig auch Projekte mit 50 % Eigenanteil der Kommune realisiert werden sollen, wenn sie von herausragender Bedeutung für Infrastruktur, Klimaschutz, Stadtentwicklung, sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. So soll der drohende Verfall externer Fördermittel vermieden werden.“
Aber auch hier gab es eine knappe Mehrheit von 27 : 29 Stimmen dagegen. Die Verwaltung meinte zwar: „Mit dem Sachstandsbericht wird sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch den beschlussfassenden Gremien transparent das dahingehende aktuelle Verwaltungshandeln dargelegt.“
Aber das ist nicht die von den Grünen gewünschten transparente Prioritätenliste.
Und es ist auch kein Entgegenkommen beim nur zu berechtigten Wunsch, „ein Verfahren vorzulegen, nach dem derartige Sparvorgaben künftig nur auf Grundlage eines Stadtratsbeschlusses verhängt oder aufgehoben werden.“
Doch genau das ist nicht vorgesehen. Im Grunde setzt die Verwaltung die vorläufige Haushaltsführung aus der Zeit des noch nicht genehmigten Haushalts fort. Jeder Investitionsposten muss vom Finanzbürgermeister genehmigt werden. Die Verwaltung lehne sich dabei an §78 der Sächsischen Gemeindeordnung an.
Aber der Paragraf war eigentlich nicht dafür gedacht, komplette Haushaltsperioden abzudecken. Es ist ein Notbehelf, mit dem die Verwaltung versucht, irgendwie die rigiden Sparvorgaben der Landesdirektion einzuhalten, während nirgendwo auch nur ein politischer Ansatz zu sehen ist, die vom Bund verursachte Finanzmisere der Kommunen endlich aufzulösen.
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Der Stadtrat stimmt mehrheitlich für seine Selbstentmachtung. Was denken diese Stadträte eigentlich, wofür sie gewählt wurden, wozu sie dort im Stadtrat sitzen? Als Abbild einer chinesischen Winkekatze? Wenn sie nicht mal mehr darüber bestimmen wollen, wie die wenigen Euro, die das nicht mal selbst verursachte Haushaltsloch noch übrig läßt, verwendet werden sollen, können sie auch gleich nach Hause gehen. Wäre dann übrigens billiger…