So schnell kann es gehen, und die ganze Szenerie der scheinbaren Einigkeit im Leipziger Neuseenland entpuppt sich als Kulisse. Mit einem Schulterzucken hat die Stadt Zwenkau den vom Landkreis Leipzig und dem Leipziger Ökolöwen ausgehandelten Kompromiss zur Mastergenehmigung für 320 Motorboote auf dem Zwenkauer See abgelehnt. Und der "Charta-Prozess"?

Am Ende nicht mal das Papier wert, auf dem die Unterschriften von Leipzigs OBM Burkhard Jung, Landrat Michael Czupalla und Landrat Dr. Gerhard Gey stehen. Die wichtigsten Fragen wurden allesamt ausgeklammert, vertagt auf irgendeine spätere Klärung. Und dazu gehört die Motorbootfrage.

Eigentlich stand sie nie wirklich, denn die ursprünglichen Planungen zum Gewässerverbund hatten differenzierte Nutzungen für alle Seen im Neuseenland vorgesehen – Motorboote eher auf abgelegeneren Seen wie dem Hainaer See, auf den stadtnahen Seen eher eine verträgliche Mischung, die vor allem den Erholungssuchenden Raum lässt – zum Surfen, Segeln, Tauchen, Baden. Aber noch mitten im Prozess haben einige Anliegergemeinden den Konsens aufgekündigt und begonnen, sich ihre eigenen Seennutzungen zuzuschneiden. Dazu gehört Zwenkau, das dann mit der Seeneröffnung Anfang Mai endgültig vorpreschte und eine Mastergenehmigung beantragte, die mit einer sanften Nutzung (wie in der “Charta Leipziger Neuseenland” versprochen) nicht mehr viel zu tun hat.

Genehmigen muss das die zuständige Wasserbehörde des Landkreises Leipzig.

Die hat nun in den letzten Wochen intensiv mit dem Leipziger Ökolöwen verhandelt über einen Kompromiss. Denn der Widerspruch des Ökolöwen gegen die Mastergenehmigung hatte ja nur aufschiebende Wirkung. Es ging dabei vor allem um die Berücksichtigung der Naturschutzbelange.

Doch nicht einmal das interessiert die Einzelspieler in Zwenkau. Die dortige Verwaltung hat den Kompromiss abgelehnt.

Und so zeigt sich der Ökolöwe enttäuscht, dass der gemeinsam mit Landrat Dr. Gerhard Gey ausgehandelte Kompromiss von der Stadt Zwenkau nicht aufgegriffen wird, um den Konflikt einvernehmlich und im Sinne des Naturschutzes und der Seenutzer zu lösen. Einvernehmen ist nicht gewollt. Statt die Beteiligung der Naturschutzverbände im Nachhinein wenigstens nachzuholen, hat sich die Stadt Zwenkau den sofortigen Vollzug der Mastergenehmigung per 10. Juli durch den Landkreis Leipziger Land genehmigen lassen.

“Wir hatten einen akzeptablen Weg gefunden, um Lebensräume und Natur besser zu schützen und gleichzeitig die Nutzung des Sees zu ermöglichen“, sagt Nico Singer, Geschäftsführer des Umweltschutzvereins. „Da den Behörden kaum Artendaten vorliegen, muss nach dem Vorsorgeprinzip gehandelt werden, um nicht ‘aus Versehen’ geschützte Arten zu gefährden. Im Kompromiss schlugen wir daher die Vergrößerung des Schutzabstandes auf 100 Meter vor, um so vor allem Röhricht- und Schilfbestände, Brutkolonien sowie die Bereiche, die als Lebensraum für Wasservögel auf dem Wasser dienen, besser zu schützen. Denn hier geht es hauptsächlich um Vögel, die auf dem Wasser leben oder im Uferbereich brüten.“

Selbst die zuständige Naturschutzbehörde beim Landratsamt Landkreis Leipzig empfiehlt in der eigenen Stellungnahme einen Pufferbereich von sogar 200 Metern, da es noch keine Brutvogelkartierung für den Zwenkauer See gibt. Das heißt, dass alle Maßnahmen dazu geeignet sein müssen, alle Arten zu schützen, die aufgrund der Biotopausstattung vorkommen können.

„Die in der Mastergenehmigung getroffenen Schutzmaßnahmen sehen wir als unzureichend an“, sagt Singer. „Im Kompromiss wurde vereinbart, dass der Südzipfel des Sees nur für Segelboote befahrbar sein sollte. Allen Bootsführern sollten Informationskarten ausgehändigt werden, die über Schutzzonen und Gebote informieren.“

Als Bestandteil des zwischen Ökolöwe und Landkreis verhandelten Kompromisses war vorgesehen, dass ein naturschutzfachliches Monitoring durchgeführt wird, um den Artenbestand und die Lebensräume vollständig zu erfassen und dass die Naturschutzverbände in Form eines Beirates beteiligt werden. So sollte ein regelmäßiger Dialog entstehen, um zukünftig Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.

“Da die Mastergenehmigung ohne die notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung erarbeitet und erlassen wurde, musste der Ökolöwe im Interesse des Naturschutzes und der Naherholungssuchenden mit dem Widerspruch den einzigen möglichen Weg gehen, um überhaupt Einsicht in die Unterlagen zu erhalten”, erklärt Nico Singer zum Verfahren. “Unsere Prüfung der Unterlagen ergab, dass die Bestimmungen in der Mastergenehmigung den Natur- und Artenschutz nicht angemessen berücksichtigen. Streng geschützte Arten wie z. B.  Reiherente und Flussregenpfeifer erfordern eine vertiefende Untersuchung.“

Grundsätzlich wäre es jetzt sinnvoll, dass das Landratsamt als Genehmigungsbehörde nun die Mastergenehmigung im Sinne der Durchsetzung ihrer Pflichtaufgabe – Artenschutz – entsprechend des vorgestellten Kompromisses mit Auflagen versieht. Dazu braucht sie rechtlich gesehen nicht die Zustimmung der Stadt Zwenkau, stellt der Ökolöwe fest.

Betont aber auch, dass er die Geschehnisse am Zwenkauer See und im gesamten Neuseenland weiter beobachten und sich auf das Verfahren der Allgemeinen Schiffsbarkeitserklärung konzentrieren will. Denn dieses Verfahren läuft gerade und zieht sich auch deshalb hin, weil sich die Anliegerkommunen der Seen im Leipziger Südraum keineswegs einig sind über einvernehmliche Standards. Denn wenn, dann gibt es nur eine Schiffbarkeitserklärung für alle Seen und Verbindungsgewässer, in der auch die Naturschutzbelange berücksichtigt sind.

Jetzt kommt es darauf an, ob der Landkreis noch die notwendigen Auflagen erteilt. Das hat er bis jetzt nicht getan. Am Freitag vermeldete Zwenkau: “Dem von der Stadt Zwenkau gestellten Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 02.07.2015 wurde stattgegeben. Damit wurde durch das Landratsamt die sofortige Vollziehung der Stadt Zwenkau am 07.05.2015 unter dem Aktenzeichen 692.243/15/52/Ha erteilten Gestattung zur Nutzung des Zwenkauer Sees angeordnet. – Ab sofort ist unter den Bedingungen und Auflagen der ‘Mastergenehmigung’ die Benutzung des Zwenkauer Sees mit maximal 320 motorisierten Sportbooten (100 reine Motorboote/220 Hilfsmotoren) für private Erholungszwecke wieder möglich.”

Der Ökolöwe will jetzt zusammen mit dem Landesverband Grüne Liga Sachsen das weitere Vorgehen beraten.

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Es gibt 6 Kommentare

Schon wieder zu leicht gemacht.

Ich bin weder aus Zwenkau und auch kein Besitzer eines Motorbootes.

Richtig ist, dass mehrere “Nussschalen” auf meinen Gartenteich schwimmen. So beispielsweise zwei schwimmende Gartenzwerge im Schwimmring. Neben den Seerosenblättern bieten diese viel Schatten für meine Goldfische.

Es ist für doch egal, in welcher Kommune eine derartiger Problematik auftritt. Ich beurteile lediglich den jeweiligen Sachverhalt und zähle eins und eins zusammen.

Mmh, ich mache es mir bestimmt auch sehr leicht, wenn ich argwöhne, dass der bekannte Zwenkauer, der hier viel mitschreibt, ganz gerne auch selbst eine Nussschale zu Wasser lassen möchte und deshalb alles, was in Zwenke so getan wird, stets total in Ordnung findet…

Aber der Landkreis hat wie immer intensiv rechtlich und tatsächlich geprüft….Ach ja, muß er ja. Chef des Landkreises ist ja auch Gey.

Sie machen es sich hier sehr leicht. Zu leicht!

Nun ja, der Landkreis selbst hat in einem Gutachten festgestellt, daß und welche Einträge Motorboote verursachen.
Darüber hinaus hat sich der Landkreis mit der sogenannten Mastergenehmigung eines Instrumentes bedient, dessen Grundlage zumindest im SächsWG nicht zu finden ist. Welches nun aber gerade Grundlage für das Zulassungsverfahren ist.
Aber der Landkreis hat wie immer intensiv rechtlich und tatsächlich geprüft…. Ziel u. a. des Landkreises war die Erklärung der Schiffbarkeit.

Nun ja, der Landkreis selbst hat in einem Gutachten festgestellt, daß und welche Einträge Motorboote verursachen.
Darüber hinaus hat sich der Landkreis mit der sogenannten Mastergenehmigung eines Instrumentes bedient, dessen Grundlage zumindest im SächsWG nicht zu finden ist. Welches nun aber gerade Grundlage für das Zulassungsverfahren ist.
Aber der Landkreis hat wie immer intensiv rechtlich und tatsächlich geprüft….
Ach ja, muß er ja. Chef des Landkreises ist ja auch Gey. Der auch Chef der ominösen Steuerungsgruppe und Vorsitzender des RPWSV ist. Deren Ziel ist die Erklärung der Schiffbarkeit.

Die Messen sind gesungen. Die Zukunft wird zeigen, ob diese Entscheidung richtig war. Auch bzw. besonders im Interesse der Umwelt.

Hätte der Ökolöwe den Nachweis erbracht, dass durch Motorboote die Wasserqualität negativ beeinflusst wird, dann wäre diese Genehmigung nicht wirksam geworden. Das hat er demnach nicht.

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